Wieder bereist ein Papst Kroatien in einem Schlüsselmoment

Wegbegleiter in die EU

Rechtzeitig vor dem Besuch aus Rom kam die mit Spannung erwartete Kunde aus Brüssel: Die 2006 begonnenen EU-Beitrittsverhandlungen mit Kroatien stehen offenbar kurz vor dem Abschluss. Wenn Benedikt XVI. heute erstmals nach Kroatien reist, setzt er so die Tradition seines Vorgängers fort.

Autor/in:
Thomas Jansen
 (DR)

Johannes Paul II. (1978-2005) unternahm seine drei Reisen in das Land ebenfalls jeweils in historischen Schlüsselmomenten: 1994 während des Kroatien-Krieges; 1998, als die Vereinten Nationen Kroatien die vormals serbisch kontrollierten Gebiete Ostslawonien, Vukovar und Baranja übergaben, und 2003, kurz vor der ersten EU-Osterweiterung.



Nach Polen und Tschechien ist Kroatien das dritte osteuropäische Land, das Benedikt XVI. besucht. Kroatien ist nach Polen - und gemeinsam mit Slowenien - das wohl am stärksten katholisch geprägte Land in der Region. Von den rund 4,5 Millionen Kroaten sind rund 90 Prozent Katholiken. Hinzu kommen 4,5 Prozent orthodoxe Serben sowie 1,5 Prozent muslimische Bosnier und Kosovaren.



Der EU-Beitritt als zentrales Thema

In den Gesprächen des Papstes mit der kroatischen Ministerpräsidentin Jadranka Kosor und dem Präsidenten Ivo Josipovic dürfte am Samstag (04.06.2011) der EU-Beitritt ein zentrales Thema sein. Anschließend hält der Papst im Nationaltheater von Zagreb eine Rede vor Politikern, Wirtschaftsvertretern sowie Repräsentanten der Religionsgemeinschaften und der christlichen Kirchen. Offizieller Anlass der Reise ist der erste nationale Familientag der kroatischen Katholiken in Zagreb. Zu der Papstmesse im Hippodrom am Sonntagvormittag werden 300.000 Besucher erwartet.



Im April hatte Benedikt XVI. beim Antrittbesuch des neuen kroatischen Vatikan-Botschafters eigens darauf hingewiesen, dass ein EU-Beitritt keinewegs zu einer Einebnung der nationalen religiösen und kulturellen Traditionen Kroatiens führen dürfe. Als Beispiel nannte er ausdrücklich die hohe Wertschätzung der Familie als Institution.



Mit Vertretern der kroatischen Kirche trifft der Papst am Sonntagnachmittag in der Stephanus-Kathedrale von Zagreb zusammen. Und zum Abschluss wird Benedikt XVI. das Grab des seligen Kardinal Alojzije Viktor Stepinac (1898-1960) in der Kathedrale aufsuchen. Dessen Lebensweg steht für die Unterdrückung der Kirche unter der kommunistischen Herrschaft. Johannes Paul II. hatte den Erzbischof von Zagreb, der 1946 von den Kommunisten in einem Schauprozess wegen vermeintlicher Kollaboration mit dem faschistischen Ustascha-Regime während des Zweiten Weltkriegs zu 16 Jahren Haft verurteilt wurde und 1960 in Hausarrest starb, 1998 seliggesprochen.



Besondere politische Geschichte

Kroatien und den Heiligen Stuhl verbindet eine besondere politische Geschichte. Johannes Paul II. war während des jugoslawischen Bürgerkrieges Anfang der 90er Jahre einer der entschiedensten Befürworter eines unabhängigen kroatischen Staates. Der Heilige Stuhl erkannte Kroatien am 13. Januar 1992 an - noch zwei Tage vor der Europäischen Gemeinschaft. Und auch später erfreute sich Kroatien der besonderen Aufmerksamkeit Johannes Pauls II., der sich mit Nachdruck für die Aufnahme in die EU einsetzte.



An dem nun in Aussicht gestellten EU-Beitritt waren noch zu Jahresbeginn Zweifel aufgekommen. In einem im März vorgelegten Zwischenbericht bescheinigte die EU-Kommission dem Land zwar einen "beträchtlichen Fortschritt", ermahnte die Regierung jedoch, "die Bemühungen zu verdoppeln". Die EU-Kommission attestierte Kroatien weiterhin erhebliche Defizite, etwa in den Bereichen Minderheitenschutz, Korruptionsbekämpfung und Verfolgung von Kriegsverbrechern.



Dass der Umgang mit Kriegsverbrechern in Kroatien indessen weiter ein Reizthema ist, zeigten die Reaktionen auf die Verurteilung von Ex-General Ante Gotovina durch das UN-Kriegsverbrechertribunal im April. Im gesamten Land - auch unter den Bischöfen - stieß die Entscheidung auf einhellige Ablehnung. Zu diesem heiklen Thema werde sich Benedikt XVI. bei seiner Reise nicht unmittelbar äußern, hieß es im Vatikan.



Nicht nur Brüssel, auch der Papst hatte Kroatien zuletzt gelobt. Benedikt XVI. würdigte im April ausdrücklich das Eintreten der Regierung für ein friedliches Zusammenleben der Völker. Worte, die er am Wochenende in Zagreb vertiefen kann.