kfd-Vize kritisiert Neujahrs-Predigt von Papst Franziskus

"Es braucht Partizipation!"

Papst Franziskus will weniger Raum für Machtdenken in der Kirche. In seiner Neujahrs-Predigt forderte er daher mehr Weiblichkeit. Für kfd-Vizevorsitzende Agnes Wuckelt klingt das paternalistisch. Die kfd fordere mehr Macht für Frauen.

Papst Franziskus begrüßt Frauen im Vatikan / © Paul Haring (KNA)
Papst Franziskus begrüßt Frauen im Vatikan / © Paul Haring ( KNA )

DOMRADIO.DE: Die Kirche brauche Maria, um wieder weiblicher zu werden, hat der Papst gesagt. Manch eine oder einer wird sich gefragt haben: Wieso denn eigentlich wieder weiblicher? War die katholische Kirche denn jemals wirklich weiblich? 

Agnes Wuckelt / © Kay Herschelmann (kfd)
Agnes Wuckelt / © Kay Herschelmann ( kfd )

Agnes Wuckelt (stellvertretende Bundesvorsitzende der kfd): Es kommt natürlich immer auf die Perspektive an. Wenn wir in die Kirchenräume und in die Gottesdienste schauen, dann bilden Frauen dort oft die Mehrheit. 

Aber ich glaube, der Papst meint etwas anderes, nämlich die Männerkirche, an der er ja immer wieder selbst auch Kritik übt. Es stellt sich dann die Frage, wer ist hier eigentlich Adressat? Wer muss warum weiblich werden? 

Agnes Wuckelt

 "Es klingt paternalistisch."

Und die andere Frage, die dann noch tiefer geht, ist: Was meint er denn eigentlich mit weiblich? Da wird er in seiner Neujahrsansprache beim Angelusgebet ja schon deutlich: weiblich sein heißt Schweigen. Weiblich sein heißt zurücktreten. Weiblich sein heißt demütig sein. Weiblich sein heißt, nicht nach Macht zu streben. Weiblich sein heißt zärtlich sein. 

DOMRADIO.DE: Ich fürchte so ein bisschen, dass sich das nicht deckt mit den Ideen, die Sie haben. Denn die katholische Frauengemeinschaft Deutschlands fordert ja schon lange mehr Raum für Frauen in der katholischen Kirche. 

Wuckelt: Es ist immer alles sehr schwierig zu beurteilen. Auf den ersten Blick kann man natürlich sagen: Ja, der Papst hat recht und arbeitet ja auch in dieser Hinsicht dagegen. Er besetzt ja jetzt auch hohe Posten im Vatikan mit Frauen und gibt ihnen Raum. 

Ich denke, was wir als erstes hier doch sehen müssen: Es klingt paternalistisch. Frauen muss Raum gegeben werden. Es ist eine großzügige Geste, die wir, denke ich, nicht brauchen und auf die wir letztendlich auch nicht mehr warten. 

Papst Franziskus im Petersdom / © Vatican Media/ Romano Siciliani (KNA)
Papst Franziskus im Petersdom / © Vatican Media/ Romano Siciliani ( KNA )

Frauen Raum geben ist aus seiner Sicht auch etwas, das etwas von einer sehr dualistischen Sichtweise hat. Das heißt, er hat, um es kurz zu sagen, einen Raum für Männer, die Kleriker werden können und die Macht haben – und er hat einen Raum für Frauen, die nicht Kleriker werden können und die keine Macht haben. 

Der Papst versucht nun eine Balance zwischen diesen beiden Räumen herzustellen.

DOMRADIO.DE: Der Papst spricht sich nicht für den Zugang aller zu allen Ämtern aus. Davon will Franziskus nichts wissen, anders als Sie es fordern. Diese Worte, die er da gewählt hat, diese Pastoral der Fürsorge, Geduld und des mütterlichen Mutes zu praktizieren: Wie passt die Realität dazu?

Wuckelt: Zum einen wäre es ganz schlimm, wenn Männer, die in der Pastoral tätig sind, nicht fürsorglich, geduldig und mütterlich wären. Das Problem ist, dass der Papst tatsächlich ein Frauenbild hat, in dem Maria als Ideal angesehen wird. 

Er sagt, Maria hätte – so hat es auch Johannes Paul II. schon gesagt – nie das Priesteramt inne gehabt, Maria wäre immer hinter ihrem Sohn gegangen. Sie wäre nie vor ihm, ja nicht einmal neben ihrem Sohn gegangen.

Agnes Wuckelt

"Ich weiß nicht, ob der Papst das für sich wirklich so klar und scharf trennt oder ob er nicht einfach hier einem Frauenbild erlegen ist, das mit unserer Realität heute überhaupt nichts mehr zu tun hat." 

Damit wird für uns Frauen dann ein Raum gesucht, der genau neben oder hinter denjenigen ist, die männlich sind und die Kleriker werden können. 

Ich weiß nicht, ob der Papst das für sich wirklich so klar und scharf trennt oder ob er nicht einfach hier einem Frauenbild erlegen ist, das mit unserer Realität heute überhaupt nichts mehr zu tun hat. 

DOMRADIO.DE: Jetzt hat Franziskus außerdem die Bedeutung der Frauen für den Frieden in der Welt betont. Das ist jetzt wiederum etwas, von dem ich mir denken könnte: Da stimmen Sie zu? 

Wuckelt: Ja, insofern, als ja erwiesen ist, dass überall da, wo Frauen im Friedensprozess und Friedensverhandlungen – zwar immer mit sehr geringer Zahl – beteiligt sind, es nachhaltigere und effektivere Ergebnisse gibt. 

Insofern müsste der Papst sich deutlich mehr dafür einsetzen, dass in allen Friedensverhandlungen weltweit und auf allen Ebenen Frauen einbezogen werden. Andererseits müsste man dann sein Frauenbild noch einmal anschauen. Er meint ja, dass genau dieses liebevolle Schweigen einen Weg zum Frieden darstellt. 

Wenn wir aber auf das Wirken von Frauen schauen, dann kann es nicht nur das liebevolle Schweigen sein, sondern dann braucht es Partizipation, dann braucht es Führungsmöglichkeiten, dann braucht es Schulungen, dann braucht es ein Mitwirken im politischen Geschäft. 

DOMRADIO.DE: Denn Gehör will sich verschafft werden. Jetzt ist das Jahr noch ganz jung, da darf man noch Wünsche formulieren. Was würden denn Sie sich als nächsten Schritt für die Frauen in der katholischen Kirche wünschen? 

Wuckelt: Auf jeden Fall nicht schweigen, nicht demütig in der zweiten Reihe bleiben oder eventuell sogar zurücktreten, sondern sich Raum nehmen. Selbstbewusst und solidarisch sich auf den Weg machen, vernetzt, gegenseitig gestärkt. 

Was ich mir wünsche, ist, dass wir uns als Frauen selbst und alle anderen beim Wort nehmen, die Veränderungen als notwendig für den Bestand unserer Kirche erachten. Ohne solche Veränderungen geht es nicht. 

Das Interview führte Uta Vorbrodt.

Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd)

Die Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd) ist mit rund 265.000 Mitgliedern der größte katholische Frauenverband und einer der größten Frauenverbände Deutschlands. Wir machen uns stark für die Interessen von Frauen in Kirche, Politik und Gesellschaft und setzen uns für ihre Rechte ein.

Die kfd ist eine Gemeinschaft, die trägt und in der sich Frauen in vielfältigen Lebenssituationen gegenseitig unterstützen. Sie ist der Frauenort in der Kirche, offen für Suchende und Fragende.  

Ein Plakat der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd) / © Julia Steinbrecht (KNA)
Ein Plakat der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd) / © Julia Steinbrecht ( KNA )
Quelle:
DR