Jüdischer Soziologe sagt seine Teilnahme am Katholikentag ab

Nach Karfreitag ist vor Karfreitag

Der jüdische Soziologe Gerhard Amendt (Wien) hat Papst Benedikt XVI. scharf kritisiert und seine Teilnahme am Katholikentag in Osnabrück abgesagt. Durch den Aufruf zur Missionierung der Juden in der Karfreitagsfürbitte gelangten "antijüdische Ressentiments bis hin zur Tötung der 'Christusmörder' wieder zu Amt und Würde", schrieb Amendt in einem Brief an den Deutschen Katholikentag.

 (DR)

Der 68-Jährige lebt in Wien und ist Leiter des Bremer Instituts für Geschlechter- und Generationenforschung. Er sollte bei dem fünftägigen Treffen im Mai in Osnabrück einen Vortrag über seine Forschungen zur Situation geschiedener Väter halten. In dem von Benedikt XVI. in neuer Form zugelassenen Bittgebet zum Karfreitag wird zu einer «Erleuchtung und Rettung» der Juden durch den christlichen Gott aufgerufen. Daraufhin hatten bereits mehrere jüdische Repräsentanten ihre Teilnahme am Katholikentag abgesagt.

Die Äußerungen des Papstes seien rein politisch zu sehen, sagte Amendt dem epd. Er wolle der Frontenbildung innerhalb der katholischen Kirche entgegenwirken und die Zusammengehörigkeit stärken. «Das geschieht um den unsäglichen Preis, dass für anti-judaistische Traditionen im Katholizismus abermals die Schleusen geöffnet werden», heißt es: Sie verhießen Katholiken «kirchliches Wohlgefallen und Gottgefälligkeit beim Äußern antisemitischer Gefühle, feindseliger Handlungen und letztlich bei Pogromen».

In Niedersachsen distanzierten sich am Mittwoch einzelne Katholiken von der Karfreitagsfürbitte des Papstes. Es sei zu fragen, warum Benedikt XVI. die Fürbitte «so formuliert, dass er Gefühle von Juden ohne Not verletzt», schrieben der Göttinger Dekan Norbert Hübner und Ulrike Saul, Beauftragte des Dekanates Göttingen für Ökumene im Bistum Hildesheim, in einem offenen Brief an die Jüdische Gemeinde Göttingen. Sie riefen zu einem vertrauensvollen Dialog zwischen Christentum und Judentum auf.

Katholikentag: Christlich-jüdischer Dialog nicht abgeschmolzen
Trotz mehrerer Absagen von jüdischer Seite bleibt das Programm des Osnabrücker Katholikentags zum christlich-jüdischen Dialog im geplanten Umfang erhalten. «Alle 21 Veranstaltungen finden statt», sagte der Pressesprecher des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Theodor Bolzenius, am Donnerstag der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Bonn.

Als zusätzliche Referenten wurden laut Bolzenius Mecklenburg-Vorpommerns Landesrabbiner William Wolff und der Heidelberger jüdische Historiker Uri Kaufmann gewonnen. Der Vorsitzende der Allgemeinen Rabbinerkonferenz (ARK) des Zentralrats der Juden in Deutschland, Henry Brandt, wird eine weitere Veranstaltung übernehmen.

Der Sprecher bedauerte erneut, dass es wegen der vom Papst geänderten lateinischen Karfreitagsbitte für die Juden zu den Absagen gekommen sei. Ende Februar hatte sich der Gesprächskreis «Juden und Christen» beim ZdK von dieser Neufassung für traditionelle Karfreitagsgottesdienste distanziert und Papst Benedikt XVI. gebeten, die umstrittene Fürbitte wieder zurückzuziehen. Das ZdK habe gehofft, dass diese Erklärung Grundlage dafür sein könnte, die Absagen zu überdenken. Noch offen ist laut Bolzenius, ob ins Katholikentagsprogramm eine zusätzliche Veranstaltung wegen des Streits um die Karfreitagsbitte aufgenommen wird.

Bislang haben neben Amendt die Rabbiner Walter Homolka und Daniel Alter sowie der jüdische Sozialwissenschaftler Micha Brumlik ihre Teilnahme am Katholikentreffen abgesagt.