Politiker fordern striktere Trennung von Staat und und Kirche

Kritische Distanz zur Kirche verloren?

Die Debatte um Integration und Islam in Deutschland bekommt einen neuen Dreh. Immer stärker drängt auch das Verhältnis von Staat und christlichen Kirchen auf die Tagesordnung. Erst im September hatte der Deutsche Juristentag erstmals seit Jahrzehnten über das im Grundgesetz verankerte Konzept einer freundlichen Trennung von Staat und Religion diskutiert. Und war zu dem Schluss gekommen, dass sich das geltende Staatskirchenrecht bewährt hat. Teile von SPD und FDP sehen das offenbar anders.

Autor/in:
Christoph Arens
 (DR)

FDP-Generalsekretär Christian Lindner forderte am Montag mehr staatliche Neutralität gegenüber den Religionen. "Das Christentum ist nicht die deutsche Staatsreligion, sondern ein persönliches Bekenntnis der Bürger", schreibt er und wendet sich dann gegen die These, dass die deutsche Kultur insbesondere auf christlich-jüdischen Wurzeln beruhe. Tatsächlich reichten die Wurzeln der Verfassung bis zurück nach Athen und Rom, ihre Prinzipien seien seit der Französischen Revolution erkämpft worden - "oft genug gegen den Widerstand der Kirchen."



Konkret kritisiert Lindner - im Zuge der Forderung nach Gleichberechtigung aller Religionen - auch eine enge institutionelle Zusammenarbeit zwischen Staat und Kirche sowie die staatlichen Dotationen für die Kirchen. Seit der Säkularisierung vor zwei Jahrhunderten zahle die öffentliche Hand diese jährlichen Zuwendungen an die christlichen Kirchen: trotz der Sparzwänge in den Länderhaushalten gegenwärtig mehr als 450 Millionen Euro. Das Thema hielten FDP-Landespolitiker bereits im Sommer am Köcheln - obwohl die Kirchen längst signalisiert haben, dass es Verhandlungsbereitschaft gibt.



Widerspruch erntete Lindner jetzt vom Präsidenten des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Alois Glück. Der CSU-Politiker verteidigte den Gottesbezug im Grundgesetz. Eine Streichung wäre gleichbedeutend mit einer Verabschiedung von den Werten, "die unsere Verfassung prägen und unser Zusammenleben geprägt haben", sagte er im Deutschlandfunk. Der Gottesbezug bedeute keinen Gegensatz zur Neutralität des Staates, weil er ja nicht den Einzelnen zum Glauben verpflichte.



Unterdessen wollen sich auch bei der SPD - immerhin der Partei der aktiven Christen Gustav Heinemann und Johannes Rau - kirchenkritische Kräfte neu formieren. Die Partei habe "ihre kritische Distanz zur Kirche verloren", begründete einer der Initiatoren des geplanten "Arbeitskreises Laizistinnen und Laizisten in der SPD" die Pläne. In einem Programmentwurf fordern die Beteiligten - darunter auch Ingrid Matthäus-Maier und der frühere Staatsminister im Bundeskanzleramt Rolf Schwanitz - beispielsweise die Streichung jedes Gottesbezugs aus dem Grundgesetz, den Wegfall auf jeden religiösen Bezugs bei Eidesformeln sowie die Entfernung aller religiösen Symbole aus Gerichten, Parlamenten, Rathäusern, staatliche Krankenhäusern, Schulen sowie Behörden.



Die katholische Kirche reagierte schnell: Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, warnte am Dienstag in der "Welt" vor einem Rückfall der Sozialdemokraten hinter das Godesberger Grundsatzprogramm der SPD von 1959. Darin habe sich die Partei den Kirchen angenähert und ihren öffentlich-rechtlichen Schutz anerkannt.



Auch SPD-Chef Sigmar Gabriel ist die Initiative gar nicht recht. Schließlich droht der SPD - ein Blick auf die Umfragen zeigt es - schon jetzt der Verlust des Status der Volkspartei. Es handele sich um einen privaten Zusammenschluss, ließ Gabriel kühl verlauten. Beim SPD-Parteivorstand gebe es keinerlei Bestrebungen zur Einsetzung eines solchen Arbeitskreises.