Interview zum neuem Modell für Religionsunterricht

"Besser als erwartet"

In Baden und Württemberg haben Katholiken und Protestanten 2005 eine Vereinbarung für einen "konfessionell-kooperativen Religionsunterrichts" unterzeichnet. Demnach besuchen katholische und evangelische Schüler erstmals einen gemeinsamen Unterricht, der abwechselnd von einem katholischen und evangelischen Lehrer gestaltet wird. Zu den Ergebnissen der wissenschaftlichen Analyse dieses bundesweiten Modellprojekts äußerte sich am Freitag in einem Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) die für Schulfragen zuständige Rottenburg-Stuttgarter Ordinariatsrätin Magdalena Seeliger.

Autor/in:
Michael Jacquemain
 (DR)

KNA: Frau Seeliger, was hat Katholiken und Protestanten in Baden und Württemberg veranlasst, das Projekt eines konfessionell-kooperativen Religionsunterrichts ins Leben zu rufen?
Seeliger: Zweierlei: Dort, wo ein Junge oder ein Mädchen zu einer konfessionellen Minderheit gehört, nimmt er oder sie normalerweise mit einem Gaststatus am Religionsunterricht der anderen Konfession teil. Das kann bedeuten, dass ein Schüler nie den Religionsunterricht der eigenen Konfession besucht. Dadurch wird ihm die eigene Kirche fremd. Und zweitens gibt es in den ersten beiden Klassen zunehmend so wenig Christen, dass die Kirchen keinen Religionsunterricht anbieten können, wie ihn das Grundgesetz vorsieht. Zusammengenommen würde die Zahl der christlichen Schüler aber oft reichen. Dafür müssen beide Kirchen zusammen einen Weg finden, um das profiliert zu tun.

KNA: Wie bewerten Sie die Ergebnisse der wissenschaftliche Analyse über den konfessionell-kooperativen Religionsunterrichts?
Seeliger: Die Ergebnis sind besser als erwartet. Trotz einiger Mehrarbeit fanden die meisten Religionslehrer die Zusammenarbeit mit ihren Kollegen scheinbar sehr beflügelnd. Die Schüler haben sich interessanterweise gerade dann für ihren eigenen Glauben interessiert, wenn der Lehrer der anderen Konfession angehörte und sie sich in der Rolle des Experten in eigener Sache sahen. Schüler und Lehrer haben bei dem Projekt gemeinsam entdeckt, wie wichtig ihnen ihre eigene Konfession und ihre eigene Überzeugung ist. Das führte nicht zum Streit, sondern zur Anerkennung des Andersseins des anderen. Ein weiterer interessanter Punkt: Die Schulleitungen erlebten die Religionslehrer als Vorreiter für Kooperationen.

KNA: Wo sehen Sie noch Veränderungsbedarf?
Seeliger: Zwar haben sich die Lehrkräfte selbst als sehr ökumenisch gesonnen empfunden, aber trotzdem muss die Sensibilität für den anderen noch zunehmen. Mehr Fortbildung ist also notwendig. Und in der Grundschulen haben wir die Erfahrung gemacht, dass es sinnvoller ist, die Pädagogen schon nach einem halben Jahr und nicht erst nach einem Jahr zu wechseln. Dies wird deshalb bereits ab dem neuen Schuljahr geändert.

KNA: Wie schätzen Sie die kirchenpolitischen Großwetterlage zu dem Projekt ein?
Seeliger: Bundesweit betrachtet wird es künftig immer weniger ausreichen, sich beim Thema Religionsunterricht auf Rechtspositionen zurückzuziehen. Für einige wird das ein mühsamer Lernprozess sein.
Der Untersuchungsbericht der vier Forscher - natürlich zwei Katholiken und zwei Protestanten - wird in einigen Wochen für jedermann in Buchform nachlesbar sein. Es lohnt sich, das sorgfältig zu tun.