Muslime feiern höchstes Fest das Jahres

Das Opferfest in Zeiten der Krisen

Für muslimische Gläubige ist das Opferfest das höchste Fest im Jahr und ein richtiges Familiefest. Wie kann es nach zwei Jahren der Einschränkungen gefeiert werden und was gehört traditionell zum Fest dazu?

Das Schächten von Schafen während des islamischen Opferfestes gilt als religiöses Gebot / © Martin Schutt (dpa)
Das Schächten von Schafen während des islamischen Opferfestes gilt als religiöses Gebot / © Martin Schutt ( dpa )

DOMRADIO.DE: Das Opferfest ist das höchste Fest im Islam. Ich glaube, das ist vielen gar nicht so klar, oder?

Prof. Dr. Thomas Lemmen (Experte für den christlich-islamischen Dialog im Erzbistum Köln): Genau. Viele meinen, dass das Zuckerfest das wichtigste Fest sei, also das Fest zum Ende des Ramadan. Das hat damit zu tun, dass zu diesem Fest die Kinder mit Süßigkeiten beschenkt werden. Dann ist es so wie im Christentum, dass man denkt Weihnachten ist das wichtigste Fest, bei dem es die Geschenke gibt. Aber Ostern ist das Wichtigste. So ist es im Islam ähnlich.

DOMRADIO.DE: Und welchen Hintergrund hat dann das Opferfest, das jetzt gefeiert wird?

Thomas Lemmen / © Harald Oppitz (KNA)
Thomas Lemmen / © Harald Oppitz ( KNA )

Lemmen: Es erinnert daran, dass Abraham im totalen Glauben an Gott seinen Sohn opfern wollte, nach islamischer Tradition Ismael, dass Gott dieses Opfer aber nicht wollte, sondern stattdessen ein Tier geopfert werden sollte.

DOMRADIO.DE: Und wie zeigt sich das in den traditionellen Feierlichkeiten? Wie wird dieses Opferfest begangen?

Lemmen: Zu diesem Fest gehört ganz wesentlich, dass man zur Erinnerung daran selber opfert, dass man also ein Tier schlachtet. Und ganz entscheidend ist, dass das Fleisch geteilt wird mit Nachbarn, Freunden, der Familie, vor allen Dingen aber mit bedürftigen Menschen. Und darum ist das ein großes Fest des Teilens mit den Menschen, die weniger oder die gar nichts haben. Das ist ganz entscheidend.

DOMRADIO.DE: Sie sagen schon: Das ist ein Fest, das in der Familie gefeiert wird, genauso wie die Feste im Christentum. Mit Ostern und Weihnachten war die letzten Jahre auch das Opferfest durch die Corona-Pandemie geprägt. Wie sieht das in diesem Jahr aus?

Lemmen: Zum Fest gehört, dass man am ersten Tag in die Moschee geht, zum Festgebet, und das ist natürlich in den vergangenen beiden Jahren nicht oder nur sehr eingeschränkt möglich gewesen. Das ist dieses Jahr anders. Da konnten schon wieder mehr Menschen zum Festgebet gehen. Und auch die Besuche bei der Familie oder bei Freunden und Bekannten sind jetzt etwas leichter, als das vor ein oder zwei Jahren noch war, aufgrund der doch entspannteren Situation.

DOMRADIO.DE: Beim Stichwort Opferfest kommt vielen auch der Haddsch in den Sinn, also die große muslimische Pilgerreise in die Stadt Mekka. Wie hängt das zusammen?

Das Stichwort: Islamisches Opferfest

Das islamische Opferfest, das am Sonntag beginnt, bildet den Höhepunkt und Abschluss der jährlichen Pilgerfahrt der Muslime nach Mekka. Das viertägige Opferfest gehört zu den höchsten Festen der mehr als 1,8 Milliarden Muslime in der Welt. Auch in Deutschland, wo mehr als vier Millionen Muslime leben, treffen sich die Gläubigen am Morgen zum Gebet in der Moschee. Viele Familien unternehmen Ausflüge, die Kinder erhalten Geschenke.

Das Schächten von Schafen während des islamischen Opferfestes gilt als religiöses Gebot / © Martin Schutt (dpa)
Das Schächten von Schafen während des islamischen Opferfestes gilt als religiöses Gebot / © Martin Schutt ( dpa )

Lemmen: Das fällt zeitlich zusammen. Die Pilgerfahrt wird im Grunde während dieser Zeit begangen. Oder vielmehr, die Pilgerfahrt endet mit dem Opferfest. Das heißt also, jedes Jahr fahren die Menschen dann vorher nach Saudi-Arabien, um die Wallfahrt zu vollziehen und ihre Wallfahrtsriten enden dann auch mit dem Fest. Pandemisch wäre das dieses Jahr etwas leichter. Aber da kommt noch hinzu, dass Saudi-Arabien das gesamte Einreisesystem verändert hat. Man muss sich über saudische Agenturen registrieren und das hat dieses Jahr noch gar nicht so gut geklappt, sodass viele Menschen enttäuscht sind und gar nicht sicher waren, ob sie die Reise antreten konnten.

DOMRADIO.DE: Und gleichzeitig prägt unsere Welt gerade ja auch eine große Krise. Steigende Lebensmittelpreise beschäftigen Menschen weltweit. Inwiefern beeinflusst das das Opferfest?

Lemmen: Das ist natürlich noch mal eine Gelegenheit, auch zu teilen. Den man kann dieses Opfer auch delegieren, indem man sagt: Ich schlachte jetzt nicht selber zu Hause, sondern ich gebe das Geld einer gemeinnützigen Organisation, die dann für mich in einem anderen Land der Welt, dort, wo es nötig ist, das Opfer darbringt. Und das ist sozusagen ein weltweites System der Solidarität mit den Bedürftigen, was gerade in der jetzigen Zeit noch mal sehr notwendig ist.

DOMRADIO.DE: Allein in Deutschland wird das Opferfest von Millionen von Muslimen gefeiert. Wird das in der Gesellschaft überhaupt so aktiv wahrgenommen?

Lemmen: Ich glaube schon, dass die Wahrnehmung besser, deutlicher geworden ist. Der Bundeskanzler hat gratuliert, es gibt Grußworte von Kirchen. Und immer wenn ich muslimische Bekannte treffe, dann wünsche ich ein frohes, gesegnetes Fest. Ich glaube, die Wahrnehmung hat schon positiv zugenommen, auch in den Schulen. Jetzt haben wir Ferien, aber wenn keine Ferien wären, dann könnten Schülerinnen und Schüler am ersten Tag auch frei nehmen.

Das Interview führte Julia Reck.

Quelle:
DR