DOMRADIO.DE: Wie kommt man dazu, etwas für den Papst aufführen zu dürfen?
Gloria Bruni (Komponistin und Opernsängerin): Das war ein Zusammenspiel von glücklichen Umständen. Ich hatte schon drei Teile von einem Requiem komponiert, das Kyrie, als erstes dann das Lacrimosa und dann das erste Requiem, und der Zufall wollte es, dass ich einen katholischen Missionar vom Vatikan kennengelernt hatte, der nach Hamburg kam, weil er hier eine Fernsehproduktion mit Kindern im Rahmen von einer kirchlichen Straßenkindersendung machen wollte.
Dann habe ich ihm diese Teile vorgespielt. Er war begeistert. Er fragte, ob ich denn schon wüsste, wo ich mein Requiem uraufführen würde. Ich habe gesagt, ich bin ganz ehrlich, ich habe mir jetzt noch keine Gedanken gemacht, ich wollte es jetzt erst einmal schön komponieren. Er fragte, wenn er es schaffen würde, es an den Vatikan zu bringen, ob dann dafür ein Benefizkonzert für den Salesianer-Orden mache, also für die Straßenkinder. Ich habe selbstverständlich eingewilligt. Dann ging es los.
Dann ist er mit meinen Stücken zurück zum Vatikan gegangen und hat es dort vorgestellt. Das gefiel ihnen. Dann wurde ich einbestellt und musste es vor zwei verschiedenen Kardinälen darlegen und vorspielen. Einmal dem Kardinal, der zuständig ist für die Musik des Petersdoms, und einmal für den Kardinal, der zuständig ist für den Vatikan. Wie es so manchmal ist, waren sie nicht unbedingt der gleichen Meinung. Aber irgendwie habe ich es geschafft, dass ich sie beide überzeugt habe, dass meine Komposition besonders wertvoll ist. Und dann hatte ich den offiziellen Auftrag für das Heilige Jahr 2000, ein Requiem zu komponieren.
DOMRADIO.DE: Das ist fast wie ein Casting!
Bruni: Das war wirklich so! Die Bedingung war, dass es nicht länger als eine Stunde sein dürfe. Ich sagte, das kann ich gerne erfüllen. Ich habe so getan, als ob ich schon mehrere Stücke komponiert hätte, was nicht stimmte. Das konnte ich dann ausfüllen, indem ich die anderen Stücke, die da noch fehlten, auch das Offertorium, habe ich dann so eingefügt, dass es wirklich genau eine Stunde wurde.
DOMRADIO.DE: Vielleicht können Sie mir oder uns einmal erklären, worum geht es in dem Stück "Requiem a Roma“?
Bruni: Es heißt deshalb "Requiem a Roma", weil ich das große Glück hatte, es in Rom tatsächlich uraufzuführen. Dann hatte ich das große Glück, dass ich dieses große Werk relativ am Anfang meiner Kompositionskarriere geschrieben habe. Deshalb fällt mein Requiem auch etwas positiver aus, als vielleicht andere Requien.
Da gibt es einen schönen Satz, der steht auch auf meiner CD: "Mein Requiem stellt den Tod als Übergang in ein sorgenfreies Dasein dar. Die Musik soll ergreifen, aber nicht traurig sein. Sie soll Hoffnung geben auf das Jenseits und spiegelt damit meine jetzige Auffassung vom Tode wieder". Das war 2000. Jetzt sind 25 Jahre vergangen, aber ich muss sagen, ich habe eigentlich immer noch die gleiche Einstellung.
DOMRADIO.DE: Wie war es denn für Sie, den Papst damals zu treffen und vor allem zu wissen, vor dem Papst aufzutreten?
Bruni: Es war nicht damit zu rechnen, dass es mit dem Papst tatsächlich stattfinden könnte. Er war damals schon sehr zerbrechlich und sehr krank. Als ich dann aber tatsächlich den Anruf bekam, dass er das haben wollte, also quasi einen Tag vor der Uraufführung, die am 5. November 2000 stattfand, sondern einen Tag davor, in dem großen Sala Nervi, wo 5.000 Leute zusammen waren und die Menschenrechtskonvention stattfand, wurde mir dann gesagt, dass der Papst gerne meine Musik haben würde.
Er würde während der Musik reingehen und während der Musik auch rausgehen. Daraufhin sagte ich dann am Telefon: "Das finde ich aber traurig, dann hört er meine Musik ja gar nicht." Aber das Glück spielte mir auch da in die Hände. Er saß schon, als meine Musik anfing, und er blieb vor allem auch sitzen, als es zu Ende ging. Dann machte er ein Zeichen, dass er uns kennenlernen wollte. Der Sala Nervi ist ein Riesensaal, der Papst war ziemlich weit von uns weg. Ich habe mich gefreut, bin vorgeprescht und mich hat sofort ein Kardinal zurückgehalten. Er sagte: "Nein, natürlich erst der Dirigent!" Und dann sollte ich erst kommen.
Ich trat als Sängerin auf. Daraufhin dachte ich mir: Aha! Er weiß wohl nicht, dass ich das komponiert habe. Als ich vor dem Papst niederkniete, machte er mir Komplimente für meine Stimme, und daraufhin sagte ich ihm, dass ich dieses Stück für Seine Heiligkeit und für die Stadt Rom geschrieben habe. Das ist eine wahre Geschichte. Einen Tag danach rief mich der Privatsekretär vom Papst in meinem Hotel an und sagte mir, dass er von meiner Musik sehr bewegt war.
DOMRADIO.DE: Seitdem das Stück dort uraufgeführt wurde, sind Sie noch in zahlreichen anderen Städten gewesen. Darunter in Warschau, in Salzburg, in Berlin und auch in Jerusalem. Nun geht es in den Sankt-Mariendom nach Hamburg, also Ihrer Heimat. Wie kommt es, dass Sie das Stück dann jetzt wieder aufführen?
Bruni: Mir wurde die Idee angetragen, weil es das 25-jährige Jubiläum ist. Auch die Hamburger Symphoniker hatten Lust darauf, es noch einmal aufzuführen. Das ist das gleiche Orchester, das auch damals die Uraufführung gespielt hat.
DOMRADIO.DE: Sie übernehmen den Sopranpart. Sind Sie denn schon aufgeregt?
Bruni: Nein. Ich bin kein aufgeregter Typ. Ich muss mich so konzentrieren auf alles, dass das einfach gar nicht geht.
Dieses Interview führte Lara Burghardt.