Das Virus bestimmt erneut die Kar- und Osterliturgie im Vatikan

Papst-Zeremonien im Corona-Format

Das Virus hat die päpstlichen Zeremonien reformiert: Kaum Publikum, kein Kontakt und mehr virtuelle Darbietungsformen. Trotz mancher Innovation hat der Vatikan noch nicht zu einer befriedigenden Form gefunden.

Autor/in:
Burkhard Jürgens
Lichtstrahl im Petersdom / © Alessandro Colle (shutterstock)
Lichtstrahl im Petersdom / © Alessandro Colle ( shutterstock )

Während die Welt ihr zweites Corona-Jahr beginnt, schließt sich für den Vatikan ein Bogen von zwölf Monaten, in denen er liturgisch und medial neue Gewässer durchkreuzte. Die auf Gesten, Sinnlichkeit und stattliche Teilnehmerzahlen ausgelegten päpstlichen Zeremonien haben sich unter Abstandsgeboten verändert. Der Pontifex ist inzwischen häufiger auf dem Bildschirm als am Altar beim Petrusgrab zu sehen. Der Vatikan mit seiner jahrhundertealten Erfahrung in Riten hat ungeplant Veränderungen vollziehen müssen, die einer kleinen Liturgiereform gleichen - und noch nicht abgeschlossen sind. 

Einen Einschnitt markierte der 27. März 2020: Von den Stufen der Vatikan-Basilika herab, vor einem menschenverlassenen Petersplatz spendete Franziskus mit dem Allerheiligsten in Händen den Segen "Urbi et orbi", rief den Himmel um Beistand gegen das Virus an und sagte den Sterbenden Trost und Vergebung zu. Mit ihm im Regen stand das Kruzifix von San Marcello, das an das Ende der Pest 1522 erinnert. Einsamer und eindringlicher handelte der Papst nie.

Schiff Petri fährt auf Sicht

Eine solche Ausnahmeliturgie lässt sich nicht wiederholen. Inzwischen schliff es sich ein, dass päpstliche Gottesdienste in einem coronakonformen Rahmen mit wenigen Dutzend Gläubigen stattfinden. Dabei gibt es bis heute Kritik an einem vermeintlich zu schnellen Einknicken vor dem Virus und staatlichen Auflagen. So sagt ein Kurienkardinal, man dürfe die Feier der Sakramente, bei der es schließlich auch um das ewige Heil gehe, nicht voreilig dem Infektionsschutz opfern.

Auch die Liturgieverantwortlichen im Vatikan wollen den Verzicht auf Anwesende und auf Zeichenhandlungen wie Salbungen bislang offenbar noch nicht als neue Normalität akzeptieren. Wie sehr das Schiff Petri auf Sicht fährt, zeigt der Umstand, dass die Osterfeierlichkeiten des Papstes erst fünf Tage vor der Karwoche angekündigt wurden - und nicht einmal vollständig.

Umgangsformen der Situation angepasst

Das Programm sieht unter anderem eine Vorverlegung der Osternachtsfeier auf den frühen Abend vor, damit die wenigen zugelassenen Teilnehmer vor Beginn der Ausgangssperre um 22.00 Uhr wieder zu Hause sind. Früher so stimmungsvolle Zeremonien wie die Palmsonntagsprozession oder der Kreuzweg im Schein tausender Kerzen am Kolosseum werden aufs Zeichenhafteste reduziert. Die Osterbotschaft wird der Papst in einem weithin leeren Dom verkünden, ebenso aus Distanz den Segen "Urbi et orbi" erteilen.

Manche Umgangsformen haben sich im vergangenen Jahr der Situation angepasst. Sofern es überhaupt noch Publikumsveranstaltungen gibt, wird inzwischen sensibler auf Kontaktvermeidung geachtet. In einigen Fällen wich Franziskus der Begegnung mit Gläubigen aus, indem er Termine einfach nicht ankündigen ließ - etwa das traditionelle Gebet an der römischen Mariensäule am 8. Dezember. Virtuelle Formate haben sich etabliert. Bei kritischen Inzidenzwerten finden die wöchentlichen Katechesen und das Mittagsgebet im Kreis einiger weniger Prälaten und vor einer Kamera in der Bibliothek des Apostolischen Palastes statt.

Zahlende Besucher im Vatikan fehlen

Im gleichen Zug ist die Zahl päpstlicher Videobotschaften gestiegen. Häufiger als früher meldet sich Franziskus bei Konferenzen zu Wort, beispielsweise beim UN-Klima-Anpassungsgipfel, einer Online-Tagung internationaler Juristen für Menschenrechte oder einer Bildungskonferenz der Lateran-Universität. Insofern hat die Internetpräsenz des Kirchenoberhaupts zugenommen. Aber die Möglichkeiten des Digitalen sind zweischneidig.

Dem Livestream der Generalaudienz folgen teils nur wenige Dutzend Zuschauer; bei einem realen Treffen in früheren Jahren kamen an einem sonnigen Mittwoch 70.000 und mehr auf den Petersplatz - das Tausendfache. Mit echten Pilgern fehlen dem Vatikan auch zahlende Besucher der Peterskuppel und der Vatikanischen Museen. Zu den großen Festen Weihnachten und Ostern war dem Heiligen Stuhl stets die Aufmerksamkeit internationaler Sendeanstalten sicher. Ob ihnen ein "Urbi et orbi" ohne fromm jubelnde Menschenmassen und überbordenden Blumenschmuck auf Dauer einen Programmplatz wert ist, steht dahin.

Bildbotschaft einer leeren Kirche

Ein treibender Faktor, um an vatikanischen Zeremonien und ihrer medialen Repräsentation weiterzuarbeiten, bleibt der Papst selbst. Franziskus drängt nach Begegnung, wie auch seine Irak-Reise dem Wunsch entsprang, nahe bei den Menschen zu sein. Auffälligerweise lässt das Programm für Ostern offen, wo und wie Franziskus die Abendmahlsfeier am Gründonnerstag hält. In der Vergangenheit verlegte er diesen Termin gern in Sozial- oder Strafvollzugseinrichtungen.

Gottesdienste mit einer Handvoll Personen im riesenhaften Petersdom sind für ihn offenbar ein schwieriger Kompromiss: Die Botschaft vom leeren Grab gibt es nicht ohne die beunruhigende Bildbotschaft einer leeren Kirche.


Papst Franziskus sitzt während der Ostermesse in einem fast leeren Petersdom / © Andreas Solaro (dpa)
Papst Franziskus sitzt während der Ostermesse in einem fast leeren Petersdom / © Andreas Solaro ( dpa )

Papst Franziskus (l) leitet die Ostermesse im fast leeren Petersdom / © Andreas Solaro (dpa)
Papst Franziskus (l) leitet die Ostermesse im fast leeren Petersdom / © Andreas Solaro ( dpa )
Quelle:
KNA
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