Rabbiner kritisieren erneut - Kurienkardinal Cordes verteidigt

Fürbittenstreit an Karfreitag

Hohe Repräsentanten des Judentums haben das katholische Karfreitagsgebet für die Juden erneut scharf kritisiert. Die Vorwürfe lauten: "Rückfall in längst überwunden geglaubte Zeiten" und "antisemitischen Tendenzen Vorschub geleistet". Der deutsche Kurienkardinal Paul Josef Cordes hat die Karfreitagsfürbitte dagegen erneut verteidigt. Hören Sie ein Interview mit Prof. Albert Gerhards zur aktuellen Debatte.

 (DR)

In einem Deutschlandfunk-Interview sagte Cordes am Donnerstag, wenn Christus gekommen sei, um den Menschen Heil zu bringen, dann dürfe man den Christen nicht vorwerfen, dass sie für eine Hinwendung der Juden zu Jesus Christus beten. Cordes erinnerte in diesem Zusammenhang daran, dass es auch im Judentum eine Bewegung gebe, die darauf ziele, Christus anzuerkennen.

Cordes ist einer der dienstältesten Kurienkardinäle im Vatikan. Seit 1995 leitet er das Päpstliche Hilfswerk "Cor unum"; Ende November 2007 erhob ihn Benedikt XVI. in den Kardinalsrang.

Für die von Cordes angesprochene Juden-Fürbitte am Karfreitag gibt es derzeit zwei Fassungen. Gemäß dem "ordentlichen" Ritus beten die Katholiken, dass Gott die Juden "in der Treue zu seinem Bund und in der Liebe zu seinem Namen bewahre, damit sie das Ziel erreichen, zu dem sein Ratschluss sie führen will." In der Fürbitte wird ferner darum gebetet, dass die Juden "zur Fülle der Erlösung gelangen". Der Text ist seit 1970 verbindlich.

Rabbiner-Kritik
Wegen der Karfreitagsfürbitte, die als Aufruf zur Bekehrung der Juden interpretiert wird, haben zahlreiche Rabbiner und Vertreter des christlichen-jüdischen Dialogs ihre Teilnahme am Katholikentag in Osnabrück (21. bis 25. Mai) abgesagt. "Die katholische Kirche hat ihre antisemitischen Tendenzen nicht im Griff", so Homolka. Der Papst habe mit der Zulassung der Karfreitagsbitte den jüdisch-katholischen Dialog schwer beschädigt.

Die Neufassung des Gebets sei "ein Rückfall in längst überwunden geglaubte Zeiten", sagte der Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Salomon Korn, der "Frankfurter Rundschau".  Der Berliner Rabbiner Walter Homolka warf Papst Benedikt XVI. in einem Interview mit "Spiegel Online" vor, er nehme durch die Neufassung der Karfreitagsliturgie in Kauf, antisemitischen Tendenzen in der katholischen Kirche Vorschub zu leisten.

"Die Beziehungen zwischen Katholischer Kirche und jüdischer Gemeinschaft stehen schlagartig vor einer Zerreißprobe wie schon seit Jahrzehnten nicht mehr", fügte der Rabbiner hinzu. Angesichts der "Schuld, die die katholische Kirche in ihrer Geschichte mit dem Judentum und zuletzt im Dritten Reich auf sich geladen hat", sei die Form der lateinischen Karfreitagsfürbitte "völlig unangemessen".

Korn erklärte, grade von einem deutschen Papst wie Benedikt XVI.
erwarte er mehr Rücksicht auf die Sensibilität der Juden bei diesem Thema. Der Vatikan dürfe ausschließlich die Fassung von 1970 zulassen, verlangte er.

Karfreitagsliturgie nach dem alten Ritus
In mehreren tausend katholischen Kirchen weltweit wird bei der diesjährigen Karfreitagsliturgie nach dem alten Ritus erstmals die umstrittene Neufassung der Fürbitte für die Juden gesprochen. Papst Benedikt XVI. wird bei einer Feier im Petersdom die Liturgie dagegen nach dem Messbuch von 1970 feiern, aus dem ausdrückliche Erwartungen an eine Bekehrung der Juden zum Christentum gestrichen sind. Die von Benedikt vor wenigen Monaten neu formulierte Fürbitte für lateinische Messen nach dem alten vorkonziliaren Ritus sorgte im Judentum für Proteste, da darin erneut um deren Eintritt in die christliche Kirche gebetet wird.

Harsche Kritik äußerte in der "Frankfurter Rundschau" auch der Augsburger Theologieprofessor und katholische Vorsitzende des Gesprächskreises "Juden und Christen", Hanspeter Heinz. Das Verhalten des Vatikans sei "unglaublich rücksichtslos". Er könne nur hoffen, dass der christlich-jüdische Dialog "auf regionaler Ebene diese massive Störung überwindet".

Papst Benedikt XVI. hatte im vergangenen Jahr die umstrittene lateinische "Tridentinische Messe" durch die Freigabe aufgewertet. Die darin enthaltene Karfreitagsfürbitte "Für die Juden", die unter anderem von einer "Verblendung" der Juden sprach, wurde Anfang Februar in einer Neufassung veröffentlicht. Der Text wurde entschärft, ruft jedoch weiterhin zu einer "Erleuchtung" und "Rettung" der Juden durch den Gott der Christen auf.