Katholische Unternehmer fordern AKW-Laufzeitverlängerung

Alles andere wäre "kaltherzig"

Mit Atomkraftwerken durch den nächsten Winter? Trotz Risiken spricht sich auch der Bund Katholischer Unternehmer für verlängerte Laufzeiten aus. Man könne die Risiken nicht einfach wegwischen und müsse es als Übergang sehen.

Atomkraftwerk in Deutschland / © Travelpixs (shutterstock)
Atomkraftwerk in Deutschland / © Travelpixs ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Sie halten es für wirtschaftlich unvernünftig, wenn die letzten AKWs nach Weihnachten wirklich vom Netz gehen. Warum?

Ulrich Hemel (Bundesvorsitzender "Bund Katholischer Unternehmer")Wir haben heute noch zwölf Prozent des Stroms, der aus Gas stammt. Das heißt, wir nutzen eine fossile Energie wie das Gas, um daraus Strom zu erzeugen. Das steigert den CO2 Gehalt in der Luft und wir wissen ganz genau, dass es eine wesentliche Ursache für das Thema Klimakrise/Klimawandel ist.

Ulrich Hemel, BKU-Vorsitzender / © Harald Oppitz (KNA)
Ulrich Hemel, BKU-Vorsitzender / © Harald Oppitz ( KNA )

Allein von daher ist es vernünftig, den sechs Prozent-Anteil am Strom, der jetzt laufenden Atomkraftwerke noch weiter zu nutzen. Mindestens für diese Übergangszeit bis zum Ende des nächsten Winters.

DOMRADIO.DE: Jetzt sagt aber eine ganze Reihe von Experten. dass die Laufzeitverlängerungen riskant sind, aber gar nicht so viel bringen. Spielen solche Bedenken gar keine Rolle für Sie?

Hemel: Die Bedenken spielen immer eine Rolle, weil wir ja in einem großen gesellschaftlichen Austausch sind. Wir sprechen auch tatsächlich von wenigen Monaten, denn ansonsten müsste ja technisch doch einiges noch bereitgestellt werden. Die Betreiber haben sich ja eingestellt auf ein Ende der Laufzeit. Insofern ist mehr als einige wenige Monate gar nicht möglich.

Bund Katholischer Unternehmer

Dem 1949 gegründeten Bund Katholischer Unternehmer e.V. (BKU) gehören mehr als 1.100 Inhaber-Unternehmer, Selbstständige und leitende Angestellte an.

Der BKU ist in 34 Diözesangruppen gegliedert. In den Arbeitskreisen des Verbandes entstehen innovative Konzepte zur Wirtschafts- und Sozialpolitik und zur werteorientierten Führung.

Der BKU wirkt als Schnittstelle zwischen Wirtschaft, Kirche und Politik. (BKU)

Geschäftsfrau am Schreibtisch / © Natee Meepian (shutterstock)
Geschäftsfrau am Schreibtisch / © Natee Meepian ( shutterstock )

Aber wir sollten ja nicht vergessen, dass die Atomkraftwerke einen CO2-Ausstoß von Null haben. Wir haben weltweit, das ist natürlich auch ein Grund zur Besorgnis, 450 Atomkraftwerke. Die Werke, die wir in Deutschland haben, sind eher überdurchschnittlich sicher.

Von daher halte ich bei Abwägung aller Risiken und Chancen die Chancen hier für wichtiger. Zumal wir einfach nicht verkennen können, dass Gas ein fossiler Energieträger ist und uns mit CO2 belasten wird.

DOMRADIO.DE: Sie gehen sogar noch einen Schritt weiter und sagen, die Atomkraftwerke gerade wie geplant vom Netz zu nehmen sei kaltherzig. Können Sie uns das erklären?

Hemel: Ja, das ist natürlich ein Wortspiel. Wir haben eine Arbeitsgruppe "Nachhaltigkeit", die sich damit beschäftigt. Atomkraftwerke wurden entgegen der Meinung vieler Menschen in Deutschland vor kurzem von der Europäischen Union als eine ESG-Anlage, das heißt eine umweltfreundliche Finanzanlagen, angesehen.

Das Wort kaltherzig bezieht sich darauf, dass Menschen natürlich letzten Endes nicht frieren sollten und dass wir zusehen müssen als Gesellschaft, wie wir über diesen Winter kommen.

DOMRADIO.DE: In der Ampel sind die Grünen die zweitstärkste Kraft. Die haben viele Leute eben auch deswegen gewählt, weil sie sich einen klaren Anti-Atomkraftkurs wünschen. Wäre dann ein Kurswechsel jetzt nicht auch ein Betrug am Wählerwillen?

Hemel: Der Wählerwille bildet sich für die Wahl und der Wählerwille bezieht sich darauf, dass Menschen gewählt werden in ein Amt, die dann verantwortlich in einer konkreten Situation entscheiden. Das sehen wir auch und erkennen es auch durchaus an in der gegenwärtigen Bundesregierung und es ist auch Aufgabe von gewählten Personen.

Nicht das, was zum Zeitpunkt einer Wahl in Wahlprogrammen steht, ist in Stein gemeißelt, sondern der Versuch, vernünftige Politik zu machen angesichts der Herausforderungen der Gegenwart, vor denen wir stehen und für die wir uns verantwortlich zeigen müssen.

DOMRADIO.DE: Jetzt haben viele Leute die Sorge, dass eine Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke nur der Anfang von einem Ausstieg aus dem Ausstieg wäre. Ihr Ziel ist es aber nicht, dass dieser Ausstieg noch mal auf den Prüfstand kommt, oder?

Hemel: Ich sehe das in der Tat nicht. Erstens wäre es technisch unverhältnismäßig aufwendig. Zweitens dürfen wir nicht vergessen, auch als Gesellschaft, dass die Endlagerfrage in keiner Art und Weise geklärt ist. Insofern können wir auch die Risiken der Kernkraft nicht einfach wegwischen durch eine neue Situation. Aber für diese Übergangszeit halten wir diesen Schritt für sinnvoll und sogar notwendig.

Das Interview führte Hannah Krewer.

Sorge wegen steigender Preise wächst

Immer mehr Menschen in Deutschland bekommen die anhaltend hohen Preise im Alltag zu spüren. Im am Freitag veröffentlichten ZDF-"Politbarometer" gaben 40 Prozent der Befragten an, dass ihnen die Inflation persönlich große Probleme bereitet, Anfang April war das erst bei 34 Prozent der Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Fall gewesen.

Steigende Lebensmittelpreise / © Denys Kurbatov (shutterstock)
Steigende Lebensmittelpreise / © Denys Kurbatov ( shutterstock )
Quelle:
DR