Nürnberger Kirche feiert Gottesdienst für Mensch und Tier

Vier Pfoten für ein Halleluja

Zweimal im Jahr wird es tierisch in der Nürnberger Kirche St. Klara. Im Gottesdienst für Mensch und Tier ist alles willkommen, was Fell, Krallen oder Federn hat. Dabei wird die Verbindung zwischen Zwei- und Vierbeinern gefeiert.

Autor/in:
Julia Riese
Eine Katze in der Kirche / © Javier Franco (shutterstock)
Eine Katze in der Kirche / © Javier Franco ( shutterstock )

Mischlingshündin Frieda trippelt hin und her, schnuppert, stellt die Ohren auf und beobachtet aufmerksam das Gewusel in der katholischen Kirche St. Klara in der Nürnberger Innenstadt. Die vierjährige Tierhilfehündin kennt sich hier schon aus, schließlich ist sie zum vierten Mal beim Gottesdienst "Vier Pfoten für ein Halleluja" dabei. "Wir kommen sonst auch in den Gottesdienst", erzählt Frauchen Sabine Engberg-Hoppe, "und wenn unser Hund mitdarf, ist es doppelt schön."

Tiergottesdienst in Nürnberg / © Julia Riese (epd)
Tiergottesdienst in Nürnberg / © Julia Riese ( epd )

Ein Wuff hier oder ein kurzes Jaulen dort stört niemanden. So oft kommen die kleinen Unterbrechungen auch gar nicht vor. Sobald die Musik am E-Piano und der gemeinsame Gesang erklingen, kommen die Tiere zur Ruhe. Pater Ansgar Wiedenhaus und sein Team wollen die innige Verbindung zwischen Zwei- und Vierbeinern feiern und segnen, sagt er. "Es kommen Familien mit Kindern, die ihren Hund mitbringen, aber auch ältere Menschen, die sagen: Das ist das Wesen, das Gott mir noch an die Seite gestellt hat."

Hunde, Katzen, Schildkröten und Vögel

Hunde sind die häufigsten Tiere bei den Gottesdiensten, "weil die kriegt man am besten mit". An diesem Tag schaut auch eine grau getigerte Katze scheu aus ihrem Transportkörbchen und wird von der Besitzerin liebevoll gekrault. Hin und wieder werden auch Schildkröten, Vögel oder sogar eine Stabheuschrecke mitgebracht.

Der Gottesdienst dauert eine halbe bis dreiviertel Stunde. Es wird viel gesungen, und die Redebeiträge drehen sich um das Zusammenleben von Mensch und Tier. Die ehrenamtliche Helferin Anja Seidel, Radiomoderatorin in Nürnberg und lange aktiv im Tierheim, liest kurze Geschichten vor, wie das "Gebet eines Hundes" frei nach Reinhard Mey oder einen Ausschnitt aus dem Buch "Was deine Katze wirklich denkt" von Robert Gernhardt. "Ich glaube, dass die Leute hier sensibilisiert werden für Gottes Schöpfung und die Tiere", sagt Seidel. Es hätten auch schon Menschen nach dem Gottesdienst den Entschluss gefasst, vegetarisch zu leben, weil sie Tiere mit ganz neuen Augen sähen.

Der Mensch als "Hirte der Schöpfung"

Haringke Fugmann, zuständig für Weltanschauungsfragen bei der evangelischen Landeskirche in Bayern, ordnet die speziesübergreifende Verbindung theologisch ein. In der Schöpfungsgeschichte werde der Mensch als eine Art "Hirte der Schöpfung" konzeptualisiert. "Mensch und Tier sind aus theologischer Sicht in gewisser Weise einander zugeordnet - aber die Schöpfung 'war gut', und zwar schon vor der Erschaffung des Menschen."

Pater Ansgar Wiedenhaus und sein Team wollen die innige Verbindung zwischen Zwei- und Vierbeinern feiern und segnen / © Julia Riese (epd)
Pater Ansgar Wiedenhaus und sein Team wollen die innige Verbindung zwischen Zwei- und Vierbeinern feiern und segnen / © Julia Riese ( epd )

Auch Pater Wiedenhaus sieht eine Sorgepflicht des Menschen, vor allem für sein Haustier. "Ich binde mich da an ein anderes lebendiges Wesen. Und jede Form von Beziehung, die uns aus Einsamkeit, aus dem rein Rationalen herausholt, tut uns gut."

Kooperation mit lokalem Tierheim

Die offene Kirche St. Klara bietet den Gottesdienst in Zusammenarbeit mit dem Tierheim Feucht zweimal im Jahr an. Auch in anderen Städten finden regelmäßig ähnliche Termine statt, zum Beispiel in der Kreuzeskirche in Duisburg, in St. Aegidien in Lübeck oder an wechselnden Orten in Hamburg. Meist gilt: Es darf mit, was durch die Kirchentür passt. Bei Open-Air Gottesdiensten tauchen auch schon mal Pferde oder Kühe auf.


Eine Handreichung und liturgisches Material für alle Gemeinden, die sich ganz neu an das Thema heranwagen, gibt es vom bundesweiten ökumenischen Verein "Aktion Kirche und Tiere". Die Gründer des Vereins, Christa und Michael Blanke, feierten 1988 den ersten Tiergottesdienst mit Fernsehübertragung im ZDF. So kontrovers wie damals seien Gottesdienste für Mensch und Tier heute nicht mehr, heißt es in einem Aufsatz des Vereinsvorsitzenden Ulrich Seidel. Er gibt den Impuls, nicht nur Haustiere, sondern auch Nutztiere und ihre Haltungsbedingungen zu thematisieren.

In Nürnberg geht der Tiergottesdienst mit einem Segen zu Ende. "Guter Gott, segne diese Tiere, damit wir das Wunder des Lebens auch in ihnen erkennen. Segne diese Tiere, damit wir sie in ehrender Sorge schützen und pflegen", sagt Pater Wiedenhaus. Die Kollekte an diesem Tag geht an das Tierheim.

Tierethik stößt auf immer breiteres Interesse

 

Schon auf der ersten Seite zieht sich beim Lesen der Magen zusammen: Die französische Philosophin Corine Pelluchon listet in ihrem "Manifest für die Tiere" auf, wo Tiere nicht artgerecht behandelt, gequält und getötet werden. Von Tierversuchen über überfüllte Tierheime bis zu Schlachthäusern: "Überall dort herrschen Unglück und Ungerechtigkeit." So wie die Menschheit Tiere behandle, drohe sie ihre eigene Seele zu verlieren, schreibt Pelluchon.

Ein männliches Küken (dpa)
Ein männliches Küken / ( dpa )
Quelle:
epd
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