Pfarreienreform im Bistum Mainz startet

"Natürlich werden auch Frauen Gemeinden leiten"

"Wir nehmen Abschied von dem Einzelkämpfer-Pfarrer, der alles regelt", sagt Bischof Peter Kohlgraf. Gemeindeleitung sei künftig nicht nur Priester-Sache. Der Pfarrer werde Leitungsfunktionen abgeben - auch an Frauen.

Mainzer Dom / © Julia Steinbrecht (KNA)
Mainzer Dom / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Die Weichen für die Seelsorge im Bistum Mainz werden am Donnerstag neu gestellt: Dann beginnt offiziell eine grundlegende Pfarreienreform, in deren Verlauf 46 neue Pastoralräume im Bistum errichtet werden. Bis zum Jahr 2030 sollen daraus dann insgesamt 46 neue große Pfarreien hervorgehen. Bisher existieren 134 "Pfarrgruppen" und "Pfarreiverbünde" im Bistum Mainz, in denen die rund 300 einzelnen Gemeinden zusammengeschlossen sind.

Predigtbefugnis als Knackpunkt

Peter Kohlgraf, Bischof von Mainz / © Bert Bostelmann (KNA)
Peter Kohlgraf, Bischof von Mainz / © Bert Bostelmann ( KNA )

Die Gründung der 46 Pastoralräume dient als Vorstufe zur Gründung von größeren Pfarreien. Es gehe darum, jeweils "ein Netz herzustellen" zwischen den bisher teilweise selbstständigen Ortsgemeinden, aber auch anderen Kirchorten wie Kitas, Caritas, Schulen, Krankenhäusern oder Notfallseelsorge, sagte der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf am Mittwoch vor Journalisten. Die erste Neugründung einer solchen Großpfarrei ist für das Jahr 2024 vorgesehen.

Nach Kohlgrafs Vorstellungen sollen Frauen stärker als bisher in die Leitung von Gemeinden einbezogen werden. "Wir nehmen Abschied von dem Einzelkämpfer-Pfarrer, der alles regelt", sagte Kohlgraf. In den geplanten Pastoralräumen im Bistum werde es jeweils ein hauptamtliches Leitungsteam geben - "also eine größere Gruppe". Die Leitung habe zwar ein Priester. "Aber innerhalb eines Teams wird Leitung selbstverständlich auch wahrgenommen von nicht geweihten Männern und Frauen", sagte Kohlgraf und fügte hinzu: "Natürlich werden auch Frauen Gemeinden leiten - das wird sich nach und nach ergeben."

Bischof Peter Kohlgraf

 "Nicht jede Gemeinde muss alles leisten, sondern in diesem Netzwerk von Gemeinden und Kirchorten können Schwerpunkte gesetzt werden, die es erlauben, auch die Charismen, die Gaben der Menschen vor Ort, besser zum Tragen zu bringen"

Auf die Frage, welche Leitungsfunktionen konkret von den Pfarrern an Frauen abgegeben werden könnten, sagte Kohlgraf der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA): "Eigentlich fast alle." Das zeige etwa ein Blick nach Südamerika. Nicht möglich sei Frauen bislang außer der Feier der katholischen Messe etwa die Predigt in der Eucharistiefeier. Die Predigtbefugnis sei aber ein Punkt, mit dem sich derzeit auch der Reformdialog Synodaler Weg befasse.

Die bisherigen kleinteiligen Pfarreistrukturen spiegelten die Lebensrealität der Menschen 2022 nicht wider, so Kohlgraf, der als Professor für Pastoraltheologie bei dieser Reform in seinem Element ist. Er hatte kürzlich bereits gesagt: "Die Zeit der Volkskirche, in der viele auch emotional groß geworden sind, geht dem Ende entgegen oder ist bereits an ein Ende gekommen." Es sei nicht hilfreich, "einer scheinbar guten goldenen Welt nachzutrauern", vielmehr müsse man unter heutigen Bedingungen das Evangelium verkünden.

Bischof Kohlgraf: Zeit der Volkskirche geht dem Ende entgegen

Die bevorstehende tiefgreifende Pfarreienreform im Bistum Mainz ist nach Einschätzung von Bischof Peter Kohlgraf mit einem Abschied von der Volkskirche verbunden. "Die Zeit der Volkskirche, in der viele auch emotional groß geworden sind, geht dem Ende entgegen oder ist bereits an ein Ende gekommen", sagte Kohlgraf in einer veröffentlichten Mitteilung des Bistums. Es sei nicht hilfreich, "einer scheinbar guten goldenen Welt nachzutrauern". Vielmehr gelte es, im "Hier und Heute" das Evangelium zu den Menschen zu bringen.

Mainzer Dom / © Julia Steinbrecht (KNA)
Mainzer Dom / © Julia Steinbrecht ( KNA )

"Eine Logik von unten nach oben"

Die Logik des im Bistum Mainz eingeschlagenen, sogenannten Pastoralen Weges sei "eine Logik von 'unten nach oben'", sagte Kohlgraf. Das Leben in den Gemeinden vor Ort solle durch das Netzwerk von Gemeinden und anderen Kirchorten gefördert werden. Dabei könnten durchaus Schwerpunkte gesetzt werden. "Nicht jede Gemeinde muss alles leisten, sondern in diesem Netzwerk von Gemeinden und Kirchorten können Schwerpunkte gesetzt werden, die es erlauben, auch die Charismen, die Gaben der Menschen vor Ort, besser zum Tragen zu bringen", so der Bischof.

Ohne Reibungen werde das nicht ablaufen. Der Leiter der Koordinationsstelle für den Pastoralen Weg im Bistum, Wolfgang Fritzen, formulierte es so: Manche Pastoralräume würden rasch zu größeren Pfarreien zusammenwachsen, "andere werden noch einen langen Weg brauchen - auch mit vielen Konflikten". Diese könnten sich zum Beispiel daran entzünden, ob Kirchengebäude zusammen genutzt werden oder welche Pfarrheime aufgrund der drastischen Einsparvorgaben des Bistums aufgegeben werden müssten.

Am Donnerstag fällt nun der "Startschuss" für die Gründung der 46 Pastoralräume mit einem Empfang des Bistums im Bildungszentrum Erbacher Hof in Mainz. Dazu sind rund 200 Vertreterinnen und Vertreter aus dem gesamten Bistum eingeladen, zudem die 46 bereits ernannten Leiter der Pastoralräume. Der Leiter des Pastoralraums ist laut Bistum jedoch nicht Pfarrer für alle Pfarreien, die in einem Pastoralraum zusammengeschlossen sind. Zu seinen Aufgaben zähle verstärkt auch, Verantwortlichkeiten abzugeben und "sein Team zusammenhalten".

Quelle:
KNA
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