Pfarrerin fordert Engagement auch abseits des Weltfrauentags

Gedenken gut, handeln besser

Der Weltfrauentag hatte in der ehemaligen DDR großes Ansehen mit einem festen Platz in der Reihe der Feiertage, anders als in Westdeutschland. Pfarrerin Simone Lippmann-Marsch aus Brandenburg ist kein großer Fan dieses Gedenktages.

Symbolbild: Weltfrauentag / © Nelosa (shutterstock)

DOMRADIO.DE: Zu DDR-Zeiten waren Sie noch ein kleines Kind. Sie haben wahrscheinlich keine großen Erinnerungen an den Frauentag zu DDR-Zeiten, oder?

Simone Lippmann-Marsch (Pfarrerin in Kloster Lehnin im evangelischen Kirchenkreis Mittelmark-Brandenburg): Richtig, genau.

DOMRADIO.DE: Wie steht es denn um den Weltfrauentag bei Ihnen?

Simone Lippmann-Marsch  (privat)
Simone Lippmann-Marsch / ( privat )

Lippmann-Marsch: Prinzipiell finde ich Tage, an denen man besonderer Ereignisse oder besonderer Entwicklungen gedenkt, total gut. Ich bin aber leider kein Fan davon, weil es mir immer darauf ankommt, wie ich mich denn generell verhalte. Oder wie denke ich an das Thema an den restlichen Tagen des Jahres? Deswegen liegt mein Fokus nicht so sehr auf diesem einen Frauentag heute, auch wenn ich ihn sehr wichtig finde.

DOMRADIO.DE: Gibt es in Ihrem Umfeld an dem heutigen Tag noch Geschenke und Blumen für die Frauen?

Lippmann-Marsch: Doch, schon. Das gibt es durchaus. Das sieht man auch an lokalen Angeboten, zum Beispiel wenn man ins Kino geht und dann einen Sekt umsonst bekommt oder dass es heute besondere Veranstaltungen gibt.

Simone Lippmann-Marsch (Pfarrerin im Kloster Lehnin im evangelischen Kirchenkreis Mittelmark-Brandenburg)

"Meine Familie weiß, dass ich diese Tage blöd finde und hat mir gestern bereits einen Blumenstrauß überreicht; symbolisch dafür, dass nicht nur an diesem einen Tag an die tollen Frauen dieser Welt gedacht werden sollte."

Das ist für mich aber mehr eine durchaus sinnige Geschäftsidee, um einfach den Konsum zu steigern. Das Gleiche gilt bei den Geschäften zum Valentinstag. Nichtsdestotrotz freue ich mich, wenn es etwas Aufmerksamkeit gibt. Meine Familie weiß, dass ich diese Tage blöd finde und hat mir gestern bereits einen Blumenstrauß überreicht; symbolisch dafür, dass nicht nur an diesem einen Tag an die tollen Frauen dieser Welt gedacht werden sollte.

DOMRADIO.DE: Steckt bei Ihnen auch eine religiöse Komponente dahinter, dass Sie diesen Tag eher ablehnen?

Lippmann-Marsch: Nein, eine religiöse Komponente nicht, sondern eher wie ich darauf schaue. Wie schon gesagt, prinzipiell stehe ich diesem Tag sehr positiv gegenüber. Nichtsdestotrotz finde ich es vom Glauben her auch unbedingt wichtig, das zu leben, was Jesus vorgelebt hat. Und zwar, dass es nicht nur darum geht, ob ich Mann oder Frau bin, sondern dass alles Hand in Hand funktioniert, auch mit allem Geschlechtlichen, was dazwischen ist.

Es darf keine Rolle spielen, wo ich herkomme oder wie viel Geld ich verdiene. Das ist die religiöse Komponente dahinter. Aber das ist ein etwas übergeordnetes Thema und nicht zentriert auf den Frauentag, sondern eher nochmal darauf dezidiert zu schauen, wie kirchliche oder religiöse Geschichte Formen angenommen hat. Welche Rolle hat die Frau, welche Rolle der Mann oder überhaupt der Mensch?

DOMRADIO.DE: Das Lebensmodell der DDR-Frau war, auf eigenen Füßen stehen, Geld verdienen, das Kind früh in Fremdbetreuung geben. Das galt auch lange Zeit auf der anderen Seite in Westdeutschland eher als Inbegriff der "Rabenmutter". Wie positionieren Sie sich da?

Lippmann-Marsch: Prinzipiell finde ich das total gut, wenn Frauen auf eigenen Beinen stehen, wenn sie sich in der Form, wie sie leben möchten, auch selbst verwirklichen können, unabhängig davon, ob sie aus den Ostgebieten oder Westgebieten kommen. Damals war es aber tatsächlich so, dass die Frauen wirklich von früh bis spät arbeiten waren.

Ich erinnere mich, dass auch meine Mutter mich morgens in den Bus setzen musste, weil sie zur Arbeit musste und es nicht selten vorkam, dass wir dort zwölf Stunden fremdbetreut waren. Das war gang und gäbe. Aber ich weiß nicht, ob wirklich jede Frau sich in dieser Rolle wohlgefühlt hat. Es gibt auch Frauen, die aus Überzeugung sagen, sie möchten gerne bei den Kindern bleiben, um jetzt mal die Brücke zu den Frauen zu schlagen, die als Hausfrau zu Hause bleiben möchten. Ich finde das alles okay.

Simone Lippmann-Marsch (Pfarrerin im Kloster Lehnin im evangelischen Kirchenkreis Mittelmark-Brandenburg)

"Das finde ich schade, dass Gesellschaft da auf individuelle Entscheidungen schaut und wir auch manchmal gar nicht anders können, weil wir so aufgewachsen sind."

Schade ist nur, dass wenn diese Entscheidung getroffen wird, es immer in eine Abhängigkeit mündet, dass vorausgesetzt wird, dass ein Partner oder noch eine Partnerin die Kinder mitversorgt. Ich denke, dass das gerade hier in den Ostteilen noch ein vorherrschendes Bild ist, dass sich eine Frau unabhängig von den Einkünften eines Partners macht.

Wir bewegen uns aber trotzdem in diesem System. Es gibt vielleicht auch Frauen, die gerne aus Überzeugung zu Hause bleiben und sich um die Kinder kümmern würden. Das ist dann aber wenig anerkannt. Das finde ich schade, dass Gesellschaft da auf individuelle Entscheidungen schaut und wir auch manchmal gar nicht anders können, weil wir so aufgewachsen sind. Wirklich schade!

Das Interview führte Florian Helbig.

Internationaler Frauentag

Der Internationale Frauentag wird jedes Jahr am 8. März begangen. An diesem Tag setzen Frauen weltweit mit Demonstrationen und anderen Aktionen ein Zeichen für die gesellschaftliche Gleichstellung von Männern und Frauen. Dabei geht es um Chancengleichheit im Erwerbsleben, gleichen Lohn für gleiche Arbeit, den Kampf gegen Gewalt, Frauenhandel oder Genitalverstümmelung. 1977 erkannte die UN-Generalversammlung den 8. März offiziell als Internationalen Frauentag an.

Am 8. März ist Internationaler Frauentag / © Jens Wolf (dpa)
Am 8. März ist Internationaler Frauentag / © Jens Wolf ( dpa )

 

Quelle:
DR