Papst Benedikt XVI. beginnt seinen Pastoralbesuch in Kroatien

Ein Land an der Schwelle zur EU

Zu Beginn seines zweitägigen Kroatien-Besuchs beschwört der Papst das gemeinsame Erbe Europas. Ein EU-Beitritt sei deshalb "logisch, richtig und notwendig". Zugleich würdigt Benedikt XVI. die Verbundenheit der Kroaten mit dem Heiligen Stuhl – und mahnt dessen Werte an.

Autor/in:
Thomas Jansen
 (DR)

Als der Papst am Samstagvormittag auf dem Flughafen von Zagreb landete, verhielt es sich mit dem Wetter etwa so wie mit den Chancen Kroatiens auf einen baldigen EU-Beitritt: Es war besser als zuletzt vorhergesagt. Statt des angekündigten Regens zeigte sich die Sonne zwischen den Wolken, als Staatspräsident Ivo Josipovic und Kroatiens Bischöfe den Papst auf dem Rollfeld empfingen. Aufgehellt hatte sich drei Wochen zuvor auch der Horizont für einen EU-Beitritt des Landes: Während es im März aus Brüssel noch hieß, die Regierung in Zagreb müsse ihre Anstrengungen für einen EU-Beitritt verdoppeln, gab es im Mai Signale, dass die Verhandlungen nun kurz vor dem Abschluss stünden.



Die Begrüßungsansprache Benedikts XVI. dürfte Balsam für die Seele der Kroaten gewesen sein, die seit der Aufnahme der Beitrittsverhandlungen 2006 große Anstrengungen unternommen haben, die politischen, rechtlichen und wirtschaftlichen Vorgaben der EU-Kommission zu erfüllen. Die Botschaft des Papstes in Zagreb lautete: Kroatien ist mehr als nur der Nachhilfeschüler der Brüsseler Kommission, und Europa ist mehr als nur eine politische und wirtschaftliche Interessengemeinschaft; es ist eine kulturelle und religiöse Größe. In diesem Sinne zähle Kroatien seit jeher zu Europa, hob der Papst hervor - auch ohne EU-Mitgliedschaft.



Vorbild für die EU

Und so könne nach seinen Worten nicht nur die EU Vorbild für Kroatien sein, sondern umgekehrt könne das kleine Land mit seiner reichen kulturellen und religiösen Tradition auch Vorbild für die EU sein. Die Geschichte Kroatiens, die frühere ebenso wie die jüngste, könne "ein Grund zur Reflexion für alle anderen Völker des Kontinents sein" und helfen, "das unschätzbare gemeinsame Erbe an menschlichen Werten zu bewahren und neu zu beleben".



Zuvor hatte der Papst auf dem Flug nach Zagreb zugleich Verständnis für jene Kroaten geäußert, die skeptisch gegenüber einem EU-Beitritt sind - und dabei ungewöhnlich offen unerfreuliche Begleiterscheinungen des Staatenverbundes angesprochen. In einem kleinen Land wie Kroatien könne durchaus die Sorge entstehen, dass ein Zentralismus, Bürokratismus und eine "rationalistische Kultur" den besonderen Gegebenheiten des Landes nicht hinreichend Rechnung trügen.



Traditionsverbundenheit und kulturelle Vielfalt

Die Trachtengruppe, die Benedikt XVI. auf dem Flughafen begrüßte, vermittelte einen ersten Eindruck von der Traditionsverbundenheit und kulturellen Vielfalt des Landes. Die Männer mit schwarzem Krempenhut, Weste und Stiefeln und die Frauen in rot gestreiften Leinenkleidern bildeten nicht wie sonst üblich eine farbenfrohe Minderheit im Gros der Wartenden, sondern stellten mehr als die Hälfte aller Gäste der Empfangszeremonie.



Präsident Josipovic erinnerte in seiner Begrüßungsansprache an die besondere politische Geschichte, die den Vatikan mit Kroatien verbindet. Der Heilige Stuhl habe eine "historische Schlüsselrolle" für die völkerrechtliche Anerkennung des Landes nach dessen Unabhängigkeitserklärung gespielt, so Josipovic. Er habe durch seine Autorität ein Ende der "Aggression" bewirkt, sagte er - ohne den Namen Serbien in den Mund zu nehmen. Papst Johannes Paul II. zählte zu den entschiedensten Befürwortern der Unabhängigkeit Kroatiens, und der Heilige Stuhl war eine der ersten diplomatischen Instanzen, die den jungen Staat am 13. Januar 1992 nach dessen Unabhängigkeitserklärung vom 25. Juni 1991 anerkannten - zum großen Missfallen der Serben.



Als Vorausschau auf den Höhepunkt und offiziellen Anlass seiner 19. Auslandsreise - eine Messe zum Abschluss des Familientages der kroatischen Katholiken am Sonntag in Zagreb - galt die Sorge, die der Papst angesichts eines fortschreitenden Individualismus in der Gesellschaft äußerte: die Erosion der Institution Familie durch eine Sichtweise, die ein Leben ohne Verpflichtungen propagiere. Dieser Entwicklung müsse man mit einem "überzeugten Zeugnis" sowie einer "unternehmungsfreudigen Dynamik zur Förderung moralischer Grundwerte" entgegentreten.


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