Armutsquote erreicht neuen Rekordstand

Macht Corona arm?

Einer Studie des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes zufolge hat die Armutsquote in Deutschland ein Rekordhoch erreicht. 16,1 Prozent der Bevölkerung müssten zu den Armen gerechnet werden. Das sind 13,4 Millionen Menschen.

Leerer Geldbeutel beim Einkaufen / © eldar nurkovic (shutterstock)
Leerer Geldbeutel beim Einkaufen / © eldar nurkovic ( shutterstock )

So heißt es in der Mitteilung des Berliner Verbandes vom Donnerstag. Das sei ein neuer trauriger Rekord, sagte Verbandsgeschäftsführer Ulrich Schneider. Die aktuellen Daten fügten sich in das Bild der letzten Jahre ein: Rückblickend auf das Jahr 2006 lasse sich ein stetiger Aufwärtstrend ausmachen, der auch 2020 nicht gebrochen zu sein scheine. 2006 betrug die Quote noch 14,0 Prozent.

Dass das große Beben in der Armutsstatistik trotz Pandemie ausgeblieben sei, habe unterschiedliche Gründe, erläuterte Schneider.
Rund vier Fünftel der Bevölkerung hatten 2020 Glück, keinerlei corona-bedingte Einkommensverluste zu haben, nämlich Rentnerinnen und Rentner, Beamte und Angestellte des öffentlichen Dienstes. Andere lebten als Niedrigeinkommensbeziehende ohnehin bereits unter der
Armutsschwelle: "Auch hier gibt es keinen statistischen Effekt."

Hilfsmaßnahmen verhinderten Schlimmeres

Eine "nur" um 0,2 Prozentpunkte höhere Armutsquote als in der vorherigen Erhebung aus dem Jahr 2019 sei vor allem ein Hinweis darauf, dass die rasch ergriffenen Unterstützungsmaßnahmen von Bund und Ländern noch höhere Armutswerte verhindern konnten. Insbesondere das Kurzarbeitergeld, aber auch das Arbeitslosengeld I bewahrten laut dem Geschäftsführer viele Menschen in dieser Krise ganz offensichtlich vor dem Fall in die Einkommensarmut.

Selbstständige am stärksten betroffen

Es sind der Mikrozensus-Auswertung für den Armutsbericht des Paritätischen mit dem Titel "Armut in der Pandemie" zufolge vor allem Erwerbstätige, unter denen die Einkommensverlierer der Corona-Krise zu suchen sind, und unter den Erwerbstätigen sind es vor allem die Selbstständigen. "Zählte die Mikrozensus-Erhebung 2019 unter den Erwerbstätigen insgesamt 8 und unter den Selbständigen 9 Prozent Arme, kommt die neue Erhebung auf 8,7 Prozent bei den Erwerbstätigen und sogar 13 Prozent bei den Selbständigen."

Großfamilien und Alleinerziehende durchschnittlich ärmer

Davon abgesehen bleibe das soziodemografische Risikoprofil das der Vorjahre: Nach wie vor zeigten Haushalte mit drei und mehr Kindern
(30,9 Prozent) sowie Alleinerziehende (40,5 Prozent) die höchste Armutsbetroffenheit aller Haushaltstypen. Erwerbslose Personen (52
Prozent) und Menschen mit niedrigen Bildungsabschlüssen (30,9 Prozent) seien ebenfalls stark überproportional betroffen. Das Gleiche gelte für Menschen mit Migrationshintergrund (27,9 Prozent) und ohne deutsche Staatsangehörigkeit (35,8 Prozent).

Regionale Unterschiede

Im Ländervergleich zeigt sich den Angaben zufolge, dass sich der Wohlstandsgraben zwischen Bayern und Baden-Württemberg einerseits und dem Rest der Republik verfestigt, wenn nicht sogar vertieft hat. Kommen die beiden süddeutschen Länder auf eine gemeinsame Armutsquote von 12,2 Prozent - und liegen damit weit unter dem Bundesdurchschnitt -, sind es für die übrigen Bundesländer gemeinsam 17,7 Prozent. Der Abstand zwischen Bayern (11,6 Prozent) und dem schlechtplatziertesten Bundesland Bremen (28,4 Prozent) beträgt mittlerweile 16,8 Prozentpunkte. Mit außerordentlich hohen Armutsquoten von um die 20 Prozent fallen auch Mecklenburg-Vorpommern, Berlin und Sachsen- Anhalt auf.


Quelle:
epd