Präses Latzel und Bischof Ackermann gemeinsam auf der Saar

Kanu statt Dienstwagen

Sieben Tage und rund 200 Kilometer Strecke. Der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland tourte mit dem Kanu von Kevelaer bis ins Saarland. Auf der Schlussetappe traf er Bischof Ackermann – natürlich auf dem Wasser im Kajak.

Bischof Dr. Stephan Ackermann und Präses Dr. Thorsten Latzel paddelten zum Abschluss der Kanutour der Hoffnung gemeinsam auf der Saar.   / © Christian Brand (ekir)
Bischof Dr. Stephan Ackermann und Präses Dr. Thorsten Latzel paddelten zum Abschluss der Kanutour der Hoffnung gemeinsam auf der Saar. / © Christian Brand ( ekir )

DOMRADIO.DE: Unter #kanutourderhoffnung sind Sie in sieben Etappen vom nordrhein-westfälischen Kevelaer bis ins Saarland gepaddelt – dazu Andachten, Gebete, Gemeinde, Projekte und Besuche. Ist alles gut gegangen? Kein Kentern, kein Kapern Ihres Kanus?

Dr. Thorsten Latzel (Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland): Nein, überhaupt nicht. Es ging sehr gut. Zwei Personen stürzten zwar mal ins Wasser rein, aber das Wasser hatte keinen Wohlstand und das ging alles gut.

Thorsten Latzel

"Wissen Sie, das ist etwas ganz anderes, wenn ich im Dienstwagen im Anzug vorfahre oder wenn ich durchgeschwitzt auf dem Kanu rauskomme."

DOMRADIO.DE: Das Ganze war nicht Ihre erste derartige Reise. Schon im vergangenen Jahr sind Sie mit dem Fahrrad zur "Sommertour der Hoffnung" aufgebrochen. Warum ist es Ihnen ein Anliegen, rauszukommen und die Menschen vor Ort zu treffen, mit Ihnen ins Gespräch zu kommen?

Latzel: Einmal bewege ich mich einfach gerne. Ich finde Sport ist eine schöne Gabe Gottes und ich mag das einfach rauszugehen. Ich glaube, das ist ein Modell, wie wir in Zukunft Kirche sein können und sollten, dass wir den Kontakt zu Menschen suchen, rausgehen aus unseren Kreisen und Gruppen – aus unseren Kirchenräumen, auch mal nasse Füße bekommen und durchgeschwitzt ankommen.

Wissen Sie, das ist etwas ganz anderes, wenn ich im Dienstwagen im Anzug vorfahre oder wenn ich durchgeschwitzt auf dem Kanu rauskomme, da sind die ersten Hürden direkt genommen.

DOMRADIO.DE: Haben Sie denn auch das Gefühl, dass das auch bei den Leuten so ankommt? Was haben Sie für eine Resonanz erfahren während dieser Reise?

Latzel: Eine sehr starke. Wir konnten an jedem Tag so vier, fünf unterschiedliche Orte besuchen. Da erleben Sie wirklich kirchlichen Aufbruch, engagierte Menschen und überall, wo wir hinkommen, eine Gastfreundlichkeit. Da gab es Menschen, die sich gerade um Sozialschwache kümmern, zum Beispiel bei der Tafel-Arbeit oder im Sozialkaufhaus.

Präses Dr. Thorsten Latzel bei seinem Besuch der Tafel in Wetzlar-Niedergirmes / © Tobias Goldkamp  (ekir)
Präses Dr. Thorsten Latzel bei seinem Besuch der Tafel in Wetzlar-Niedergirmes / © Tobias Goldkamp ( ekir )

Wir haben vieles von Schöpfungsprojekten sehen können, die Angst von jungen Menschen gehört, die sich um ihre Zukunft sorgen. Eine Transperson, die uns gesagt hat, welche Diskriminierungserfahrungen sie macht. Wir haben wirklich sehr viele dichte Momente erleben können – seelsorgliche Momente – und ich glaube, dazu trägt es wirklich bei, wenn man sich selber aussetzt, raus geht. Ich konnte zumindest sehr viel lernen auf dieser Tour.

DOMRADIO.DE: Veränderung, Aufbruch – das haben Sie jetzt mehrfach betont. Wir leben in einer Zeit, in der wir uns als Gesellschaft insgesamt verwandeln müssen. Auch das haben Sie in den vergangenen Tagen in einer Ihrer Videobotschaften gesagt. Welche Veränderungen meinen Sie konkret?

Latzel: Zunächst einmal ökologisch. Wir haben so viele schöne Naherholungsgebiete. Wenn Sie rausgehen auf die Flüsse, sind Sie automatisch in einer anderen Atmosphäre, erleben Sie eine Ruhe, das Fließen des Stromes und erleben eine Schönheit der Schöpfung. Wenn so ein Eisvogel einfach über das Wasser gleitet, das sieht wunderschön aus.

Und die Frage, wie wir anders leben können, ökologisch, das wissen wir alle, dass wir das müssen. Aber das ist nicht nur eine technische Frage, sondern auch eine der Einstellung der Lebensänderung. Das konnte ich zumindest selber erfahren bei dieser Fahrt, wie mich das selbst und auch alle Mitreisenden verändert hat.

Thorsten Latzel

"Wir leben im reichen Land und müssen da schauen, dass wir gemeinsam gut da durchkommen. Das können wir schaffen, wenn wir wirklich anders miteinander teilen."

DOMRADIO.DE: Neben den Ökologie und dem ökologischen Aspekt, den Sie gerade schon angesprochen haben, gab es noch zwei weitere Themen, die Sie besonders hervorgehoben haben. Welche waren das und warum?

Latzel: Genau das zweite wichtige Thema war die Frage von sozialer Gerechtigkeit und Armut. Wir haben das an sehr vielen Stellen erlebt, wie schnell Menschen abrutschen können. Auf einmal wird man krank, verliert die Arbeit und dann braucht man Menschen, die einen auffangen. Wir haben das erlebt bei der Obdachlosenarbeit oder bei einer Stelle, wo man mit Drogenabhängigen gearbeitet hat.

Das wird ein Thema sein, was gerade bei der Teuerung auf viele Menschen zukommt: Wie kann ich mir das alles überhaupt noch leisten? Wir haben schlichtweg Leute erlebt, die konnten sich ihr tägliches Essen und Trinken, die Kleidung nicht leisten. Gerade mit der Angst vor einem kalten Winter. Die Heizkosten werden steigen. Wir leben in einem reichen Land und müssen schauen, dass wir da gemeinsam gut durchkommen. Das können wir schaffen, wenn wir wirklich anders miteinander teilen.

DOMRADIO.DE: Gab es einen Moment, eine Begegnung, die Ihnen ganz besonders im Kopf geblieben ist?

Latzel: Es gibt wirklich sehr, sehr viele. Das ist schwierig, etwas auszuwählen. Wir saßen zum Beispiel mit jungen Menschen zusammen und es war für mich wirklich sehr eindrücklich zu hören, welche Hoffnung sie haben, aber auch von der Angst. Wirklich Angst! Schaffen wir es, diese ökologische Transformation zu schaffen? Die Angst vor Diskriminierung der Transperson, die dabei gewesen ist. Die Transfrau, die mir gesagt hat: Werde ich mit meiner Art eigentlich angenommen?

Und das war ein Moment, wo man gemerkt hat – wir saßen auf der Wiese und aßen gemeinsam – das war ein Teilen von Sorgen, von der unwahrscheinlichen Dichte und Nähe, die wir da erleben konnten. Das ging mir sehr nah.

Thorsten Latzel

"Das war einfach schön, gemeinsam zwar nicht in einem Boot zu sein, sondern in mehreren, aber das war versöhnte Vielfalt, würde ich sagen."

DOMRADIO.DE: Begleitet wurden sie ja unter anderem von einer Gruppe von KonfirmandInnen, gestern dann auch vom Trierer Bischof Stephan Ackermann. Wie haben Sie diese Begegnung erlebt?

Latzel: Ja, das fand ich sehr schön, dass Stephan Ackermann mitgefahren ist. Er hat sich darauf eingelassen. Stephan ist zum ersten Mal im Boot gewesen, das muss man auch dazu sagen. Es war schön, dass man auch mal gemerkt hat, das war so eine Teamerfahrung, gemeinsam unterwegs zu sein. Wir konnten erleben, dass wir eben gemeinsam paddeln, dass man einander zeigt, wie das funktioniert und man auch merkt, wie kommt man gut durch so kleine Stromschnellen und so etwas durch.

Beim gemeinsamen Paddeln kommt man einander ganz anders nahe. Da dutzt man sich, da kann man sich schlecht siezen. Das war einfach schön, gemeinsam zwar nicht in einem Boot zu sein, sondern in mehreren, aber das war versöhnte Vielfalt, würde ich sagen.

Das Interview führte Moritz Dege.

Quelle:
DR