Kirchen in Baden-Württemberg testen Modell für Reli-Unterricht

Erfolg trotz Gegenwind

Viel Gegenwind aus den eigenen Reihen bekamen Katholiken und Protestanten im Südwesten, als sie vor vier Jahren eine Vereinbarung für einen "konfessionell-kooperativen Religionsunterricht" unterzeichneten. Die jetzt bekannt gewordene wissenschaftliche Auswertung des ökumenischen Projekts belegt nun, dass alle Skeptiker beim Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland in Hannover und bei der Deutschen Bischofskonferenz in Bonn falsch lagen.

Autor/in:
Michael Jacquemain
 (DR)

Der abwechselnd von katholischen und evangelischen Lehrern verantwortete Modellunterricht schwächt entgegen aller Unkerufe nicht die eigene konfessionelle Identität der Schüler - sondern stärkt sie vielmehr..

Hinter dem Wortungetüm "konfessionell-kooperativer Religionsunterricht" steht die Fragestellung, wie die Kirchen langfristig mit der Situation umgehen wollen, dass die Zahl der christlichen Schüler beständig abnimmt. In manchen Grundschulen vor allem in Ballungsräumen bilden schon heute alle christlichen Kinder gemeinsam nur noch eine Minderheit. Gleichzeitig wollen Protestanten und Katholiken aber auch künftig von ihrem grundgesetzlich verbrieften Recht Gebrauch machen, an öffentlichen Schulen Religionsunterricht zu erteilen.

Schwerpunkte waren Grundschulen und Hauptschulen
2005 beschlossen deshalb Badener und Württemberger, Katholiken und Protestanten ihr Modellprojekt: Auf Antrag der Schulleitung und nur mit der Zustimmung aller beteiligten Lehrer wurde der Religionsunterricht in einem Jahr von einem katholischen und im nächsten Jahr von einem evangelischen Pädagogen erteilt. Die Lehrer mussten sich wegen der gestiegenen Anforderungen zur Fortbildung verpflichten und mit einer wissenschaftlichen Analyse ihres Unterrichts einverstanden erklären. Die Noten erteilten die Pädagogen in Absprache. Als Unterrichtsziel formulierten die Kirchen ein "vertieftes Bewusstsein der eigenen Konfession" bei gleichzeitiger "ökumenischer Offenheit". Insgesamt nahmen rund drei Prozent der Jungen und Mädchen in Baden-Württemberg an dem Projekt teil: Schwerpunkte waren Grundschulen sowie die fünften und sechsten Klassen von Hauptschulen.

Bei der Auswertung gaben nun 48 Prozent der Lehrer an, dass der Unterricht das Besondere der eigenen Konfession stark oder sehr stark deutlich gemacht habe und die eigene konfessionelle Prägung bewusster geworden sei. Gleichzeitig stieg bei mehr als einem Drittel in hohem oder sehr hohem Maß die Offenheit für ökumenische Gedanken. Mehr als drei Viertel der Pädagogen empfanden die Erfahrung im evangelisch-katholischen Team als persönliche Bereicherung. Gleichzeitig zeigte sich, dass die universitäre Ausbildung der Theologen beider Konfessionen in Sachen Ökumene verbessert werden muss. In der Deutlichkeit sehr überraschend war das Ergebnis, dass sich die Jungen und Mädchen, die nicht die Konfession des Lehrers hatten, als Experten ihrer eigenen Glaubensrichtung sehr rege am Unterricht beteiligten.

Mehr Wissen über sich und andere
Schülerinterviews ergaben laut der Analyse der beiden evangelischen und der zwei katholischen Wissenschaftler, dass man den Zielen des KRU "sehr nahe kommt". Eine Vergleichsbefragung von Schülern aus den Modellschulen mit Schülern, die regulären Religionsunterricht haben, belegt, dass der neue Unterricht zu mehr religiösen und theologisch differenzierteren Antworten führt. So kennen die Modellschüler die Unterschiede zwischen Protestantismus und Katholizismus besser als ihre Altersgenossen, und schätzen die Verschiedenheit zugleich als geringer ein. KRU, so die Erkenntnis, transportiert also mehr Wissen über sich und andere.

In Baden-Württemberg soll das Modellprojekt daher fortgesetzt werden. Die entsprechende Rahmenvereinbarung bleibt unberührt, auch wenn an einigen Stellen die Schrauben doch angezogen werden: Künftig wechselt in jeder Klasse der Religionslehrer schon nach dem Halbjahrszeugnis; ab dem neuen Schuljahr ist auch die Zustimmung der Eltern zum KRU notwendig. Und: Auch auf (kirchen-)politischer Ebene muss noch um mehr Zustimmung geworben werden.