Kölner Obdachlose erinnern sich an Begegnung mit Papst Franziskus

"Wie ein Sechser im Lotto"

Franziskus hatte ein Herz für die Armen. Im Jahr der Barmherzigkeit hat er sie nach Rom eingeladen. Auch aus dem "Gubbio" waren damals einige mit dabei. Was die Audienz beim Papst mit ihnen gemacht hat, haben sie nie wieder vergessen.

Autor/in:
Beatrice Tomasetti
Papst Franziskus begrüßt bei der Audienz im November 2016 die Gruppe aus dem "Gubbio", darunter Gerti Wirtz, die ihren Engel küsst, den der Papst zuvor gesegnet hat (privat)
Papst Franziskus begrüßt bei der Audienz im November 2016 die Gruppe aus dem "Gubbio", darunter Gerti Wirtz, die ihren Engel küsst, den der Papst zuvor gesegnet hat / ( privat )

"Der heißt Franziskus. Wow!" René erinnert sich noch ganz genau, was ihr damals durch den Kopf schoss, als sie von dem gerade frisch gewählten Papst Jorge Mario Bergoglio erfuhr. Denn das der Name Programm sein sollte, war ihr umgehend klar. Schließlich war sie mit der Kölner Obdachlosenseelsorge 2009 bei einer Pilgerfahrt nach Assisi mit dabei gewesen und hatte bei dieser Reise viel über das Wirken des Heiligen Franz erfahren. "Da war ich noch ganz neu im Gubbio und total beeindruckt, dass es überhaupt so ein Angebot gibt und ich da mit darf." Seitdem war sie auch bei einer Lourdes-Fahrt dabei und schließlich auch im November 2016, als das römische Kirchenoberhaupt Arme, Bedürftige und Obdachlose in den Vatikan einlud. "Zum Papst mit Audienz – das ist schon was Besonderes! Nie hätte ich gedacht, dass ich je nach Rom komme." 

"Jupp" (links) ist bei den Gottesdiensten im "Gubbio" Messdiener und hat sich am See Genesareth von Weihbischof Puff firmen lassen / © Beatrice Tomasetti (DR)
"Jupp" (links) ist bei den Gottesdiensten im "Gubbio" Messdiener und hat sich am See Genesareth von Weihbischof Puff firmen lassen / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Beim Thema Papst habe sie ja eigentlich meist an einen alten Mann am Fenster gedacht, weil ihre Mutter immer den Segen "Urbi et orbi" im Fernsehen geschaut habe. Und auch mit dem jetzt anstehenden Konklave habe sie es ja nicht so, wie sie freimütig einräumt – "ich verstehe bis heute nicht, wie so viele Männer über uns Frauen mitentscheiden können" – aber die Gemeinschaft sei wichtig und natürlich einer, der die ganze Welt zusammenbringe – Reiche und Arme. "Schwierig genug", findet die 51-Jährige, die regelmäßig das katholische Obdachlosenzentrum "Gubbio" im ehemaligen Franziskanerkloster an der Ulrichgasse besucht und dort inzwischen zum ehrenamtlichen Team gehört. Dann fügt sie spontan noch hinzu: "Jesus ist wichtig." Und ruft: "Halleluja!" 

Also, wie gesagt, Franziskus habe sie mit seiner Haltung gegenüber denen, die nichts haben und nichts darstellen, enorm beeindruckt, fährt sie fort. Deshalb habe sie sich auch im Dom ins Kondolenzbuch eingetragen. "Nicht viel, nur Stichworte: Rom 2016." Und: "Die Botschaft lebt weiter." Schließlich sei der Glaube eine tiefe Sehnsucht von ihr und geistliche Impulse nehme sie gerne an, bekennt René, die immer wieder die religiösen Angebote von Schwester Christina Klein und Weihbischof Ansgar Puff nutzt. Auch an diesem Nachmittag sitzt sie im Stuhlkreis und ist Teil der Runde, die an "Exerzitien im Alltag" teilnimmt und sich über das, was alle im "Gubbio" bewegt und gerade "dran" ist, austauscht.

Gerti

"Ich hatte einen Engel in der Hand, den der Papst gesegnet hat. Das war unbeschreiblich."

Gerti schätzt sich bis heute glücklich, dass sie damals in der großen Audienzhalle hinter dem Petersdom einen Platz in der ersten Reihe ergattern konnte. Die 57-Jährige gilt als wohnungslos, ist aber vor drei Jahren in Haus "Zwischenzeit", einem Frauenhotel in Köln-Weidenpesch, untergekommen und besucht seit zehn Jahren das Gubbio. "Ich hatte einen Engel in der Hand, den der Papst gesegnet hat", berichtet sie noch immer sichtlich bewegt und ruft sich die Bilder von damals ab. "Das war unbeschreiblich." Tränen der Freude seien ihr in diesem Moment übers Gesicht gelaufen, völlig überwältigt sei sie gewesen. "Wie ein Sechser im Lotto war das." Alle hätten Franziskus ihre Hände entgegengestreckt und immer wieder "Papa, Papa!" gerufen, skizziert Gerti aus der Erinnerung. Die Nachricht von seinem Tod habe sie traurig gemacht, sagt sie. "Schon als er so krank war, habe ich für ihn gebetet und jeden Abend eine Kerze angezündet. "Man sollte glauben", schiebt sie nachdenklich noch hinterher. "Ohne Glauben verliert sich der Mensch."

Mara

"Durch die Begegnung mit ihm habe ich mich als Mensch aufgewertet erlebt."

Auch Mara, die sich selbst als "bedürftig" bezeichnet, aus gesundheitlichen Gründen schon lange keinen festen Job mehr hat und seit zehn Jahren in der Obdachlosenseelsorge mithilft, zehrt bis heute von ihren Erinnerungen an dieses einmalige Romerlebnis, "das ich mir nie hätte leisten können", wie sie sagt. Und dann sprudelt es nur so aus ihr heraus. "Franziskus hatte auch eine humorvolle Seite. Als er bei uns vorbeikam, haben wir zu mehreren unsere Hände ineinander gelegt und spontan übereinander gestapelt." 

Wie zum Beweis holt sie ein altes zerknülltes Foto heraus, das diesen fröhlichen Moment festhält. "Diese Geste war warmherzig und hat mich tief berührt", schwärmt sie, "als hätte er mich gestreichelt. Gleichzeitig haben wir gelacht. Dabei hat er mir gefühlt in die Augen geschaut. Ein unvergesslicher, fast magischer Moment." So hat Mara diese Begegnung abgespeichert. Für sie ist der Papst "heilig und sein Leben ein Geschenk, eine Gottesgnade" gewesen. "Ein Mann von unglaublicher Ausstrahlung, der anderen durch sein Dasein Kraft und Energie vermittelt hat. Durch die Begegnung mit ihm habe ich mich als Mensch aufgewertet erlebt. Diesen Blickkontakt werde ich nie vergessen."

Picknickpause mit Weihbischof Puff unter den Kolonnaden des Petersdoms (privat)
Picknickpause mit Weihbischof Puff unter den Kolonnaden des Petersdoms / ( privat )

Norma stand wie Gerti unmittelbar an der Balustrade, als der Papst die Kölner Gruppe, die mit insgesamt über 100 Teilnehmenden aus dem ganzen Erzbistum in Bussen und Bahn angereist war, entdeckte. "Mir hat er die Hand gegeben. Allein dafür hat es sich schon gelohnt", sagt die 64-Jährige, die in einer Kirchenunterkunft für Obdachlose wohnt. Besonders gut habe ihr gefallen, dass er im Verlauf seiner Ansprache niemals von Bedürftigen und Obdachlosen gesprochen habe, sondern immer nur von "den Armen" und diese um Verzeihung gebeten habe. Schließlich gäbe es ja viele unterschiedliche Ursachen und Gründe für Armut, die oft unverschuldet sei, erklärt sie. "Als er mit uns gebetet hat, habe ich geweint."

Leonie

"Ich bin nicht gerade papstaffin und vor langer Zeit aus der Kirche ausgetreten, aber ich habe gespürt, dass er sich für das persönliche Schicksal des Einzelnen ehrlich interessiert und sich überhaupt nicht als Herrscher oder Kirchenoberhaupt inszeniert."

"Vorher, beim offiziellen Teil, hat er sogar jemanden von uns nach vorne geholt und das persönliche Gespräch gesucht", weiß Leonie noch. "Ich bin nicht gerade papstaffin und vor langer Zeit aus der Kirche ausgetreten", gesteht die 74-Jährige, die vor zwölf Jahren von Berlin nach Köln gekommen ist, früher als Kauffrau für Bürokommunikation gearbeitet hat, aber heute als wohnungslose in einem Seniorenapartment des SkF wohnt. "Aber ich habe gespürt, dass er sich für das persönliche Schicksal des Einzelnen ehrlich interessiert und sich überhaupt nicht als Herrscher oder Kirchenoberhaupt inszeniert." Ganz im Gegenteil: Er sei sehr menschlich "rübergekommen".

"Das deckte sich so gar nicht mit meinem bisherigen Bild von einem prunkvollen Papst, was mich dann aber tief beeindruckt hat und auch wesentlich dazu beiträgt, dass ich meine Einstellung geändert habe." Früher habe sie immer geglaubt, Papstaudienzen seien nur was für Promis, nichts für Obdachlose. "Aber ich war neugierig und wollte den Menschen kennenlernen, der sich als Stellvertreter Gottes bezeichnet, einmal erleben, wie er spricht." Daher habe sie sich zu dieser Pilgerreise angemeldet. Sie sei keine überzeugte Katholikin, selbst heute nicht, da sie zum Glauben zurückgefunden habe, aber eben doch Christin. Eine Reise nach Assisi vor wenigen Jahren habe wesentlich dazu beigetragen. "Auch die Begegnung mit Franziskus hat mich noch einmal bestärkt. Er war nicht von oben herab, sondern verstand sich als ein Mensch unter vielen anderen."

Quelle:
DR

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