DOMRADIO.DE: Mit über 50 Bischöfen tagen Sie hier im Kloster Steinfeld. Der Sitzungskalender ist prall gefüllt und dann warten auch noch die Journalisten. Schaffen Sie es, unter diesen erschwerten Bedingungen zu fasten?
Rainer Maria Kardinal Woelki (Erzbischof von Köln): Ich bemühe mich zumindest, die Fastenvorsätze, die ich mir vorgenommen habe, einzuhalten. Die kann ich auch gut hier an diesem Ort durchziehen.
DOMRADIO.DE: Was sind das für Vorsätze?
Woelki: Zum Beispiel, dass ich in diesem Jahr auf jeden Fall auf Alkohol verzichte. Dass ich mir auch noch mal ein bisschen mehr Zeit für das persönliche Gebet nehme. Das kann ich eigentlich ganz gut hier integrieren.

DOMRADIO.DE: Auf Alkohol verzichten, das versuchen viele in der Fastenzeit. Dabei gibt es doch diesen Spruch: 'Flüssiges bricht das Fasten nicht'. Ist da nicht auch etwas dran?
Woelki: Gut, das ist natürlich aus alten Zeiten. Da gab es das Fastenbier. Aber die Mönche, die das Fastenbier gebraut haben, hatten auch auf Speisen verzichtet und haben dann das Bier genutzt, weil sie oftmals eben auch harte Arbeit auf dem Feld oder in den Ställen zu tätigen hatten. Da haben sie ein paar mehr Prozente draufgetan, um darüber die Kalorien zu bekommen, um das durchzustehen. So ist dieser Spruch gewachsen. Das ist heute bei unserer möglichen Ernährung nicht mehr von Bedeutung.
DOMRADIO.DE: Traditionell besteht die Fastenzeit vor allen Dingen aus Speiseregeln. Das ist aber - weiß Gott - nicht alles. Die Fastenzeit heißt auch vorösterliche Bußzeit. Was bedeutet das?
Woelki: Das Entscheidende ist, dass man einmal aus dem Alltag ausbricht; dass man tatsächlich einmal eine Zeit des Innehaltens hat. Es muss darum gehen, dass wir unser Leben immer wieder neu auf Gott hin ausrichten. Ostern ist natürlich das Fest der Feste. Da kann man nicht einfach so hineinstolpern. Es ist das Fest unserer Erlösung. Es ist das Fest, wo wir feiern, dass das Leben den Tod besiegt hat; dass das Licht alle Dunkelheit hinwegnimmt. Ich glaube, dass es einfach gut tut, für den eigenen Geist und für den eigenen Leib auch Unterbrechungen zu haben. Der Mensch ist eine Einheit aus Geist und Leib. Da tut es gut, sich in dieser Weise neu zu konditionieren und sich neu auszurichten.
DOMRADIO.DE: Kann das Verzichten nicht auch etwas Befreiendes haben? Wir konsumieren viel. Könnten Sie auf Ihr Smartphone verzichten?
Woelki: Das würde mir schwer fallen. Nicht, weil ich es nicht könnte, sondern weil es für mich einfach ein Arbeitsmittel ist. Ich muss natürlich irgendwie erreichbar sein. Ich habe einfach mit diesem Gerät zu arbeiten. So wie ein LKW-Fahrer nicht auf seinen LKW verzichten kann, kann ich nicht auf meine digitalen Hilfsmittel verzichten.
DOMRADIO.DE: Manchmal merkt man im Alltag gar nicht, dass man bestimmte Dinge gar nicht braucht, oder?
Woelki: Das ist zum Beispiel eine ganz wichtige Erfahrung. Aber auch das bewusste Entscheiden, auf etwas zu verzichten, kann wirklich eine Erfahrung von Freiheit mit sich bringen, weil man auf einmal eine Zeit geschenkt bekommt, die man für Dinge nutzen kann, die sonst oft zu kurz kommen. Zum Beispiel das Lesen eines guten Buches oder wenn es eine Zeit ist, die ich auch einmal für Gott reservieren kann.
DOMRADIO.DE: Dann ist da die Vorfreude auf Ostern. Ist das eine besondere Freude?
Woelki: Auf jeden Fall. Ich freue mich schon riesig auf die Gottesdienste, die auf uns zukommen. Die sind immer besonders berührend. Das ist eine sehr existenzielle Sache, diese Gottesdienste zu feiern, die bis ins Herz hinein geht, weil es einfach das Eigentliche und das Intime unseres Glaubens betrifft. Gerade das Osterfest - und in Köln ist es besonders schön, weil wirklich viele, viele Leute kommen und die Liturgien so festlich gestaltet sind. Ich kenne kaum jemanden, der davon nicht gerührt ist.
Das Interview führte Johannes Schröer.