Kirchenmusiker hofft auf Orgel-Aufschwung durch Anna Lapwood

"Akribisch auf dieses Konzert vorbereitet"

Orgelfans und Kirchenferne strömten in Scharen in den Kölner Dom, um Anna Lapwood zu hören. Was ist von diesem Phänomen zu halten? Der Organist Dominik Axtmann sieht in der Kombination von Filmmusik und Kirchenorgel vor allem Chancen.

Autor/in:
Mathias Peter
Zahllose Menschen wollten am 15. Juli 2025 die britische Organistin Anna Lapwood im Kölner Dom hören. / © Mathias Peter (DR)
Zahllose Menschen wollten am 15. Juli 2025 die britische Organistin Anna Lapwood im Kölner Dom hören. / © Mathias Peter ( DR )

DOMRADIO.DE: Rund 12.000 Menschen wollten am Dienstag vergangene Woche in den Kölner Dom, um die britische Star-Organistin Anna Lapwood zu hören. Das dürfte eine Art Weltrekord für ein Orgelkonzert in einer Kirche gewesen sein. Haben Sie eine Erklärung, warum die gute alte Pfeifenorgel auf einmal so gefragt ist?

Dominik Axtmann (Orgelpädagoge und Konzertsolist, Schriftleiter der Fachzeitschrift für katholische Kirchenmusik "Musica sacra"): Alt ist natürlich relativ, wenn man über die Orgel spricht. Im Kölner Dom ist zum Beispiel die Langhaus-Orgel aus dem Jahr 1998 also gar nicht so alt. Aber das Instrument an sich ist natürlich alt, das gibt es schon seit der Antike. 

Die Gründe für das Interesse sind, dass das Instrument faszinierend ist, sowohl in technischer als auch klanglicher Hinsicht und natürlich allein aufgrund der Standorte, also meist in Kirchen und Konzertsälen. Die üben ja meist von sich aus schon eine Faszination aus. Die Kombination aus allen Faktoren, Raum, Instrument, aber auch die Person Anna Lapwood mit ihren eher populären Programmen und natürlich der freie Eintritt, der ja vielerorts nicht selbstverständlich ist, haben dazu geführt, dass es zu diesem Ansturm gekommen ist. 

Die Schwalbennestorgel an der nördlichen Langhauswand / © Beatrice Tomasetti (DR)
Die Schwalbennestorgel an der nördlichen Langhauswand / © Beatrice Tomasetti ( DR )

DOMRADIO.DE: Die Domorgel im Kölner Dom hat mehr als 140 Register, und Anna Lapwood hat sie wirklich meisterhaft zum Klingen gebracht. Warum funktioniert Kirchenorgel und Filmmusik offenkundig so gut? 

Dominik Axtmann

"Eigentlich kann man ab einer gewissen Größe auf einer modernen Orgel alles spielen."

Axtmann: Eigentlich kann man ab einer gewissen Größe auf einer modernen Orgel alles spielen. Also, auf einer Orgel funktioniert Klassik sehr gut, es funktioniert aber auch Pop und Rock, Musical, aber eben auch Filmmusik. Und Anna Lapwood hat ganz bewusst spezielle Scores ausgewählt, die für diese Orgel und für diesen Raum gut passen, die mehrheitsfähig sind, die aber auch verschiedenste klangliche Schattierungen ermöglichen, zudem auch die großen Überwältigungsmomente haben, durch den vollen Sound der Orgel. Das hat sie sehr geschickt gemacht, und das konnten die Zuhörerinnen und Zuhörer natürlich dann auch so erfahren. 

DOMRADIO.DE: Sie sind ein klassisch ausgebildeter Kirchenmusiker.  Wie sehen Sie denn persönlich die Kombination Filmmusik und Orgel? Ist das für Sie was Spannendes oder eher etwas, womit Sie nicht so viel mit anfangen können? 

Axtmann: Ich sehe das ganz entspannt. Ich nutze eigentlich auch die gesamte Bandbreite der Musik, die man auf der jeweiligen Orgel spielen kann. Man muss natürlich bei urheberrechtlich geschützter Musik immer mit den entsprechenden Rechten aufpassen. Es ist unter Umständen mit Kosten verbunden. 

Und es ist natürlich eine Frage, in welchem Rahmen man das spielt. Ist das ein Konzert, eine Orgelvorführung oder in der Liturgie? Aber grundsätzlich passt Filmmusik, die ja für dramatische Momente für Filme komponiert worden ist, sehr gut zu diesem Instrument. 

DOMRADIO.DE: Man sah im Kölner Dom vor einer Woche die typischen Konzertgänger, aber auch Menschen, die man auch rein optisch eher nicht in einem Orgelkonzert vermuten würde. Bischöfe und Theologen sprechen ja sehr gern davon, dass die Kirche auch wieder missionarischer werden soll. War das ein Paradebeispiel dafür, wie man auch kirchenferne Menschen ansprechen kann oder war das gar zu niedrigschwellig? 

Dominik Axtmann

"Was man Anna Lapwood nicht vorwerfen kann, ist, dass sie unseriös wäre. Sie kann im professionellen Sinne wirklich Orgel spielen." 

Axtmann: Das war im Grunde schon ein Paradebeispiel, wie man auch kirchenferne Menschen ansprechen kann. Es war auch nicht niedrigschwellig, sondern es war ein seriöses Orgelkonzert. Denn was man Anna Lapwood nicht vorwerfen kann, ist, dass sie unseriös wäre. 

Sie kann im professionellen Sinne wirklich Orgel spielen. Sie hat eine professionelle Ausbildung erfahren und sie hat sich, das konnte man ja ihren Social-Media-Kanälen auch entnehmen, wirklich akribisch auf dieses Konzert vorbereitet. Sie hat sich also nächtelang Zeit genommen und hat ihre Klang-Auswahl an das Instrument angepasst. Insofern sage ich, nein, das war nicht zu niedrigschwellig. 

Tausende Menschen wollen Anna Lapwood im Kölner Dom hören. / © Mathias Peter (DR)
Tausende Menschen wollen Anna Lapwood im Kölner Dom hören. / © Mathias Peter ( DR )

DOMRADIO.DE: Vor rund 10 Jahren wurde der deutsche Geiger David Garrett sehr populär mit seiner Crossover-Musik. Da hieß es, dass deswegen mehr Kinder angefangen hätten, Violine zu spielen. Wir hören ja immer wieder, dass es zu wenige Organistinnen und Organisten gibt, dass immer weniger Menschen Kirchenmusik studieren. Haben Sie die Hoffnung, dass Anna Lapwood bei jüngeren Menschen vielleicht jetzt das Interesse für die Orgel dauerhaft steigern kann? 

Axtmann: Im besten Fall kann das tatsächlich passieren. Ich habe auch seit einigen Jahren die Erfahrung gemacht, dass Orgel wieder "cooler" wird, auch schon vor Anna Lapwood und zwar aufgrund von Social Media. Man kann dieses faszinierende, einzigartige Instrument, das ja das Instrument mit der größten Lautstärke und dem größten Tonumfang ist, natürlich wunderbar auf Social Media präsentieren, auch als Hobbymusiker. 

Und das kann schon dazu führen, dass auch Kirchenferne, Kinder und Jugendliche sagen: Das ist ja eigentlich eine faszinierende Sache. Ich mache als Hobby etwas anderes, ich hätte gern die Macht und die Power über eine so gewaltige Maschine wie die Orgel. Und dann präsentiere ich das dann meinen Freunden, unter Umständen auch mit Musik, die sie von aktuellen Pop- oder Rockmusikern kennen. 

DOMRADIO.DE: Die Kirchenchöre klagen ja generell über Mitgliederrückgang. Andererseits sind oft Kirchenkonzerte ziemlich gut besucht. Was können denn die Kirchenmusikerinnen und Kirchenmusiker aus dem Phänomen Anna Lapwood mitnehmen? Vielleicht auch mit Blick auf das eigene Engagement bei Social Media, weil da ist ja Anna Lapwood mit über eine Million Follower bei Instagram und mehr als eine Million Follower bei TikTok nun wirklich hervorragend. 

Axtmann: Natürlich kann man sehr viel lernen. Die Selbstpräsentation ist wichtig geworden. Die Breite-Werbung ist wichtig geworden. Die örtliche Tageszeitung allein reicht natürlich nicht mehr aus und reine Konzertankündigungen auch nicht. Aber es ist spannend, vom Leben eines Organisten, einer Organistin zu erfahren. 

Dominik Axtmann

"Die örtliche Tageszeitung allein reicht natürlich nicht mehr aus und reine Konzertankündigungen auch nicht."

Und wenn man das im Vorfeld präsentiert, so wie Anna Lapwood das tut, kann das auch auf einer anderen Ebene vor Ort oder auch als Hobbymusiker durchaus funktionieren. Also, man kann etwas von ihr lernen, aber natürlich ist der Arbeitsalltag eines Kirchenmusikers, einer Kirchenmusikerin dann doch auch noch mal stellenweise etwas unspektakulärer. Man muss also immer das Besondere herausstellen, um eine gewisse Reichweite auf Social Media zu erreichen.

Das Interview führte Mathias Peter.

Quelle:
DR

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