Katholischer Pfarrer in Ägypten zum Streit um Jerusalem

"Eine Vernachlässigung des gesamten Islams"

Eine ganze Region ist in Unruhe: Erst erkennt US-Präsident Trump Jerusalem als Hauptstadt Israels an, dann rufen die islamischen Staaten im Gegenzug Ost-Jerusalem als Haupstadt Palästinas aus. Ein katholischer Blick aus Ägypten.

Jerusalem-Konflikt  / © Oren Ziv (dpa)
Jerusalem-Konflikt / © Oren Ziv ( dpa )

DOMRADIO.DE: Die 57 Staaten der Organisation für Islamische Kooperation (OIC) haben Ost-Jerusalem als Hauptstadt Palästinas ausgerufen – als Reaktion auf Donald Trumps Vorgehen. Was soll das, was steckt dahinter?

Monsignore Joachim Schroedel (Katholischer Pfarrer in Ägypten): Man muss erst einmal wissen, dass Jerusalem - nach Mekka und Medina - für den Islam die drittheiligste Stadt ist. Aus dem arabischen Sprachgebrauch übersetzt bedeutet Jerusalem "Die Heilige". Für einen Muslim ist Jerusalem mehr als nur irgendein Ort auf dieser Welt. Es ist dem Koran nach ein Ort, zu dem Mohammad gereist ist, zur weitentfernten Stadt. Für einen Muslim ist das religiös gesehen ein ganz wichtiger und zentraler Punkt. Dass dann diese Reaktion erfolgen musste, hatte ich mir schon gedacht: Sie werden jetzt irgendetwas unternehmen und im Gegenzug sagen "Jerusalem ist unsere Hauptstadt, die Hauptstadt Palästinas". Und jetzt stehen einige dutzend Staaten hinter dieser Idee und das ist sehr bemerkenswert.

DOMRADIO.DE: Die Palästinenser-Organisation Hamas hat zur "Intifada" - zum Volksaufstand - der Palästinenser gegen Israel aufgerufen. Trotz einiger Ausschreitungen ist es aber verhältnismäßig friedlich geblieben. Woran liegt das?

Schroedel: Es ist nichts Neues, dass Israel behauptet, es hätte die gesamte Stadt Jerusalem als Hauptstadt. Ganz neu ist nur, dass ein US-amerikanischer Präsident in dieser Weise diese Stadt zur Hauptstadt erklärt. Ein ganz wichtiger Verbündeter Israels macht hier einen Schritt, der für die Israelis nicht zu unterschätzen ist. Genauso bedeutet das für die Muslime und für die Palästinenser einen Schlag gegen ihre Idee und Hoffnung, dass wenigstens die Altstadt Jerusalems die symbolische Hauptstadt Palästinas werden kann.

Ich kann mich gut erinnern, dass das Verhältnis zwischen Israel und den Palästinensern vor einigen Jahren noch besser war als heute. Damals hat man geschaut, dass Abu Dis - eine Stadt in den palästinensischen Gebieten - der Sitz der Regierung hätte sein sollen; und im Wohnzimmer des damaligen Regierungschefs hätte man den Blick auf den Felsendom von Jerusalem - auf die Altstadt - gehabt. Das war die Idee, die die Palästinenser erwogen haben. Das wurde vom US-amerikanischen Präsidenten mit keinem Wort erwähnt. Das bedeutet eine Vernachlässigung des gesamten Islams. 

DOMRADIO.DE: Gibt es denn eine Idee, wie Israel und Palästina aus dieser Lage herauskommen?

Schroedel: Es hat sich verbal einiges geändert durch Trumps Vorpreschen. Es ist aber nicht so, dass die Weltgemeinschaft hinter Trump steht. Ich gehe auch nicht davon aus, dass die gesamte Staatengemeinschaft Europas das gleiche machen wird. Es bleibt bei sehr viel Geklapper mit Worten - das macht Trump ja gerne. Wirklich ändern wird sich an der Lage nur, dass die USA als Vermittler zwischen Palästinensern und Israels ausscheidet.

Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.


Quelle:
DR