DOMRADIO.DE: Was hat Papst Franziskus für Sie und Ihre Gemeinde bedeutet?
Mahmood Ahmad Malhi (Theologe und Imam der Ahmadiyya-Muslim Gemeinde in Köln): Wenn ich an Papst Franziskus denke, kommt mir vieles in den Sinn. Auf jeden Fall, dass er ein Friedensbotschafter war. Er war ein Brückenbauer, speziell auch für Muslime. Franziskus hat gesagt, dass Muslime und Christen Schwestern und Brüder sind. Da geht mir das Herz auf.
Immer wieder richtete er seine Aufmerksamkeit auf muslimische Flüchtlinge. Er setzte sich für Menschen in Gaza ein. Er hatte viel Fingerspitzengefühl und ein großes Herz. Für uns zeigte sich das darin, dass er von Beginn an die Gemeinsamkeiten mit dem Islam hervorhob.
Sehr schön fand ich, dass er als Kirchenoberhaupt von Milliarden von Menschen den Islam als eine friedliche Religion beschrieb. Extremismus und Terrorismus grenzte er immer vom Islam ab.
DOMRADIO.DE: Nun haben Sie in den vergangenen Tagen mit dem Fahrradclub Ihrer Gemeinde zahlreiche Kirchen in der Stadt Köln besucht. Wie kam es dazu?
Malhi: Anlass war ein Kondolenzschreiben, welches das Oberhaupt der Ahmadiyya-Muslim-Gemeinschaft, Hadhrat Mirza Masroor Ahmad, veröffentlicht hatte. Er ist für mich, meine Gemeinde und einige Millionen Muslime das spirituelle Oberhaupt, so wie es der Papst für die Katholiken ist.
Er hatte an dem Todestag von Papst Franziskus ein Trauerschreiben verfasst und es an den Vatikan und an zahlreiche katholische Gemeinden geschickt. Das fand ich so schön, dass ich mich daran auch beteiligen wollte.
(Den Text des Kondolenzschreibens der Ahmadiyya-Muslim-Gemeinschaft finden Sie unter folgendem Link, Anm. d. Red. https://ahmadiyya.de/news/pressemitteilungen/beileidsbekundung-des-kalifen-der-ahmadiyya-muslim-jamaat-zum-tod-von-papst-franziskus/)
Mir kam die Idee, eine Kopie dieses Schreibens einzurahmen und so den katholischen Kirchen in der Stadt Köln zu überreichen. Und so sind wir dann auch zu den Kirchen in Köln geradelt und haben vor Ort zahlreiche Priester, Pfarrer und christliche Brüder und Schwestern, um die Worte von Papst Franziskus aufzugreifen, getroffen.
Das kam richtig gut an. Leute haben uns auf der Straße angesprochen. Als sie gehört haben, was wir machen, waren sie richtig begeistert.
DOMRADIO.DE: Der Fahrradclub Ihrer Gemeinde sieht auch recht auffällig aus in seinen strahlend blauen Trikots. Waren die Leute überrascht von Ihrem Besuch?
Malhi: Teilweise. Es ist für mich ein schöner, aber gleichzeitig ein trauriger Tag gewesen. Genau am 21. April ist meine Tochter auf die Welt gekommen. Wir waren im Krankenhaus, als sie auf die Welt kam. Und danach habe ich die Nachricht mitbekommen, dass Papst Franziskus verstorben ist.
Der Tod kam ja ganz spontan. Deshalb hatte ich die Zeit gar nicht, so rechtzeitig die Leute oder die Priester und Pfarrer zu kontaktieren. Einige habe ich versucht, über Sekretäre, Sekretärinnen oder auch direkt anzurufen. In einem Fall konnte ich so ein Treffen vereinbaren.
In anderen Fällen habe ich dann auf der Webseite der Gemeinden gesehen, in welcher Kirche was geplant ist, und dann sind wir direkt einfach hingegangen. Ich muss sagen, wir wurden mit offenen Armen aufgenommen. Auch die spontanen, überraschenden Besuche liefen so, dass die Leute sich vor Ort so gefreut haben und in Freudentränen ausgebrochen sind.
In einer Kirche, Sankt Ursula glaube ich, wurde ich gebeten, das Schreiben vorzulesen. Und als ich das gemacht hatte, kam der Zelebrant der Messe zu mir und umarmte mich.
Stelle Sie sich vor: Die christlichen Brüder und Schwestern sitzen zusammen mit unseren Gemeindemitgliedern in der Kirche, und oben auf der Bühne umarmen sich Priester und Imam. Das war eine richtig schöne Geste und kam unglaublich gut an.
Die nächsten Tage werden wir weitere Kirchen besuchen. Ich habe mir zum Ziel gesetzt, alle katholische Kirchen in Köln zu besuchen und diese Kondolenzschreiben so zu überreichen. So wollen wir zeigen, dass wir mit euch stehen. Das war auch die Anweisung des heiligen Propheten: Wenn jemand Schmerz oder Leid spürt, soll man ihn besuchen, für ihn da sein.
Wir, Muslime und Christen, sind eins. Ich sage das immer, dass wir einen einzigen Stammesvater haben, Abraham. Wir sind eine Familie, Christen, Muslime und Juden. Und deshalb gehört das einfach dazu, dass wir zusammenhalten.
Das Interview führte Lara Burghardt.