Neue Diskussion um Staatsleistungen an Kirchen

"Kein Darlehen"

Um die staatlichen Leistungen für die beiden Kirchen in Form der sogenannten Dotationen gab es bereits im vergangenen Jahr Diskussionen. Jetzt hat die Humanistische Union nachgelegt. Sie fordert einen Stopp der Zuwendungen, die die Haushalte der Länder insgesamt mit derzeit rund 460 Millionen Euro im Jahr belasten.

 (DR)

Im Gespräch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) erläutert Ansgar Hense vom Bonner Institut für Staatskirchenrecht der Diözesen Deutschlands, was er von diesen Forderungen hält.



KNA: Herr Professor Hense, was genau sind eigentlich Dotationen?

Hense: Dotationen oder Staatsleistungen, wie das Grundgesetz sie nennt, sind vermögensrechtliche Ansprüche insbesondere - aber nicht nur - der Kirchen gegenüber dem Staat, deren Rechtsgrund in der Vergangenheit begründet worden ist. Von den Staatsleistungen zu unterscheiden sind andere staatliche Fördermaßnahmen.



KNA: Worauf fußen die Ansprüche aus den Dotationen?

Hense: Ein Großteil basiert auf Zahlungsverpflichtungen aus der napoleonischen Epoche. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts dehnte der französische Kaiser die Ostgrenze seines Reichs bis an den Rhein aus. Anschließend wurden zahlreiche deutsche Reichsfürsten für ihre Gebietsverluste durch inzwischen säkularisierte Kirchengüter jenseits des Rheins entschädigt. Im Gegenzug verpflichteten sich die Fürsten dann zu Dotationen. Später sind diese Bestimmungen dann nochmals auf andere Rechtsgrundlagen gestellt worden.



KNA: Laut Berechnungen der Humanistischen Union haben die Länder in Folge dieser Vereinbarungen seit 1945 insgesamt rund 14 Milliarden Euro an die Kirchen gezahlt. Für wie seriös halten sie diese Berechnung?

Hense: Die Frage lässt sich nicht einfach beantworten. Bei den in den Landeshaushaltsplänen ausgewiesenen Haushaltsansätzen ist zu beachten, dass diese Leistungen an sämtliche Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften ausweisen und dann sehr genau hinzuschauen ist, wer die Empfänger von Leistungen im einzelnen sind. Die Höhe der Leistungszahlungen soll die Tatsache zum Skandal machen. Für eine einigermaßen seriöse Betrachtung wären die Staatsleistungen und die anderen Religionsförderungen aber auch mit anderen staatlichen Fördermaßnahmen zu vergleichen und in Beziehung zu setzen.



KNA: Die Humanistische Union hält ein Fortführen dieser Zahlungen an die Kirchen für "verfassungswidrig" - ist das Schaumschlägerei oder ein ernstzunehmender Vorwurf?

Hense: Eine Weiterzahlung ist nicht per se verfassungswidrig und sie lässt auch nicht einfach durch einen Federstrich des Gesetzgebers beseitigen. Allerdings eröffnet Artikel 138 des Grundgesetzes eine Möglichkeit der Ablösung und schreibt ein genaues Verfahren dafür vor. Voraussetzung für eine solche Entflechtung der Finanzbeziehungen zwischen Staat und Kirche wäre etwa die Schaffung bundes- und landesgesetzlicher Regelungen und im übrigen wären zudem Vereinbarungen mit den Kirchen zu treffen. Vielleicht kämen dann auch die übrigen Posten auf den Prüfstand, die in den Haushalten unter dem Stichwort religionsfördernde Maßnahmen für andere Religionsgemeinschaften und sogar weltanschauliche Gruppierungen zusammengefasst sind. Davon profitieren nämlich auch humanistische Verbände, zum Beispiel in nicht unerheblicher Höhe in Berlin.



KNA: Trotzdem noch einmal zurück zu den Zuwendungen an die Kirchen. Was ist von dem Vorschlag zu halten, die bereits bislang getätigten Zahlungen auf eine mögliche Ablösung anzurechnen?

Hense: Das wird der Rechtsnatur dieser Zahlungen nicht gerecht. Es geht nicht um eine Tilgungsleistung für ein Darlehen, sondern um eine wiederkehrende Dauerverpflichtung. Anders gesagt: Wenn Sie ein Haus mieten, dann gehen Sie ja auch nicht davon aus, dass die Immobilie nach einer gewissen Zeit Ihnen gehört.



Das Gespräch führte Joachim Heinz.