Viele Christen demonstrieren gegen die Räumung von Lützerath

Friedlicher Protest

"Kirche(n) im Dorf lassen" und "Christians for Future". Nicht nur diese christlichen Initiativen haben sich an den Demonstrationen gegen die Räumung von Lützerath beteiligt. Auch Theologinnen und Theologen meldeten sich zu Wort.

Autor/in:
Gottfried Bohl
Eine Demonstrantin trägt ein gelbes Kreuz bei einer Prozession von Klimaaktivisten im Gebiet des Tagebaus Garzweiler im Erkelenzer Weiler Lützerath / © Gordon Welters (KNA)
Eine Demonstrantin trägt ein gelbes Kreuz bei einer Prozession von Klimaaktivisten im Gebiet des Tagebaus Garzweiler im Erkelenzer Weiler Lützerath / © Gordon Welters ( KNA )

Am Braunkohletagebau Garzweiler haben am Wochenende Tausende Menschen gegen die Räumung und den Abriss des Dorfes Lützerath protestiert. Neben prominenten Klimaaktivistinnen wie Greta Thunberg und Luisa Neubauer waren auch zahlreiche Christinnen und Christen dabei.

Umweltaktivistin Luisa Neubauer wird von Polizisten während einer Sitzblockade weggetragen. Die Demonstranten hatten versucht am zweiten Tag der Räumung durch die Polizei über Äcker zum besetzten Braunkohleort Lützerath zu gelangen und wurden von der Polizei gestoppt. Der Energiekonzern RWE will die unter Lützerath liegende Kohle abbaggern, dafür soll der Weiler auf dem Gebiet der Stadt Erkelenz am Braunkohletagebau Garzweiler II abgerissen werden. / © Federico Gambarini (dpa)
Umweltaktivistin Luisa Neubauer wird von Polizisten während einer Sitzblockade weggetragen. Die Demonstranten hatten versucht am zweiten Tag der Räumung durch die Polizei über Äcker zum besetzten Braunkohleort Lützerath zu gelangen und wurden von der Polizei gestoppt. Der Energiekonzern RWE will die unter Lützerath liegende Kohle abbaggern, dafür soll der Weiler auf dem Gebiet der Stadt Erkelenz am Braunkohletagebau Garzweiler II abgerissen werden. / © Federico Gambarini ( dpa )

Nach Angaben der Polizei haben rund 15.000 Menschen demonstriert, nach Schätzungen der Veranstalter mindestens 35 000. Am Rande gab es auf beiden Seiten Verletzte. Polizei und Demonstrierende warfen sich gegenseitig gewaltsame Übergriffe vor.

Aktivist beklagt rüden Einsatz der Polizei

"Ich selber bin mit dem Kreuz in der Hand, obwohl unsere ganze Gruppe die Hände als Zeichen der Gewaltfreiheit nach oben hielt, umgerannt worden und bin zu Boden gegangen", beklagte etwa Anselm Meyer-Arntz von der Initiative "Die Kirche(n) im Dorf lassen" gegenüber DOMRADIO.DE: "Ein Polizist hat versucht, mir das Kreuz zu entreißen, und es war nur der mutigen, gewaltfreien Intervention anderer Aktivisten zu verdanken, dass diese Situation nicht völlig eskaliert ist."

Ebenfalls bei DOMRADIO.DE berichtete die katholische Theologin Gudula Frieling davon, dass sie vor Ort gesungen, gebetet und Texte von Papst Franziskus vorgelesen habe, bevor sie von der Polizei weggetragen worden sei: "Wir müssen uns dieser strukturellen Gewalt, zu der auch die fossile Energiegewinnung gehört, entgegenstellen." Die Klimakatastrophe sei schon jetzt zu weit fortgeschritten.

Gudula Frieling wird von Polizisten bei der Räumung von Lützerath weggetragen / © Manuela Hillekamps (privat)
Gudula Frieling wird von Polizisten bei der Räumung von Lützerath weggetragen / © Manuela Hillekamps ( privat )

Deswegen greifen man auch jenseits von Gebet und Gottesdienst zu Mitteln des zivilen Ungehorsams und Widerstands.

Zu Gottesdiensten an der Abbruchkante eingeladen

Initiativen wie "Die Kirche(n) im Dorf lassen" und "Christians for Future" hatten immer wieder zu Gottesdiensten an der Abbruchkante eingeladen. Am Wochenende solidarisierten sich auch etliche Theologinnen und Theologen aus dem deutschsprachigen Raum in einem auf der Internetplattform y-nachten.de veröffentlichten Brief mit den Demonstrierenden.

Klima-Aktivisten stürmen an die Abbruchkante bei der Räumung des Geländes im Gebiet des Tagebaus Garzweiler im Erkelenzer Weiler Lützerath / © Gordon Welters (KNA)
Klima-Aktivisten stürmen an die Abbruchkante bei der Räumung des Geländes im Gebiet des Tagebaus Garzweiler im Erkelenzer Weiler Lützerath / © Gordon Welters ( KNA )

Sie forderten ein Moratorium für die Räumung des Dorfes. "Dabei sind wir ganz besonders von dem prophetischen Handeln der Menschen der Initiative "Kirche(n) im Dorf lassen" inspiriert, die ein Vorbild für uns alle sein sollten." Zu den rund 35 Erstunterzeichnern gehören mehrere Professorinnen und Professoren sowie der Jesuit Jörg Alt.

Das von Klimaaktivisten besetzte Dorf, das zum Bistum Aachen gehört, liegt direkt an der Abbruchkante des Braunkohletagebaus Garzweiler und soll diesem weichen. Der Energiekonzern RWE und die NRW-Landesregierung hatten sich darauf geeinigt, die Braunkohleverstromung 2030 und nicht erst 2038 zu beenden. Zudem sollen fünf andere Dörfer im rheinischen Revier erhalten bleiben und nur Lützerath den Kohlebaggern weichen.

Moratorium für die Räumung gefordert

Vertreter von katholischer und evangelischer Kirche und des katholischen Hilfswerks Misereor hatten schon in der Woche ein Moratorium für die Räumung gefordert. Der Vorsitzende des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ), Gregor Podschun, forderte die Kirchen zu einem entschiedeneren Einsatz für den Klimaschutz auf.

Die katholischen Bischöfe hatten angesichts der Räumung den Wert der Meinungs- und Demonstrationsfreiheit hervorgehoben, zugleich aber die Achtung von Rechtsstaatlichkeit sowie Gewaltfreiheit gefordert.

Helmut Dieser, Bischof von Aachen / © Harald Oppitz (KNA)
Helmut Dieser, Bischof von Aachen / © Harald Oppitz ( KNA )

"Friedliche Proteste sind zentraler Bestandteil einer lebendigen Demokratie", sagte der katholische Aachener Bischof Helmut Dieser: "Zu einem glaubwürdigen Rechtsstaat gehört aber auch, dass Regeln und Vereinbarungen eingehalten werden."

Ähnlich äußerten sich der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Thorsten Latzel, und die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Annette Kurschus. Latzel mahnte, es dürfe "keine Spirale der Gewalt in Gang gesetzt werden, die dazu führt, dass Menschen verletzt oder gar getötet werden". Der Kompromiss zur Zukunft des rheinischen Reviers sei "schmerzlich errungen" worden. Kurschus erklärte: "Unsere Gesellschaft braucht am Beginn des Jahres 2023 keine Kraftakte, keine neuen Konfrontationen und Kampfszenen."

Quelle:
KNA