DOMRADIO.DE: Die Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands hat sich maßgeblich für die Einführung und den Erhalt der Mütterrente eingesetzt. Ist die Ausweitung ab Januar 2027 eine weitere Errungenschaft?
Lucia Lagoda (Mitglied des Bundesvorstands der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands, kfd): Ein klares Ja. Das ist eine Errungenschaft. Bisher bekommen Frauen, die Kinder erzogen haben, unterschiedliche Rentenpunkte. Je nachdem, ob sie das Kind vor oder nach 92 geboren haben. Das wird ab Januar 2027 anders werden.
Dann bekommen Frauen die Kinder erzogen haben, drei Rentenpunkte für jedes Kind, egal in welchem Jahr es geboren wurde. Damit wird jede Frau gleich wertgeschätzt. Wir Frauen leisten mit der Erziehung von Kindern einen wichtigen Beitrag für die Gesellschaft. Um diese unbezahlte Erziehungsarbeit anzuerkennen, wurde 2014 die Mütterrente eingeführt. Ich meine damit die Erziehungsarbeit rentenrechtlich anzuerkennen.
Wir haben uns von Anfang an für eine einheitliche Mütterrente starkgemacht. Es gibt keinen sachlichen Grund dafür, dass die Erziehungszeiten für Kinder unterschiedlich bewertet werden. Für uns als kfd erfüllt sich mit dieser Ausweitung ab Januar 2027 eine jahrelange Forderung nach Generationengerechtigkeit und Gleichstellung. Deswegen ist es für die kfd und für alle Mütter eine Errungenschaft.
DOMRADIO.DE: Welche Mütter oder Elternteile profitieren konkret von dieser Ausweitung? Gibt es Gruppen, die durchs Raster fallen?
Lagoda: Sie sprechen von Müttern oder Elternteilen. Das ist richtig. Nicht nur Frauen können die sogenannte Mütterrente beziehen, sondern auch Väter. Nämlich dann, wenn sie alleine oder zumindest überwiegend die Erziehung von Kindern übernommen haben.
Durchs Raster fallen die Mütter und alle diejenigen, die nie oder nur sehr wenig sozialversicherungspflichtig gearbeitet haben. Denn man muss mindestens fünf Jahre in der gesetzlichen Rentenversicherung nachweisen, um diese Mütterrente zu bekommen. Deshalb ist es gut, dass man diese Mindestzeit auch durch Erziehungszeiten erreichen kann.
Zum Beispiel, wenn man zwei Kinder erzogen hat. Ich würde es nicht als 'durchs Rasterfallen' bezeichnen. Durchs Raster fallen Beamtinnen, die haben keinen Anspruch auf Mütterrente.
DOMRADIO.DE: Welche Rolle spielt diese finanzielle Absicherung durch die Mütterrente für die langfristige Gesundheit der Frauen?
Lagoda: Sorgearbeit funktioniert nur dann, wenn man auch für die eigene körperliche und geistige Gesundheit sorgt. Es braucht zum Beispiel körperlich Bewegung, gesunde Ernährung, kulturelle und soziale Teilhabe und noch viel mehr. Es braucht auch finanzielle Mittel.
Es ist für jeden - und besonders für uns Frauen - in jeder Lebensphase wichtig, finanziell abgesichert zu sein. Im besten Fall durch ein eigenes Einkommen oder später durch eine eigene Rente. Unsere jahrelange, manchmal jahrzehntelange Care-Arbeit wirkt sich negativ auf das Auskommen im Alter aus. Mit Care-Arbeit meine ich die nicht bezahlte Erziehungs-, Familien- und Pflegearbeit. Die führt oft dazu, dass Frauen nicht oder nur wenig sozialversicherungspflichtig arbeiten können und damit auf Rentenanwartschaften verzichten müssen.
Wie viele Frauen können nicht von ihrer Rente leben und sind auf staatliche Grundsicherungen angewiesen. Deshalb ist die Mütterrente so wesentlich in der Altersvorsorge, vor allem für uns Frauen. Sie verringert die geschlechtsspezifische Rentenlücke, senkt das Armutsrisiko der Frauen und hilft langfristig dabei, im Alter gesund zu bleiben und ein sorgenfreieres Leben zu leben.
DOMRADIO.DE: Viele Eltern - vor allem Mütter - berichten von Überlastung, fehlender Anerkennung und Altersarmut. Kann eine stärkere Rentenanrechnung ein Zeichen gesellschaftlicher Wertschätzung sein?
Lagoda: Ja, das denke ich. Die Mütterrente ist ein Zeichen der gesellschaftlichen Anerkennung von unbezahlter Familien- und Sorgearbeit. Das kann aber nicht alles sein. Damit dürfen wir uns noch nicht zufriedengeben.
Es gibt noch weitere Ungerechtigkeiten. Deswegen braucht es noch weitere Ansätze, beziehungsweise Anerkennung durch den Staat, von der Gesellschaft und auch aus der Kirche. Ich denke zum Beispiel an Ausbildung in Teilzeit, flexiblere Arbeitszeitmodelle, mehr qualifizierte Kinderbetreuungsplätze. Darauf warten wir schon seit Jahren.
Es braucht bessere Strukturen vor allen Dingen in der häuslichen Pflege, damit wir eine gerechtere Verteilung der Care-Arbeit erreichen. Hier möchte ich besonders auf die Arbeit der Katholischen Arbeitsgemeinschaft Müttergenesung hinweisen, die da zu einen großen Beitrag leistet.
Wir von der katholischen Arbeitsgemeinschaft Müttergenesung betreiben zwanzig eigene Kliniken. In jedem Jahr helfen wir 12.000 Frauen mit Vorsorge- oder Reha-Maßnahme. Diese ganz spezielle Hilfe für Frauen gibt es auch für Männer. Allerdings sind diese Hilfen für Frauen weltweit einzigartig. Wir sind froh, dass wir diese Müttergenesung haben.
Das Interview führte Annika Weiler.