Polizeiseelsorger ordnet Debatte der Lützerath-Räumung ein

"Wenn ich räume, muss ich zerren"

Niedersachsens oberster evangelischer Polizeiseelsorger Torsten Ernst hat die Polizei gegen Vorwürfe der überzogenen Gewaltanwendung bei der Räumung von Lützerath in Schutz genommen. Seiner Meinung nach werde die Debatte hochgekocht.

Autor/in:
Martina Schwager
Polizisten und Klimaaktivisten sind in ein Handgemenge verwickelt / © Gordon Welters (KNA)
Polizisten und Klimaaktivisten sind in ein Handgemenge verwickelt / © Gordon Welters ( KNA )

Nach dem Betrachten zahlreicher Videos von Polizeiaktionen komme er zu dem Schluss, dass die ganze Sache dramatisiert und politisiert werde, sagte Ernst dem Evangelischen Pressedienst (epd).

"Der Protest gegen den Klimawandel wird auf dem Rücken der Polizei ausgetragen nach dem Motto: Der Staat verteidigt den sinnlosen Abbau von Braunkohle, und nun schaut mal, wie brutal er das macht."

Rechtsstatus durchsetzen

Die Polizei habe lediglich versucht, einen Rechtsstatus durchzusetzen und sei dabei mit rechtsstaatlichen Mitteln vorgegangen, erläuterte der Leiter des Kirchlichen Dienstes in Polizei und Zoll der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen. "Wenn ich räume, und es gibt Widerstand, dann muss ich zerren."

 Eine Gruppe Polizisten steht bei der Räumung von Lützerath vor Bretterhütten, die von Aktivisten und Demonstranten gebaut worden waren / © Federico Gambarini (dpa)
Eine Gruppe Polizisten steht bei der Räumung von Lützerath vor Bretterhütten, die von Aktivisten und Demonstranten gebaut worden waren / © Federico Gambarini ( dpa )

Jeder Rechtsstaat brauche eine Instanz wie die Polizei, die die Einhaltung der Normen sichert, auch wenn das manchmal die Grundrechte einzelner einschränke.

Gegenwehr könne auch die ein oder andere robuste Reaktion vonseiten der Polizei hervorrufen, "die so vielleicht nicht hätte sein müssen", sagte Ernst mit Blick auf ein Video, in dem ein Polizist einen Demonstranten mit dem Schlagstock schlägt.

Er sei aber überzeugt, dass einzelnes Fehlverhalten polizeiintern aufgearbeitet werde. "Aber insgesamt sollten wir den Ball flach halten bei all diesen Demonstrationen, die angesichts des Klimawandels auch noch folgen werden."

Leib und Leben der Bürger schützen

Zudem habe die Polizei neben der Durchsetzung des Hausrechts für den RWE-Konzern auch die Pflicht, Leib und Leben der Bürger zu schützen.

Eine Demonstrantin trägt ein gelbes Kreuz bei einer Prozession von Klimaaktivisten im Gebiet des Tagebaus Garzweiler im Erkelenzer Weiler Lützerath / © Gordon Welters (KNA)
Eine Demonstrantin trägt ein gelbes Kreuz bei einer Prozession von Klimaaktivisten im Gebiet des Tagebaus Garzweiler im Erkelenzer Weiler Lützerath / © Gordon Welters ( KNA )

Einige Menschen seien jedoch auf wacklige Holzgerüste geklettert, in Tunnel hineingestiegen oder an der Abbruchkante herumspaziert. "Da hat die Polizei ja von vornherein verloren, wenn die Menschen ihr Leben selbst gefährden."

Es sei allen Besetzern klar gewesen, dass sie den Protest maximal sechs Tage durchhalten könnten, sagte der Pastor. "Das sind eingeübte Mechanismen, die wir schon bei den Castor-Transporten und den Anti-AKW-Protesten beobachten konnten."

Letztlich sei es um maximale mediale Aufmerksamkeit gegangen. "Das ist ein legitimes Verhalten, solange es gewaltfrei bleibt. Wenn jedoch das eigene oder das Leben anderer gefährdet wird, muss die Polizei eingreifen."

Polizeiseelsorge

Die christlichen Kirchen bieten mit ihren Polizeiseelsorgerinnen und Polizeiseelsorgern Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Polizei bei der Bewältigung ihrer Aufgaben Rat, Unterstützung und Begleitung an. Sie tun dies zwar auf dem Hintergrund ihres Glaubens, aber unabhängig von konfessioneller oder religiöser Bindung der Angehörigen der Polizei.

Die Polizeiseelsorge gilt also den Frauen und Männern, die in den Polizei-Organisationen Dienst leisten. Die pastorale Sorge der Kirche gilt damit den Menschen, nicht der Organisation. (Polizeiseelsorge)

Polizeiseelsorge / © Caroline Seidel (dpa)
Polizeiseelsorge / © Caroline Seidel ( dpa )
Quelle:
epd