In Nigeria gibt es immer mehr Frauen als Keke-Fahrerinnen

Am Steuer statt in der Prostitution

In Nigeria sind die gelben, motorisierten Dreiräder, Keke genannt, nicht aus dem Alltag wegzudenken. Dass Frauen sie fahren, hat anfangs für Spott gesorgt. Heute macht es die Viertel sicherer. Ein Blick ins Land zum Weltfrauentag.

Autor/in:
Katrin Gänsler
Eine Frau sitzt in einem sogenannten Keke in Nigeria / © i_am_zews (shutterstock)
Eine Frau sitzt in einem sogenannten Keke in Nigeria / © i_am_zews ( shutterstock )

Oluwabukola Adebayo wird deutlich, wenn einer ihrer Fahrgäste unhöflich oder laut wird. "Ich bringe ihm schon bei, wie er sich benehmen muss", sagt die resolute Frau, die über ihr weißes T-Shirt ein grau-kariertes Kleid gezogen hat, und stemmt die Hände in die Hüften. Die Mutter von zwei Söhnen im Alter von zehn und sieben Jahren wirkt geradezu angriffslustig.

Oluwabukola Adebayo, Taxifahrerin, vor ihrem motorisierten Dreirad (genannt Keke) / © Katrin Gänsler (KNA)
Oluwabukola Adebayo, Taxifahrerin, vor ihrem motorisierten Dreirad (genannt Keke) / © Katrin Gänsler ( KNA )

Sie lebt in Oworonshoki, einem Viertel in der nigerianischen Millionenmetropole Lagos. Die Straßen sind voller Schlaglöcher. In die niedrigen Häuser quetschen sich große Familien. Strom gibt es nur dann und wann, fließendes Wasser gar nicht. Die Jobs, die Bewohner hier finden, reichen kaum zum Überleben. Frauen verkaufen an den Straßenrändern Obst und Gemüse. Ein Mann zieht durch die Viertel und bietet seine Dienste als Schuhmacher an.

Eine Gruppe junger Männer liefert auf einer Sackkarre Wasser in gelben Kanistern. Manchen Frauen bleibt nur die Prostitution, wenn sie allein ganze Familien versorgen müssen und sonst nirgends eine Beschäftigung finden. Das wollte die alleinerziehende Mutter Oluwabukola Adebayo auf jeden Fall vermeiden.

Zum Überleben muss schwerste Arbeit verrichtet werden

Mit den Fingern zählt sie auf, dass sie sich neben ihren Söhnen um die Eltern und ihre jüngeren Geschwister kümmern muss. Elf Personen müsse sie versorgen und habe aus der Not heraus das Keke-Fahren entdeckt. Sie steht an der Haltestelle neben ihrem gelben, motorisierten Dreirad und wartet auf Kunden. Auf die Rückbank können sich bis zu drei Erwachsene quetschen. Kinder kommen auf den Schoß. "Das sichert mir mein Überleben", sagt die 36-Jährige.

Das Fahrzeug, anfangs vor allem für Lasten genutzt, gibt es seit den 90er Jahren in Afrikas einwohnerreichstem Staat. In Lagos wurde es während der Zeit von Militärgouverneur Mohammed Buba Marwa eingeführt, weshalb es im Volksmund auch als Keke-Marwa bezeichnet wird.

Keke in Afrika / © shynebellz (shutterstock)

In der Millionenmetropole Kano gewann es in den 2000er Jahren an Bekanntheit, weil Frauen verboten wurde, mit fremden Männern auf einem Moped zu fahren. Die sogenannten Okada - Mopedtaxen - prägten bis dahin den Verkehr, waren landesweit allerdings auch in unzählige Unfälle verwickelt.

Aus sittlichen Gründen wurden Verbote ausgesprochen

In Kano gilt wie in elf weiteren Bundesstaaten des Nordens die Scharia. Das islamische Gesetz wird dort durch die Sonderpolizeieinheit "Hisbah" rigoros umgesetzt. Okada-Fahrten für Frauen wurden dort als "unislamisch" eingestuft. 2019 kündigte die Regionalregierung zudem an, aus sittlichen Gründen ein Verbot gemischtgeschlechtlicher Keke-Fahrten anzustreben. Doch das Gefährt ist mittlerweile aus Nigeria nicht mehr wegzudenken und prägt wie in Oworonshoki in ganzen Stadtteilen das Verkehrsbild.

Dass zunehmend Frauen am Steuer sitzen, ist indes neu. Wie viele es im ganzen Land sind, kann niemand sagen. Oluwabukola Adebayo wird ihr Start-Datum nicht vergessen: "Am 11. März 2019 bin ich zum ersten Mal gefahren." Eine gescheiterte Ehe und fehlende berufliche Alternativen hatten sie auf die Idee gebracht. Sie bettelte einen Fahrer an, den sie gut kannte. Nach gerade zwei Tagen machte sie die Prüfung des Keke-Verbandes. Danach sei ihr klar gewesen: "So kann ich mein eigenes Geld verdienen."

Unangenehme Erfahrungen sind alltäglich

Einfach sei der Job aber nicht, so die Fahrerin. Er koste viel Kraft und mache Stress. Auch unangenehme Erlebnisse bestimmten den Alltag. Polizisten forderten Geld wegen angeblicher Verkehrsverstöße. Männer weigerten sich bisweilen, die Fahrt zu bezahlen.

Für die wenigen Fahrerinnen in Oworonshoki ebenfalls schwierig: Jeden Mittag müssen sie umgerechnet rund drei Euro Gebühr an die lokale Vereinigung der Keke-Fahrer zahlen - egal, wie hoch die Einnahmen waren. Hinzu kommt der Druck, genügend Geld für die Rückzahlung der Anschaffungskosten zu verdienen: Der Preis für ein neues Keke liegt bei rund 3.000 Euro.

Fahrgast Adeshola Abiofun freut sich allerdings, wenn er bei einer Frau einsteigen kann. Die Fahrerinnen seien freundlich und beherrschten ihr Metier: "Sie fahren sicherer. Das ist ein Gewinn für das ganze Viertel." Deshalb will auch Oluwabukola Adebayo weiterfahren. Ihre Motivation fasst sie so zusammen: "Ich muss mich ans Steuer setzen - weil das sonst niemand für mich macht."

Internationaler Frauentag

Der Internationale Frauentag wird jedes Jahr am 8. März begangen. An diesem Tag setzen Frauen weltweit mit Demonstrationen und anderen Aktionen ein Zeichen für die gesellschaftliche Gleichstellung von Männern und Frauen. Dabei geht es um Chancengleichheit im Erwerbsleben, gleichen Lohn für gleiche Arbeit, den Kampf gegen Gewalt, Frauenhandel oder Genitalverstümmelung. 1977 erkannte die UN-Generalversammlung den 8. März offiziell als Internationalen Frauentag an.

Am 8. März ist Internationaler Frauentag / © Jens Wolf (dpa)
Am 8. März ist Internationaler Frauentag / © Jens Wolf ( dpa )
Quelle:
KNA