Lateinamerikas Kirche zwischen allen Fronten

Pandemie mit Fortschritten und Rückschritten

Die Kirche in Lateinamerika steht in der Corona-Pandemie vor riesigen Herausforderungen, intern wie extern. Zum Beispiel: Prangert sie politische Missstände an, wird sie selbst Zielscheibe politischer Attacken.

Autor/in:
Tobias Käufer
Mann in Brasilien im Gebet / © Leo Correa (dpa)
Mann in Brasilien im Gebet / © Leo Correa ( dpa )

In Argentiniens Kirche ist ein Streit über den richtigen Umgang mit der Corona-Krise entflammt. Auslöser ist laut Medien des Landes die Weigerung einiger Priester in der Diözese San Rafael, auf die Mundkommunion zu verzichten.

Daraufhin verhängte Bischof Eduardo Maria Taussig Sanktionen gegen die betroffenen Geistlichen und schloss vorübergehend das als erzkonservativ geltende Priesterseminar. Der Vorfall aus Mendoza ist nur eine Randgeschichte aus einem Sammelsurium an Schwierigkeiten, denen die katholische Kirche in Lateinamerika inmitten der Pandemie ausgesetzt ist.

Kirche als Zielscheibe

Zurzeit wird die Kirche immer mehr zur Zielscheibe, wenn sie wie in Venezuela oder Nicaragua ihre Stimme gegen zunehmend autokratische Regierungen erhebt oder das politische Versagen von Populisten wie in Brasilien kritisiert. So sieht der Generalobere des Jesuitenordens, der Venezolaner Arturo Sosa, durch die Corona-Krise Demokratien in Gefahr. Autoritäres Gebaren sei "die große Versuchung" in vielen Staaten, "auch für sogenannte demokratische Regierungen". In der Pandemie könne man "Fortschritte oder Rückschritte" machen.

Für die katholische Kirche und für um Gerechtigkeit und Frieden bemühte Menschen müsse es darum gehen, eine "aufnahmebereitere, demokratischere Gesellschaft aufzubauen", so Sosa. Viele Staaten hätten die Pandemie aber genutzt, um eine restriktivere Migrationspolitik einzuführen. Das sei "ein riesengroßer Fehler", wenn man die Welt brüderlicher und gerechter machen wolle, so der Ordensmann. Migranten zu diskriminieren, wäre ein "Zeichen für eine Welt, die wir nicht wünschen". Venezuelas sozialistischer Präsident Nicolas Maduro hatte zuvor heimkehrende Migranten als "Bio-Terroristen" bezeichnet und ihnen vorgeworfen, für die Ausbreitung der Covid-19-Infektion verantwortlich zu sein.

Zündstoff in Brasilien

In Brasilien sorgt ein Brandbrief Dutzender Bischöfe gegen die Corona-Politik des rechtspopulistischen Präsidenten Jair Messias Bolsonaro für politischen Zündstoff. Sie werfen ihm Unfähigkeit angesichts der aktuellen Krise vor. Die Regierung sei untätig und lasse zu, dass Holzfäller, Goldsucher und Landwirte der Natur und neoliberale Wirtschaftsführer den Ärmsten schwere Wunden zufügten.

Schon ist in der örtlichen Presse von einer Spaltung innerhalb der Kirche die Rede, hatte es doch jüngst den Versuch konservativer Kirchenvertreter gegeben, Bolsonaro in den eigenen Mediennetzwerken eine Plattform zu bieten.

In Nicaragua übt die katholische Kirche schon seit Jahren Kritik am Präsidentenpaar Daniel Ortega und Rosario Murillo. In der Corona-Pandemie zweifelte sie die offiziell niedrigen Zahlen an Infizierten an, kritisierte die Verharmlosung des Virus durch Ortega und rief zu einer freiwilligen Quarantäne auf. Die Folge sind offenbar gezielte Anschläge.

Zuletzt sorgte ein Feuer in der Kathedrale von Managua für Aufsehen.

Während die Polizei von einem Unglücksfall spricht, nennt es Managuas aus Sicherheitsgründen ins Ausland abgezogener Weihbischof Silvio Baez Terror. Nach Berichten regierungskritischer Medien hatte ein Unbekannter einen Molotow-Cocktail in die Sakramentskapelle der Kathedrale geworfen und ein von vielen Menschen verehrtes, fast 400 Jahre altes Holz-Kruzifix fast vollständig zerstört. Kein Einzelfall.

Denn nahezu täglich gibt es inzwischen Attacken. Mal ist es ein Steinwurf auf einen Altar, mal kommen Randalierer in den Gottesdienst.

Finanzielle Einbußen

Die pandemiebedingten aktuellen Kirchenschließungen bedeuten für die katholische Kirche in Lateinamerika finanzielle Einbußen. Wegen der Corona-Krise könnte die kolumbianische Kirche ab August in den roten Zahlen stecken, erklärte Bogotas neuer Erzbischof Luis Jose Rueda.

Demnach finanziert sich die Kirche in Kolumbien zu 90 Prozent über Spenden, Entgelte für religiöse Zeremonien und Abgaben. Die pandemiebedingten Kirchenschließungen hätten deshalb anfangs zu einem Einnahmerückgang von 70 Prozent geführt. "Einige Pfarreien befinden sich bereits im Minus", so Rueda. Es gebe aber eine breite innerkirchliche Solidarität. "So lange die Barmherzigkeit Gottes nicht endet, werden wir nicht pleite gehen", meinte der Erzbischof.

Bislang konnte die lateinamerikanische Kirche die Spendenausfälle vor allem durch Hilfe aus Europa und den USA auffangen. In fast allen Ländern gibt es neben der verbalen Unterstützung für das medizinische Personal Lebensmittel und Medikamentenspenden für den verwundbarsten Teil der Bevölkerung. Doch selbst das wird zunehmend schwer. In Venezuela überfielen jüngst Unbekannte einen Sitz des kirchlichen Hilfswerks Caritas. Erzbischof Ulises Gutierrez aus Ciudad Bolivar berichtete, dass es durch den Raubüberfall nun nicht mehr möglich sei, armen Patienten Medikamente oder medizinische Hilfe zukommen zu lassen.


Quelle:
KNA