Theologe fordert gründlichere Überlegung vor Haustierkauf

"Tiere sind kein Spielzeug"

Ein Hund, eine Katze oder gar ein Hase als Oster- oder Geburtstagsgeschenk? Dies sei völlig ungeeignet, findet Sebastian Knapp vom Institut für Theologische Zoologie. Denn häufig landen diese Tiere sehr schnell wieder im Tierheim.

Haustiere / © Chendongshan (shutterstock)

DOMRADIO.DE: Am 11. April ist der Tag des Haustiers. Warum gibt es diesen Tag überhaupt? 

Sebastian Knapp (Dozent beim Institut für theologische Zoologie): Dieser Tag stammt ursprünglich aus den USA und ist dort von der Tierschützerin Colleen Page im Jahr 2005 ins Leben gerufen worden. Die Idee dahinter ist, dass man einerseits auf die Freude hinweist, die man mit Haustieren hat und man auch die Zeit feiert, die man mit diesen Tieren verbringt und diese gemeinsame Zeit nochmal besonders wertschätzt. 

Auf der anderen Seite hat dieser Tag aber auch die Bedeutung, nochmal auf das Leid der Tiere hinzuweisen, die in Tierheimen landen oder in einige Fällen sogar ausgesetzt werden. 

DOMRADIO.DE: Was kann man gegen diese Situation tun? 

Sebastian Knapp

"Man sollte Tiere nehmen, die jetzt schon kein richtiges Zuhause haben und in den Tierheimen gefangen sind."

Knapp: Das ist sehr vielfältig. Die deutschen Tierheime sind aktuell sehr überlastet. Deswegen wäre zum Beispiel ein erster Tipp, wenn sich jemand überlegt ein Haustier anzuschaffen, auf die Tierheime und nicht auf die Züchter, Züchterinnen oder auf Tierläden zuzugehen. Man sollte Tiere nehmen, die jetzt schon kein richtiges Zuhause haben und in den Tierheimen gefangen sind.

Man sollte sich bereits vor der Anschaffung eines Haustiers Gedanken machen, ob man es für den Rest des Lebens behalten kann. Für diese Tiere sind die Menschen, die sie aufnehmen, die ganze Welt. Der Lebensraum dieses Tieres ist identisch mit dem Lebensraum des Menschen. Die haben nicht die Freiheit, drei Tage draußen unterwegs zu sein und dann wiederzukommen. 

DOMRADIO.DE: Warum ist es aus Ihrer Sicht wichtig, erst mal ins Tierheim zu gehen und zu schauen, welche Tiere da sind und ob es dort vielleicht spontan ein "Match" gibt? 

Knapp: Sehr oft verlieben sich die Menschen da spontan in die Tiere. Der Besuch im Tierheim ist schon alleine deshalb notwendig, weil die Lage dort sehr prekär ist. 

Letztes Jahr im Juli haben die Tierheime einen Brandbrief an die Bundesregierung geschrieben, um darauf hinzuweisen, wie drastisch die Situation ist. Zwei Drittel der deutschen Tierheime haben ein Aufnahme-Stopp, weil sie überlastet sind.

Es gibt einen Haufen von Problemen, angefangen mit den steigenden Kosten der Energiepreise. Auch die Folgen der Corona-Pandemie spielen weiterhin eine Rolle, weil sich viele Menschen kurzfristig Tiere angeschafft haben, um die Einsamkeit und die Pandemie zu überbrücken. Hinterher stellen sie aber fest, dass es ihnen doch zu viel Arbeit ist und sie das Tier wieder loswerden wollen.

Das sind Probleme, die auf die Tierheime zugekommen sind. Diese jetzt zu entlasten, ist eine wichtige Sache. 

DOMRADIO.DE: Welche Gedanken sollte man sich noch vor der Anschaffung eines Haustieres machen? 

Sebastian Knapp

"Man denkt, man stellt einen Kratzbaum in die Wohnung und das reicht."

Knapp: Man muss darauf achten, dass es für die Anschaffung eines Haustieres nicht nur damit getan ist, dass man die Wohnung irgendwie dafür hergerichtet hat. Das machen ohnehin schon eher wenige Menschen.

Gerade bei Katzen vergisst man, dass die dreidimensionale Ebene für sie sehr wichtig ist. Man denkt, man stellt einen Kratzbaum in die Wohnung und das reicht. Aber prinzipiell sollte der komplette dreidimensionale Raum genutzt werden. 

Man muss schauen, wie man den Lebensraum für diese Tiere passend herrichten kann. Natürlich sollte man sich auch die Fragen stellen, wer sich um das Tier kümmert, wenn man im Urlaub ist, wie hoch eigentlich die Kosten für den Tierarzt sind und wie diese im Alter des Tieres steigen könnten. 

Bei Katzen zum Beispiel treten Nierenkrankheiten sehr häufig im Alter auf. Dafür muss vorgesorgt sein, das muss eingeplant sein. Dem steht entgegen, dass Haustiere oft eine Art Spontankauf sind. Aber das wird dem Tier natürlich nicht gerecht. 

DOMRADIO.DE: Tiere brauchen mehr als nur Futter und ein paar Streicheleinheiten. Inwiefern sehen Sie hier auch die Kirche in der Verantwortung? 

Sebastian Knapp

"Tiere sind ein konkretes Gegenüber, das auch in der Schöpfung geliebt ist."

Knapp: Die Kirche und die katholische Theologie müssen immer wieder den Hinweis setzen, dass es sich bei Tieren nicht nur um niedliche, kleine Dinge handelt, die man sich wie ein Spielzeug zulegt und wieder wegwirft, wenn es langweilig ist.

Es handelt sich dabei um konkrete Subjekte. Tiere sind ein konkretes Gegenüber, das auch in der Schöpfung geliebt ist. Man hat die Verantwortung, pfleg- und sorgsam mit den Tieren umzugehen. 

Man sollte sich selbst gut einschätzen, ob man für diese Verantwortung aufkommen kann, bevor man sich ein Tier zulegt. Die Rolle der Kirche besteht darin, auf diese Verantwortung hinzuweisen und das deutlich zu machen. 

DOMRADIO.DE: Sie haben die Corona-Pandemie angesprochen. Man hat das Gefühl, dass in der Zeit nicht nur viele Hunde in Haushalte eingezogen sind, sondern auch viele Hühner in die normalen Gärten irgendwelcher Siedlungen. Halten Sie diesen Trend zu Haustier-Hühnern für gut? 

Knapp: In einer optimalen Welt wären diese Tiere frei. Ich weiß nicht, ob ich es sonderlich passend finde, Hühner als Freizeitbeschäftigung zu holen. Klar hat das einen schönen Faktor für die Kinder und ist unterhaltsam. Aber in Kleingärten wird man der Verantwortung diesen Tieren gegenüber selten gerecht, gerade was den Platzanspruch und die freie Bewegung angeht. 

Deswegen sollte man sich das sehr gut vorher überlegen. Im Zweifelsfall würde ich eher "Nein" sagen. Das ist keine gute Idee. 

DOMRADIO.DE: Welche anderen Tiere gehören aus Ihrer Sicht eher in die Natur und nicht in einen Käfig? 

Knapp: Ich finde Exoten in Privat-Haltung immer ein bisschen seltsam. Ich frage mich, warum man das macht. Denn bei Hunden und Katzen hat man wenigstens noch den Wert, dass diese Tiere auch auf den Menschen in einer gewissen Weise gepolt sind und davon einen Vorteil haben. 

Wohingegen ich bei Tieren in Terrarien oft den Eindruck habe, dass man das am Ende nur für sich selbst macht. Das Tier hat davon nicht wirklich etwas. Vielmehr geht es darum, dass man selbst etwas Schönes in der Wohnung haben will.

Da würde ich eher warnen und raten noch mal drüber nachdenken, ob das wirklich notwendig ist. 

Das Interview führte Dagmar Peters. 

Institut für Theologische Zoologie

Der katholische Theologe und Biologe Rainer Hagencord gründete 2009 das "Institut für Theologische Zoologie". Ziel des Instituts ist eine ethische und theologische Auseinandersetzung mit Fragen der Tierforschung. Zudem geht es um eine Neubestimmung des Verhältnisses von Mensch und Tier mit Hilfe der Theologie, der Verhaltensbiologie und der Evolutionstheorie. Hagencord setzt sich für eine ökologische Landwirtschaft und gegen eine Behandlung von Tieren als "Rohlinge der Fleischindustrie" ein.

Symbolbild: Tiere / © worldlandscape (shutterstock)
Quelle:
DR