Traditionalisten gingen am Karfreitag lieber in moderne Gemeinden

Judenfürbitte: Der Tag danach

"Wir sind keine Marsmenschen." Der italienische katholische Traditionalist Andrea Carradori verteidigt den lateinischen Ritus gegen Vorwürfe der Rückständigkeit und des Antijudaismus. Die Karfreitagsliturgie, bei der in diesem Jahr erstmals das von Papst Benedikt XVI. neu gefasste umstrittene Gebet für die Juden gesprochen wurde, unterscheide sich kaum von derjenigen, die die Mehrheit der Katholiken in aller Welt feierten. Bettina Gabe über die Debatte der letzten Wochen.

Autor/in:
Bettina Gabbe
 (DR)

Deshalb nähmen auch Liebhaber der alten lateinischen Messe wie er selbst am Karfreitag an den üblichen liturgischen Feiern teil. Der alte Ritus gleiche am Karfreitag anders als Messen an anderen Tagen weitgehend dem, was seit den 70er Jahren in katholischen Kirchen gefeiert werde, so Carradori.

Die darin enthaltene Bitte um «Erleuchtung» der Juden und um deren Eintritt in die Kirche war von Juden und auch Katholiken heftig kritisiert worden. Die Neufassung der alten Fürbitte hätten aber selbst innerhalb der kleinen Minderheit der Traditionalisten nur die wenigsten gesprochen, meint der Lehrer aus Tolentino in der mittelitalienischen Region Marken.

Papst Benedikt XVI. feierte die Karfreitagsliturgie im Petersdom nach dem so genannten ordentlichen Ritus. Auch im dabei verwendeten Messbuch, das aus der Reform des Zweiten Vatikanischen Konzils vor vierzig Jahren hervorging, ist eine Fürbitte für die Juden enthalten. Sie wurde jedoch so weit entschärft, dass sie keine Proteste mehr hervorruft.

Dabei geht es auch in dieser weltweit in katholischen Kirchen an diesem Tag gebeteten Fassung nicht nur um «die Juden, zu denen Gott unser Herr zuerst gesprochen hat». Neben der Bitte darum «sie in der Treue zu seinem Bund und in der Liebe zu seinem Namen» zu bewahren wird die Hoffnung geäußert, dass «sie das Ziel erreichen, zu dem sein Ratschluss sie führen will». Dieses Ziel besteht in der Judenfürbitte darin, dass die Juden «zur Fülle der Erlösung» gelangen.

Vor allem deutsche Juden und Katholiken hatten in der vergangenen Woche gegen die neue Fassung der alten Liturgie protestiert. Zahlreiche jüdische Repräsentanten hatten deswegen ihre Teilnahme am Katholikentag in Osnabrück Ende Mai abgesagt.

Der «Ökumene-Minister» des Papstes, Kardinal Walter Kasper, hatte zuvor betont, dass es sich bei der darin enthaltenen Bitte, die Juden mögen in die Kirche eintreten, um eine endzeitliche Hoffnung und nicht eine Aufforderung zur Missionierung handle. Auch Kaspers zweiter Einwand, nur eine verschwindend geringe Minderheit der Katholiken feiere nach dem alten lateinischen Ritus in der Fassung von 1962, entkräftete die Kritik nicht.

Die Anhänger der alten Messe selbst betonen, ihnen gehe es vor allem um die Schönheit der Liturgie mit ihren antiken Gewändern und polyphonen Gesängen von Komponisten wie Palestrina. Traditionalisten mögen sie sich nicht gern nennen lassen. «Wir sind schließlich kein Museum», meint Andrea Carradori. Die Fürbitte für die Juden spielt nach seinen Worten für ihn und seine Mitstreiter keine Rolle.

Die von Benedikt geänderte Fassung des Gebets sei theologisch perfekt und er selbst sei sogar begeistert von ihr, sagt er in klarer Abgrenzung zu Traditionalistenkreisen. Diese sehen die im Vergleich zu älteren Fassungen abgemilderte Form als unerwünschtes Entgegenkommen gegenüber dem Judentum.