Katholisches Büro warnt vor Neuverhandlung der Konkordate

"Ein uraltes Privileg"

Sind die Verträge des Vatikans mit den Bundesländern noch zeitgemäß? Bräuchte es mehr Mitbestimmung bei Bischofswahlen? Der Leiter des Katholischen Büros NRW erläutert die Hintergründe der Verträge und warnt vor voreiligen Schritten.

Mann hält Holzkreuz in der Hand / © PUWADON SANG (shutterstock)
Mann hält Holzkreuz in der Hand / © PUWADON SANG ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Warum gibt es Konkordate, Verträge der deutschen Bundesländer mit dem Vatikan?

Stichwort: Konkordat

Konkordat (lateinisch für Vereinbarung) nennt man ein völkerrechtliches Abkommen zwischen dem Heiligen Stuhl als oberster Instanz der katholischen Kirche und einem Staat. In den modernen Staatskirchenverträgen zwischen dem Heiligen Stuhl und den deutschen Ländern werden unter anderem Religionsunterricht, Theologische Fakultäten und die Priesterausbildung, die Kirchensteuer, das Verfahren der Bischofsernennungen und die Militärseelsorge geregelt.

80 Jahre Reichskonkordat (KNA)
80 Jahre Reichskonkordat / ( KNA )
Antonius Hamers / © Nicole Cronauge (Katholisches Büro NRW)

Dr. Antonius Hamers (Katholisches Büro NRW): Konkordate sind Verträge zwischen dem Heiligen Stuhl und Staaten, um das Verhältnis zwischen Staat und Kirche zu regeln. Das Preußen-Konkordat von 1929 hat nach wie vor eine große Relevanz für das Verhältnis von Kirche und Staat in den Bundesländern, die zum ehemaligen Preußen gehören. Das ist nicht nur Nordrhein-Westfalen, das sind auch zum Beispiel Rheinland-Pfalz, Hessen, Niedersachsen und einige ostdeutsche Länder. Besondere Bedeutung hat das Preußen-Konkordat für zwei Bereiche: die Bischofswahl und die katholische Theologie an staatlichen Hochschulen. In den ehemals preußischen Diözesen wählt das Domkapitel aus einer Dreierliste des Papstes den Bischof. Das zweite ist der Hochschulbereich: Das Konkordat regelt die Ausbildung von Geistlichen, die ein Hochschulstudium absolvieren müssen, und garantiert dafür katholisch-theologische Fakultäten an staatlichen Universitäten wie in Bonn oder Münster.  

Antonius Hamers

"Konkordate sind Verträge zwischen dem Heiligen Stuhl und Staaten"

Hintergrund ist das Interesse des Staates an akademisch gut ausgebildeten Religionsdienern. Weil die Kirche eine gesellschaftliche Bedeutung hat, ist es wichtig, dass diejenigen, die in der Kirche Verantwortung tragen, eine gute, qualifizierte Ausbildung haben, weil sie zumindest indirekt auch in der Gesellschaft eine Rolle spielen.

DOMRADIO.DE: Wie unterscheidet sich das denn zu den anderen Verträgen auf dem deutschen Gebiet, also dem Bayerischen Konkordat oder dem Badischen Konkordat?

Hamers: Im Bayerischen Konkordat ist der große Unterschied, dass es in den bayerischen Diözesen keine Bischofswahl durch das Domkapitel gibt. Dort ist der Papst frei darin, wen er zum Bischof ernennt. Nach dem Badischen Konkordat wählt – wie im Preußischen Konkordat – das Domkapitel den Bischof. In dem anderen Punkt, der Hochschulfrage, sind alle drei Konkordate gleich. In allen drei Konkordaten spielt die Hochschule eine wichtige Rolle. Der Staat hält theologische Fakultäten an staatlichen Universitäten vor, weil er ein Interesse an gut ausgebildeten Geistlichen hat – im Blick auf die gesellschaftliche Relevanz der Religion.

DOMRADIO.DE: Ist das überhaupt angebracht sich heute an über hundert Jahre alte Verträge zu halten? Ist das nicht längst überholt?

Hamers: Nicht alles, was sich in der vergangenen Jahrzehnten bewährt hat, ist überholt. Konkordate sind die vertragliche Grundlage für eine verbindliche rechtliche Beziehung zwischen Staat und Kirche. Sie regeln Bereiche von beiderseitigem Interesse, wie z. B. der Bildungsbereich, und vermeiden Konflikte. Zudem unterstreichen sie, dass wir als Kirche – auch wenn wir zahlenmäßig geringer werden – eine gesellschaftliche Relevanz und Verpflichtung haben. Wir geben der Gesellschaft wichtige Impulse, und wir empfangen von der Gesellschaft wichtige Impulse. Da ist es wichtig, dass wir zum Beispiel  im wissenschaftlichen Bereich auf der Höhe der Zeit sind und dass die Theologie im Austausch mit anderen Wissenschaften ist. Es ist ein großer Vorteil, dass es zugleich im Interesse des Staates ist, theologische Fakultäten und Institute an staatlichen Universitäten zu unterhalten.

Das betrifft übrigens auch andere Religionen, wie wir derzeit an der Diskussion um die Imamausbildung sehen. Das ist keine Privilegierung der Kirchen – auch jüdische Rabbiner studieren  an staatlichen Universitäten. Auch wenn manche es nicht wahrhaben wollen: Wir sind nach wie vor eine große, gesellschaftlich relevante Gruppe. Wenn wir weiterhin eine öffentliche  Rolle spielen wollen, tun wir gut daran, unsere Verantwortungsträger gut auszubilden, damit sie sich an staatlichen Maßstäben messen zu lassen können.

Antonius Hamers

"Wenn wir weiterhin eine öffentliche  Rolle spielen wollen, tun wir gut daran, unsere Verantwortungsträger gut auszubilden, damit sie sich an staatlichen Maßstäben messen zu lassen können."

DOMRADIO.DE: Bei der Frage der Bischofswahl gibt es die Bestrebungen Laien stärker einzubinden, was nach dem Konkordat ja nicht möglich ist. Könnte man die Konkordate nicht mit dem Vatikan neu verhandeln?

Hamers: Zu überlegen, wie man die Gläubigen an der Vorbereitung der Wahl und der Aufstellung der Listen beteiligen kann, ist sicherlich gut und richtig. Vor Bestrebungen, das Konkordat an dieser oder auch an anderen Stellen aufzumachen bzw. zur Verhandlung zu stellen, kann ich jedoch nur warnen. Das Wahlrecht der Domkapitel ist ein Sonderrecht, das bis in die alte Reichskirche, also bis ins Mittelalter, zurückreicht. Es ist also ein uraltes Privileg, das durchgetragen worden ist bis ins 20. Jahrhundert. Es ist eine Ausnahme von der Regel. Es gibt lediglich noch ein paar wenige Diözesen in der Schweiz und das Erzbistum Salzburg in Österreich, die ein ähnliches Privileg haben. Wenn man dieses Recht zur Diskussion stellt, besteht die Gefahr, dass das Wahlrecht eher eingeschränkt als ausgeweitet wird. Zudem sind Konkordate hochkomplex, und ich kann nur dringend davon abraten, einzelne Regeln wie bei der Bischofswahl oder in anderen Bereichen in Frage zu stellen. Zumal an einer Änderung des Preußenkonkordates alle Bundesländer und alle Bistümer auf dem ehemals preußischen Gebiet beteiligt werden müssten.

Antonius Hamers

"Ich kann nur dringend davon abraten, einzelne Regeln wie bei der Bischofswahl oder in anderen Bereichen in Frage zu stellen"

Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.

Quelle:
DR