Die Spirale der Gewalt im Gazastreifen müsse beendet und das Gemeinwohl der Menschen in den Vordergrund gestellt werden, fordern prominente Kirchenführer in Jerusalem. "Wir wissen nicht genau, was vor Ort passieren wird; nicht nur für unsere Gemeinschaft, sondern für die gesamte Bevölkerung", heißt es in einer gemeinsamen Stellungnahme des Lateinischen Patriarchen von Jerusalem, Kardinal Pierbattista Pizzaballa, und seines griechisch-orthodoxen Amtsbruders, Patriarch Theophilos III., vom Dienstag.
Darin beklagen die beiden Kirchenführer das erklärte Vorhaben Israels, die Kontrolle der Stadt Gaza zu übernehmen und Hunderttausende Zivilisten in den Süden des Gazastreifens umzusiedeln. Für eine "absichtliche und gewaltsame Massenvertreibung" gebe es keine Rechtfertigung. Bereits jetzt lägen Evakuierungsbefehle für mehrere Stadtteile vor. Ferner gebe es Berichte über schwere Bombardierungen und eine massive Mobilisierung der israelischen Armee.
Drohung bereits Realität
Die Erfahrungen aus früheren Militäroperationen Israels in Gaza, zusammen mit den erklärten Absichten der israelischen Regierung und den Berichten von vor Ort zeigten, "dass die Operation nicht nur eine Drohung ist, sondern bereits Realität wird", so die Patriarchen. Es scheine, dass die Ankündigung der israelischen Regierung, dass sich "die Tore der Hölle öffnen werden", tatsächlich bereits tragische Formen annehme.
Die lateinische und die griechisch-orthodoxe Pfarrei in Gaza sind nach Worten der Patriarchen zum Zufluchtsort für Hunderte Zivilisten geworden. Darunter seien Alte, Frauen, Kinder und Menschen mit Behinderungen, von denen viele nach den Strapazen der vergangenen Monate geschwächt und unterernährt seien. Der Aufforderung zur Evakuierung nachzukommen, käme für sie "einem Todesurteil gleich". Daher hätten sich die Geistlichen und Ordensfrauen vor Ort entschieden zu bleiben.
Die Patriarchen appellierten an die internationale Gemeinschaft, "sich für ein Ende dieses sinnlosen und zerstörerischen Krieges und für die Rückkehr der Vermissten und der israelischen Geiseln einzusetzen". Die seit langem leidenden Familien auf allen Seiten müssten endlich Heilung finden.
Deutliche Kritik von Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin
Auch Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin hat sich bestürzt über die Situation in Gaza, speziell über den Angriff Israels auf das Nasser-Krankenhaus im Gazastreifen geäußert. "Wir sind entsetzt über das, was in Gaza geschieht - trotz Verurteilung durch die ganze Welt", sagte die Nummer zwei des Vatikans nach Angaben des Portals Vatican News (Dienstag). Parolin äußerte sich am Rande einer kirchlichen Veranstaltung in Neapel und sprach von einem "sinnlosen" Vorgehen. Es gebe im anhaltenden Gaza-Krieg leider keine Anzeichen für eine Lösung, die humanitäre Lage werde immer prekärer.
Nach palästinensischen Angaben wurden durch den zweifachen Beschuss am Montag mindestens 20 Menschen getötet, darunter vier medizinische Helfer und fünf Journalisten. 50 weitere Personen wurden verletzt.
Die israelische Regierung sprach von einem "tragischen Missgeschick" und kündigte eine Untersuchung an. Ein Armeesprecher versicherte, Israel greife nicht absichtlich Zivilisten an. Doch die Terrororganisation Hamas habe den Krieg begonnen und unmögliche Bedingungen geschaffen.
Der Angriff auf das Krankenhaus hatte international für Empörung gesorgt. Journalistenverbände aus aller Welt meldeten sich ebenso zu Wort wie mehrere UN-Organisationen.