Mazyek über Morddrohungen und islamisches Opferfest

"Die Hemmschwellen sind gesunken"

Mit dem Opferfest wurde am Wochenende das höchste Fest des Islam gefeiert - unter Coronabedingungen. Unter die Freude mischt sich beim Zentralrats-Vorsitzenden Aiman Mazyek die Sorge über "NSU 2.0"-Morddrohungen gegen ihn und seine Familie.

Aiman Mazyek bei einer Veranstaltung in Berlin / © Alexander Heinl (dpa)
Aiman Mazyek bei einer Veranstaltung in Berlin / © Alexander Heinl ( dpa )

DOMRADIO.DE:  Die meisten Menschen in Deutschland nehmen von den Feierlichkeiten kaum Notiz. Ist das auch Ihr Eindruck?

Aiman Mazyek (Vorsitzender Zentralrat der Muslime in Deutschland): Ja, in Teilen stimmt das. Wenn ich vergleiche - und inzwischen hat man doch schon ein paar Jährchen auf dem Buckel - dann sehe ich, dass das vor 30 Jahren noch weitaus weniger Menschen interessiert hat. Da gab es vielleicht eine kleine Randnotiz auf der Seite sechs in der Zeitung. Heute wird durchaus auch darüber medial berichtet und sich ausgetauscht. Auch der Kontext, das Opferfest, hat ja auch sehr viel mit der Pilgerfahrt zu tun, das wird vermittelt.

DOMRADIO.DE: Die Feiern haben unter starken Corona-Einschränkungen stattgefunden. Wie waren Ihre Erfahrungen damit in diesem Jahr? 

Mazyek: Diese Einschränkungen und Corona, wie auch schon im Ramadan ganz deutlich, schlagen natürlich vollends ein. Die Unversehrtheit von Körper, Gesundheit, auch die Solidarität diesen Virus in jeder Form, mit den Möglichkeiten, die man hat, einzudämmen, ist die absolute Überschrift für das Opferfest. Und es gibt nicht wenige Moscheen, die an diesem Wochenende und auch am Freitag einfach geschlossen blieben. Andere haben geöffnet, dann entsprechend mit den Hygiene- und den Abstandsregelungen. Das wissen wir auch aus dem kirchlichen Kontext und den Gottesdiensten. Das ist nicht dasselbe. Und dennoch versucht man natürlich, das Beste daraus zu machen. Zum Beispiel, indem man das Angebot macht, so wie viele Gemeinden, aus der Moschee rauszugehen, größere Plätze anzumieten oder zu nutzen, um dann entsprechend noch mehr Möglichkeiten für die Abstands- und Hygieneregeln zu haben. Das hat am Wochenende in vielen, vielen Teilen sehr gut geklappt, hat funktioniert. Aber es ist halt doch etwas anderes, wenn jeder mit Mundschutz da ist: Das Umarmen, das gegenseitige Beglückwünschen, Begrüßen - was wir kennen, kann man diesmal nicht anwenden. Das ist doch eine starke Einschränkung. Aber viele haben es so praktiziert und wir versuchen, das Beste daraus zu machen. Solange es keinen Impfstoff gibt, solange ist diese Gefahr da.

DOMRADIO.DE: Es ist ja auch immer wieder im Gespräch, dass es auch zum Beispiel gesetzliche Feiertage für Muslime und Juden in Deutschland geben sollte. Befürworten Sie sowas?

Mazyek: Es ist ein richtiger Schritt für eine Gesellschaft, die doch sehr religiös, ethnisch und in anderen Formen sehr vielfältig ist, dass man die religiösen Feiertage beachtet und ihnen entsprechend auch mit Respekt begegnet. Wir fordern schon seit langem, dass die Feiertage der unterschiedlichen Religionsgemeinschaften Einzug finden in das offizielle Kalendarium und anderswo. Es geht nicht darum, dass wir einen weiteren freien Tag für alle benötigen. Das ist nicht notwendig. Aber wichtig ist, dass diese Feiertage auch entsprechend im offiziellen Terminkalender und anderswo stehen. Da sind wir schon ein Stück weiter, da haben wir schon einiges erreicht. Wenn ich zum Beispiel sehe, dass der Lehrerkalender entsprechend schon damit vermerkt ist. Es geht auch darum, dass man den Muslimen in dem Fall an dem Tag die Möglichkeit einräumt, frei zu machen und dafür beispielsweise der muslimische Polizist dann am Feiertag oder an Weihnachten seinen entsprechenden Dienst schiebt und am Opferfest sein christlicher Kollege zum Beispiel. Auf diese Weise kann man sowas regeln und wenn man das entsprechend auch schon vorher weiß und auch eingetragen hat.

DOMRADIO.DE: Anfang der vergangenen Woche ist bekannt geworden, dass auch Sie rechtsradikale Drohbriefe vom sogenannten NSU 2.0 erhalten haben. Wie gehen Sie mit sowas um?

Mazyek: Leider Gottes erreichen mich seit zehn Jahren explizite Morddrohungen. Der Unterschied hier ist, dass es tatsächlich NSU 2.0 ist und das auch nicht zum ersten Mal und der Aufruf ganz explizit Familienangehörige direkt, unmittelbar von mir anredet, auch mit Namen. Und das ist natürlich etwas, das eine neue Qualität hat. Die Morddrohungen sind leider bekannt. Wir haben auch entsprechende Sicherheitsregeln seit vielen Jahren eingerichtet, aber das das jetzt auch auf Familienangehörige übergreift, das beunruhigt. Das zeigt aber auch, wie das Klima in unserer Gesellschaft ist. Es hat sich sehr viel zugespitzt. Es gibt sehr viele Hemmschwellen, die gesunken sind, und das drückt sich entsprechend auch in dieser straffälligen Aussagen aus und das nehmen die Sicherheitsbehörden und natürlich auch die Betroffenen, das sind leider eine ganze Reihe inzwischen, die davon betroffen sind, natürlich sehr ernst.

Das Gespräch führte Verena Tröster.


Mazyek bei einem Spaziergang für Toleranz / © Sören Stache (dpa)
Mazyek bei einem Spaziergang für Toleranz / © Sören Stache ( dpa )
Quelle:
DR