Seelsorger hält Demos in Lützerath zum Teil für verstörend

"Ein noch so guter Zweck heiligt eben nicht alle Mittel"

Im inzwischen nahezu geräumten Dorf Lützerath am Braunkohletagebau haben sich am Wochenende tausende Menschen versammelt, um die Räumung zu verhindern und die Klimapolitik anzuprangern. Beide Seiten werfen sich gegenseitig Gewalt vor.

Klimaaktivisten wie ein mit einer Mönchskutte verkleideter Mann und Polizisten stehen sich bei der Räumung des Geländes im Gebiet des Tagebaus Garzweiler im Erkelenzer Weiler Lützerath gegenüber / © Gordon Welters (KNA)
Klimaaktivisten wie ein mit einer Mönchskutte verkleideter Mann und Polizisten stehen sich bei der Räumung des Geländes im Gebiet des Tagebaus Garzweiler im Erkelenzer Weiler Lützerath gegenüber / © Gordon Welters ( KNA )

DOMRADIO.DE: Sie waren zweimal bei den Demonstrationen und Räumungsarbeiten in Lützerath am Tagebau dabei. Zuletzt am Samstag, als sich sehr viele Menschen dorthin aufgemacht haben. Wie ist Ihr Eindruck? Wie war die Atmosphäre?

Pfarrer Dr. Dominik Schultheis, Polizeiseelsorger im Erzbistum Köln / © Dominik Becker (DR)
Pfarrer Dr. Dominik Schultheis, Polizeiseelsorger im Erzbistum Köln / © Dominik Becker ( DR )

Pfarrer Dr. Dominik Schultheis (Polizeiseelsorger im Erzbistum Köln): Das war schon beeindruckend, so viele Menschen nach Lützerath kommen zu sehen, die dort friedlich für den Klimaschutz demonstrieren wollten. Das ist übrigens ein Anliegen, dass auch viele Polizistinnen und Polizisten, mit denen ich gesprochen habe, persönlich teilen.

Für mich war es aber verstörend zu sehen, dass viele der Aktivisten statt auf die Versammlungsfläche zu ziehen, gleich an die Abbruchkante des Tagebaus marschierten. Sie haben sich dann direkt, oftmals vermummt, in Auseinandersetzungen mit den Polizistinnen und Polizisten begeben, die dort standen, um den Zaun um Lützerath zu sichern.

Pfarrer Dr. Dominik Schultheis, Polizeiseelsorger im Erzbistum Köln

"Das war dann irritierend und ist zu Recht auch zu kritisieren, denn ein noch so guter Zweck heiligt eben nicht alle Mittel."

Da wurde schnell Pyrotechnik gezündet, es wurden Steine geworfen, mit Schlamm geworfen, Beamtinnen und Beamte wurden verletzt. Diese Gewalt, die ich da aus der Ferne beobachtet habe und von denen auch die Medien berichteten, passt nicht so richtig zu diesem friedlichen Einsatz für unser Klima.

Das war irritierend und ist zu Recht auch zu kritisieren, denn ein noch so guter Zweck heiligt eben nicht alle Mittel.

DOMRADIO.DE: Sie sind als Seelsorger für die Beamten da. Wie bereiten sie sich als Polizistin oder als Polizist darauf vor, sich selbst zu schützen und voraussehbar mehrere Tage im Einsatz zu sein? Was haben Sie mitbekommen?

Schultheis: Einerseits sind sie gut ausgestattet und ausgerüstet für so einen Einsatz. Zum anderen sind sie gut vorbereitet und ausgebildet. Sie gehen nicht unvorbereitet in einen solchen Einsatz. Es wird auch viel geübt. Da wird im Vorfeld geprobt. Da haben die Kolleginnen und Kollegen schon viel Erfahrung durch andere ähnliche Einsätze gesammelt, die sie dann einbringen können.

Es wird sich auch in Ausbildungsmodulen ethisch der Frage genähert, wie wir denn mit selbsterfahrener Gewalt umgehen. Wo ist die Grenze, wenn man Zwangsmittel einsetzt? Wo ist es zu viel, wo ist es nicht mehr rechtmäßig? Darüber tauschen wir uns schon im Vorfeld aus.

DOMRADIO.DE: Vielen Demonstrierenden ging es darum, ein Zeichen zu setzen. Wie symbolisch war das für Sie, sich am Rand des Tagebaus gegenüberzustehen? Was bewirkt das?

Pfarrer Dr. Dominik Schultheis, Polizeiseelsorger im Erzbistum Köln

"Ein Symbol hört auf positiv zu wirken, dort wo es umschlägt und wo es ein "Geschmäckle" bekommt".

Schultheis: Ich glaube schon, dass es solche Symbole braucht. Es wird ja auch gerade diskutiert. Aber wie ich schon sagte, so ein Symbol hört auf, positiv zu wirken, wo es umschlägt und wo es ein "Geschmäckle" bekommt, dass sich Einzelne, wie die Polizei sagt, Störer untermischen, um sich irgendwelchen Auseinandersetzungen mit den Polizistinnen und Polizisten zu liefern. Da mache ich ein großes Fragezeichen dran.

DOMRADIO.DE: Nicht für alle Polizistinnen und Polizisten dürfte der Hintergrund des Einsatzes persönlich oder von der eigenen Haltung her unumstritten gewesen sein. Sie haben das vorhin schon angedeutet. Da gilt es, die eigene Bewertung auszublenden und den Job auszuüben. Wie gehen die Beamten damit um, und mit welchen Anliegen kommen Polizisten und Polizistinnen nach so einem Einsatz zu ihnen?

Schultheis: Ich erlebe die Polizistinnen und Polizisten da als sehr professionell, sodass sie das eine vom anderen trennen können. Sie müssen auch bei anderen Einsätzen, wo sie vielleicht eine rechte Demonstration sichern müssen, ihre persönliche politische Haltung zurückhalten und da erst mal ihren Job machen. Ich habe großen Respekt vor den Polizistinnen und Polizisten, dass sie das hinbekommen.

Wir sind als Seelsorgerinnen und Seelsorger während des ganzen Einsatzes in Lützerath entweder vor Ort gewesen, aber auch im Backup am Abend abrufbar gewesen, falls einzelne Beamtinnen und Beamte mit uns reden wollten.

Aber vor Ort fand ich es erst mal wichtig, mit den Kolleginnen und Kollegen Präsenz zu zeigen und da, wo es ging, auch mal ein kurzes Gespräch zu führen.

Dabei wurde auch deutlich, dass sie es einerseits schade finden, dass Lützerath geräumt wird. Andererseits sagen sie aber auch, dass es höchstrichterlich entschieden wurde. Die Rechtssicherheit liegt also vor. Deshalb ist ihr Einsatz da auch legitimiert und legal.

DOMRADIO.DE: Worin sehen Sie eine Chance, die aus den Geschehnissen am Wochenende und den vergangenen Tagen entstehen könnte?

Schultheis: Ich glaube, dass sich die Politik und alle Player in der Gesellschaft, also auch wir als Kirchen, uns weiter um den Klimaschutz bemühen müssen. Das ist auch unsere Aufgabe, für die nachkommenden Generationen zu sorgen, dass wir noch auf einem lebenswerten Planeten leben können, und dass wir mit den Ressourcen, die uns zur Verfügung stehen, verantwortlich umgehen.

Da, wo das aber gewaltsam geschieht, finde ich das wenig hilfreich, eher störend und verstörend. Da geht es in eine falsche Richtung.

Das Interview führte Katharina Geiger. 

Polizeiseelsorge

Die christlichen Kirchen bieten mit ihren Polizeiseelsorgerinnen und Polizeiseelsorgern Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Polizei bei der Bewältigung ihrer Aufgaben Rat, Unterstützung und Begleitung an. Sie tun dies zwar auf dem Hintergrund ihres Glaubens, aber unabhängig von konfessioneller oder religiöser Bindung der Angehörigen der Polizei.

Die Polizeiseelsorge gilt also den Frauen und Männern, die in den Polizei-Organisationen Dienst leisten. Die pastorale Sorge der Kirche gilt damit den Menschen, nicht der Organisation. (Polizeiseelsorge)

Polizeiseelsorge / © Caroline Seidel (dpa)
Polizeiseelsorge / © Caroline Seidel ( dpa )
Quelle:
DR