kfd veröffentlicht Positionspapier zu Selbstbestimmung

"Nein zu Gewalt, Ja zur Selbstbestimmung"

Eine Umfrage in Deutschland besagt, dass ein Drittel aller Männer Gewalt gegen Frauen akzeptabel findet. Es gibt jedoch Zweifel an ihrer Repräsentativität. Die mediale Aufmerksamkeit sei allerdings wichtig, findet Agnes Wuckelt.

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DOMRADIO.DE: Wie war das für Sie, als Sie von der Studie gehört haben?

Agnes Wuckelt / © Kay Herschelmann   (kfd)
Agnes Wuckelt / © Kay Herschelmann ( kfd )

Prof. Dr. Agnes Wuckelt (Stellvertretende Bundesvorsitzende der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands / kfd): Sie hat uns erstmal erschüttert. Andererseits haben wir uns auch gefragt, ob sie überhaupt repräsentativ ist. Gestern gab es auch Berichte über sogenanntes "Cat Calling". Das besagt ja, dass Frauen auf der Straße angemacht und runtergezogen werden. Das ist auch verbale Gewalt gegen Frauen. Das hat mich zum Nachdenken gebracht.

Wir können nachlesen, dass jeden Tag ziemlich viele Frauen getötet werden, auch im häuslichen Kontext. Selbst wenn die Studie nicht repräsentativ ist, können die Ergebnisse nicht klar abgelehnt werden.

Insofern erinnert sie uns daran, dass im Alltag immer wieder Gewalt an Frauen verübt wird. Wir sollten darüber nachdenken und nach Wegen suchen, wie man aus dieser Spirale rauskommen kann.

DOMRADIO.DE: Von welcher Art von Gewalt sind Frauen heute bedroht?

Wuckelt: Das geht von verbaler, häuslicher und sexualisierter Gewalt bis hin zu Mord. Sexualisierte Gewalt reicht auch von verbalen Angriffen bis hin zu körperlichen Angriffen. Vergewaltigung werden häufig von Angriffen und auch von körperlicher Gewalt begleitet, die das Frausein und das Aussehen betreffen. Das gesamte Spektrum wird abgedeckt.

Agnes Wuckelt

"Prostitution wird bei uns immer in eine Tabuzone geschoben."

DOMRADIO.DE: Sie haben gerade ein Positionspapier mit dem Titel "Nein zu Gewalt, Ja zur Selbstbestimmung" veröffentlicht und Sie nehmen sich den Bereich Sexarbeit und Prostitution vor. Warum ist das aus Ihrer Sicht nötig?

Wuckelt: Prostitution und Sexarbeit wird bei uns immer wieder in eine Tabuzone geschoben. Wir haben auch bei uns innerhalb des Verbandes während der Genese des Positionspapiers gemerkt, dass sich viele Frauen mit dem Thema sehr schwer tun. Viele, die religiös sozialisiert sind, wollen mit dem Thema Prostitution nur bedingt oder am liebsten gar nichts zu tun haben.

Auch städteplanerisch gibt es Anzeichen für diese gesellschaftliche Einstellung. Prostitution wird häufig in bestimmte Bezirke oder an den Rand der Stadt verlegt, wo die "ordentlichen" Männer und Frauen gar nicht hingehen müssen.

Es sind dort bis zu 80 Prozent Frauen, die in der Prostitution und in der Sexarbeit tätig sind und dort auch diskriminiert werden. Sie sind in dieser Tabuzone.

Wir als Frauenverband halten es für wichtig, dass dieses Dunkelfeld, dass natürlich auch Grauzonen aufweist, beleuchtet wird. Wir möchten, dass den Frauen, die dort unter Zwang arbeiten müssen und in einer ganz schrecklichen Lebenssituation stecken, Gerechtigkeit widerfährt. Und wir möchten natürlich auch, dass denen Gerechtigkeit widerfährt, die dort selbstbestimmt arbeiten.

Agnes Wuckelt

"Wir stehen an der Seite derer, die in einem Bordell ausgebeutet werden und deren Leben ein unwürdiges Dasein fristet."

DOMRADIO.DE: Sie fordern ein Selbstbestimmungsrecht für die Frauen. Was gehört alles dazu?

Wuckelt: Selbstbestimmung ist aus unserer Perspektive und auch generell im ethischen Kontext betrachtet dann gegeben, wenn eine Person die Freiheit hat, ihr Leben selber zu gestalten und "Ja" oder "Nein" zu sagen.

Das schließt natürlich ein, dass man sich irren kann. Das Gefühl der Liebe kann ja dazu führen, dass ich mich selbst ganz und gar einer anderen Person hingebe und auch der Gewalt einer anderen Person hingebe. Ich glaube, Frauen und Männer tun manchmal etwas aus Liebe, was ihnen überhaupt nicht gut tut.

DOMRADIO.DE: Was fordern Sie von Kirche und Politik?

Wuckelt: In Deutschland ist die Prostitution durch das Prostituiertenschutzgesetz legalisiert. Wir fordern die Politik auf, dass sie qua Gesetz eine gute Arbeitssituation und Freiheit dieses Berufes sichergestellt wird. Prostitution und Sexarbeit muss enttabuisiert werden. Die Menschen, die mit diesen Frauen zu tun haben, sei es die Polizei, seien es Menschen von den Behörden, aus der Gesundheitsvorsorge, etc, müssen mit den Frauen respektvoll umgehen.

Wir fordern außerdem, dass in der Politik präventiv gearbeitet wird, dass diese Frauen eine Schutzzone bekommen, wenn sie ihrer Situation entkommen wollen. Es muss ein Bewusstsein für die Lebenssituation dieser Frauen entstehen.

Wir stehen zum einen an der Seite der Frauen, die vielleicht mit 16 Jahren nach Deutschland geschleust werden, um dort in einem Bordell ausgebeutet und unterdrückt zu werden, und deren Leben ein unwürdiges Dasein fristet.

Wir stehen aber auch auf der Seite der Frauen, die diesen Beruf selbstbestimmt gewählt haben, die ihn freiwillig machen und denen der Beruf auch Spaß macht.

Das Interview führte Katharina Geiger.

Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd)

Die Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd) ist mit rund 265.000 Mitgliedern der größte katholische Frauenverband und einer der größten Frauenverbände Deutschlands. Wir machen uns stark für die Interessen von Frauen in Kirche, Politik und Gesellschaft und setzen uns für ihre Rechte ein.

Die kfd ist eine Gemeinschaft, die trägt und in der sich Frauen in vielfältigen Lebenssituationen gegenseitig unterstützen. Sie ist der Frauenort in der Kirche, offen für Suchende und Fragende.  

Ein Plakat der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd) / © Julia Steinbrecht (KNA)
Ein Plakat der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd) / © Julia Steinbrecht ( KNA )
Quelle:
DR