Katholische Armutskonferenz befasst sich mit prekären Arbeitsverhältnissen

Gefahr für gesellschaftlichen Zusammenhalt

Es ist ein kleiner Erfolg, dass der Mindestlohn auf zwölf Euro steigt. Noch wichtiger wäre es aber, Menschen in "gute Arbeit" zu bringen, damit Verdienst und Selbstwertgefühl steigen. Darüber sind sich Experten einig.

Autor/in:
Barbara Just
Viele Reinigungskräfte sind im Niedriglohnsektor beschäftigt / © Quinn Martin (shutterstock)
Viele Reinigungskräfte sind im Niedriglohnsektor beschäftigt / © Quinn Martin ( shutterstock )

Im Februar 2020 war Aufbruchstimmung im Jobcenter München angesagt. "Wir hatten das Glück, auf einem Tiefststand der Langzeitarbeitslosigkeit angekommen zu sein", erinnerte sich Geschäftsführerin Anette Farrenkopf. Das sei das Verdienst ihrer engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gewesen sowie sozialer Partner wie der Caritas.

Doch dann kam Corona. Wer zuletzt eingestellt worden war, flog wieder raus; dazu gehörten auch viele Menschen mit Migrationshintergrund. Schwer traf es Beschäftigte in der Gastronomie und Kulturszene sowie im Messebereich. Kurzarbeit war angesagt, von dem Geld konnten aber nicht alle leben.

Pandemie wirkte wie ein Brennglas

Die Pandemie wirkte wie ein Brennglas, das offenlegte, wie es um den Arbeitsmarkt in Deutschland bestellt ist. Denn seit Jahren wächst der Anteil an prekären Beschäftigungsverhältnissen. Wie die Situation sich darstellt und warum dringend etwas getan werden muss, das war Thema der zweiten Katholischen Armutskonferenz am Montag in München.

Der Caritasverband der Erzdiözese München und Freising hatte eingeladen, um mit Fachleuten aus Kirche, Gewerkschaft und Wirtschaftswelt zu diskutieren. Denn "Working Poor" kann sich auf Dauer negativ auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt auswirken, wie David Schmitt vom DGB Bayern mahnte.

Nach den Worten des dortigen Leiters für den Bereich Sozial- und Arbeitsmarkt bedeutet "gute Arbeit", dass ein ordentlicher Lohn bezahlt wird, den Gewerkschaften und Arbeitgeber ausgehandelt haben.

Doch da fängt das Elend bereits an. Seit Jahrzehnten nimmt die Tarifbindung ab. Nur etwas mehr als 50 Prozent der Beschäftigten in Bayern fielen überhaupt noch unter einen Tarifvertrag, gab Schmitt zu bedenken. Wenn die neue Bundesregierung den Mindestlohn nun auf zwölf Euro anhebe, würden zwar mehr als eine Million Menschen im Freistaat davon profitieren. Doch er bleibe eine "Behelfskrücke".

Viele Frauen im Niedriglohnsektor beschäftigt

Fast 17 Prozent der Beschäftigten arbeiteten allein in Bayern für Löhne, die sogar unter der bundeseinheitlichen Schwelle von 11,21 Euro lägen. Dazu komme, dass ein Viertel der beschäftigten Frauen zu einem Niedriglohn tätig sei. Wie soll da die angekündigte Transformation der Gesellschaft gelingen? Denn Minijobs seien schließlich nicht als Weiterbildungsmotor bekannt, so Schmitt.

Wie in einer Leistungsgesellschaft auch jene mitgenommen werden können, die bei anderen durchs Raster fallen, zeigt beispielhaft die Unternehmerin Sina Trinkwalder. Mit ihrer 2009 gegründeten Näh-Firma manomama hat sie es geschafft, Frauen und Männer wieder neues Selbstwertgefühl zu geben, dass ihre Fähigkeiten gebraucht werden.

Von 6.00 bis 22.00 Uhr ist geöffnet. So kann die Arbeit um das private Leben herum gebaut werden und nicht umgekehrt. Der Erfolg gibt ihr Recht, wenngleich der menschliche Gewinn größer sei als der monetäre, wie sie einräumt.

Befristete Arbeitsverhältnisse gibt es bei Trinkwalder nicht, auch keine Kurzarbeit. Das verschaffe den Mitarbeitenden Sicherheit; genauso wie es zum Prinzip der "Sozialunternehmerin" gehört, ihre Angestellten zu begleiten. Denn nicht jeder sei sofort bereit, sich weiterbilden zu lassen, mancher brauche eben länger. Umso schöner sei es gewesen, berichtete Trinkwalder, dass ihre "Ladies and Gentlemen" im vergangenen Jahr spontan bereit gewesen seien, statt Stofftaschen auf einmal Stoffmasken zu nähen, die ein NRW-Krankenhaus dringend erbeten hatte. "Dann können wir der Gesellschaft was zurückgeben", war aus der Belegschaft zu vernehmen.

Wie wichtig Bildung und Fortbildung sind, darin waren sich der Vorsitzende des Landeskomitees der Katholiken in Bayern, Joachim Unterländer, und der Münchner Caritasdirektor Hermann Sollfrank einig. Schulabbrecher dürften nicht allein gelassen werden. Besser präventiv investieren als langfristig die Betroffenen für den Arbeitsmarkt zu verlieren. Dass auch gesetzliche Stellschrauben zu drehen sind, zeigte Trinkwalder auf. So sei es einem Schulabbrecher, der mit Mindestlohn deutlich mehr verdiene als in einer dreijährigen Ausbildung, nur schwer vermittelbar, warum er eine solche machen solle.


Quelle:
KNA