Kurienkardinal Kurt Koch vermisst im ökumenischen Dialog der Kirchen eine entscheidende Weichenstellung. "Das größte Problem, das mich beschäftigt, ist, dass wir noch keine gemeinsame Vision entwickeln konnten, was denn eigentlich Einheit ist, worin die Einheit besteht", sagte der vatikanische Ökumene-Präfekt im Interview des Portals "katholisch.de" (Dienstag). Es gebe verschiedene Vorstellungen, was das eigentliche Ziel der Ökumene sei.
Die katholische Vision sehe die Ökumene in erster Linie als eine Frage des Glaubens, erklärte Koch. "Wir müssen die Einheit im apostolischen Glauben wiederfinden, wie er in der Taufe dem einzelnen anvertraut wird." Viele reformatorische Kirchen hätten dagegen eine andere Vorstellung von Einheit: "Sie sagen, dass sich alle kirchlichen Realitäten gegenseitig als Kirchen anerkennen sollen und dass die Summe dieser Kirchen gleichsam die eine Kirche wäre." Über diese verschiedenen Ansätze müsse weiter diskutiert werden.
"Meilenstein" schon 1999
Generell sei in den vergangenen 60 Jahren des ökumenischen Dialogs jedoch viel erreicht worden. "Dass wir überhaupt eine Beziehung zueinander haben, dass wir uns nicht als Gegner oder Häretiker, sondern als getrennte Brüder und Schwestern betrachten, ist ein Erfolg". Vielfach sei es gelungen, sich in Glaubensfragen näherzukommen. Ein Beispiel dafür sei die 1999 in Augsburg unterzeichnete "Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre" mit den Lutheranern. "Es ist ein Meilenstein gewesen, dass über diese Frage, an der die Einheit in der Reformation zerbrochen ist, ein Konsens gefunden werden konnte."
Für den weiteren Dialog hofft Koch, dass sich alle Christen der Notwendigkeit der Ökumene neu bewusstwerden. "Denn die Suche nach der Einheit gehört wesentlich zum christlichen Glauben." Manchmal habe er den Eindruck, dass sich viele damit zufriedengäben, geschwisterliche Beziehungen miteinander zu pflegen, aber weiterhin in getrennten Kirchen zu leben, so der Kardinal. "Um dem Ziel der Einheit näher zu kommen, braucht es die beiden Grundtugenden der Ökumene: die Leidenschaft für die Einheit und die notwendige Geduld".
Der Schweizer Koch (75) ist der dienstälteste Kurienkardinal. Seit 15 Jahren ist er Leiter des Päpstlichen Rats beziehungsweise des Dikasteriums zur Förderung der Einheit der Christen.