Hilfsorganisationen und Kirchenvertreter mit Appellen vor G8-Gipfel

Große Verantwortung und viele Versprechen

Zwei Tage vor Beginn des G8-Gipfels in Italien mehren sich die Appelle an die Regierungschefs der wichtigsten Industriestaaten. Hilfsorganisationen und Kirchenvertreter erinnerten an Versprechen bei der Entwicklungshilfe und dem Kampf gegen den Klimawandel. Papst Benedikt XVI. mahnte energisch Verantwortung für die armen Länder an.

 (DR)

Die internationalen Hilfen müssten nicht trotz, sondern gerade wegen der globalen Wirtschaftskrise fortgeführt und verstärkt werden. Die ökonomische Entwicklung armer Staaten sei "einer der vorrangigen Lösungswege" für die Krise, schrieb der Papst in einem am Samstag vom Vatikan veröffentlichten Brief an den Gastgeber des Gipfels, Italiens Regierungschef Silvio Berlusconi. In die Beratungen müssten indessen auch die weniger entwickelten Staaten einbezogen werden.

Durch die Wirtschafts- und Finanzkrise drohe eine Stornierung oder zumindest drastische Kürzung der Hilfen für Afrika und andere schwach entwickelte Staaten, warnte Benedikt XVI. in dem Schreiben. Damit würden erste Erfolge des Millenniumsprogramms zum Kampf gegen Armut zunichtegemacht. Es bestehe ein "reales Risiko", dass darüber hinaus noch mehr Menschen weltweit in extreme Armut gerieten, so der Papst. Die Verantwortung der wirtschaftlich entwickelten Nationen sei "nicht geringer, sondern im Gegenteil noch drängender geworden".

Maßnahmen zur Bewältigung der Krise könnten nur in dem Maße wirken, wie sie auch ethischen verantwortbar sind, mahnte der Papst. Neben Wirtschaftshilfen verlangte er auch bessere Bildungsmöglichkeiten für arme Länder. Dies sei unverzichtbar für eine funktionierende Demokratie, den Kampf gegen Korruption, die Ausübung von Bürgerrechten und einen erneuten Aufschwung der armen wie der reichen Nationen.

Als weitere globale Herausforderung nannte Benedikt XVI. den Klimawandel. Sowohl die Wirtschaftskrise als auch die "besorgniserregenden Daten" zum Weltklima verlangten ein Umdenken in der globalen Entwicklung. Diese müsse von Solidarität und Nächstenliebe bestimmt sein. Die Themen seien auch Gegenstand seiner dritten Enzyklika "Caritas in veritate", kündigte der Papst an. Das Lehrschreiben erscheint einen Tag vor Beginn des G8-Treffens in L'Aquila.

Bischof Huber: G-8-Gipfel auf mehr Länder erweitern
Für eine Erweiterung der G-8-Staaten auf eine größere Zahl von Ländern sprach sich der Berliner Bischof Wolfgang Huber aus. Unter dem Eindruck der Finanzkrise könnten die am Mittwoch in Italien zusammenkommenden Staats- und Regierungschefs der acht wichtigsten Industrienationen dazu neue Signale setzen, sagte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in einem epd-Interview. "Das Spannende an dem Gipfel in Italien ist, ob überhaupt das Format G-8-Gipfel fortgesetzt wird."

Anstelle der G-8 kann laut Huber die Runde von etwa 20 Industrie- und Schwellenländern (G-20) mit größerer Autorität über globale Probleme beraten, wie die Regulierung der Finanzmärkte oder die Begrenzung des Klimawandels. Den Kirchen liege daran, dass die reichen Industrieländer die Perspektive der anderen Nationen nicht vernachlässigten. Deshalb müssten auch die G-20-Prozesse mit den Vereinten Nationen verzahnt werden, denen 192 Staaten angehören.

Huber erwartet von dem Gipfel in L'Aquila eine Verständigung auf eine wirksame Regulierung der Finanzmärkte. Bei der zugesagten Erhöhung der Hilfe für die Ärmsten beklagte er Versäumnisse. Die Kirchen unterstützen das Millenniumsziel der Vereinten Nationen, bis 2015 die weltweite Armut zu halbieren. "Die G-8 sind dabei nicht konsequent geblieben", kritisierte er. "Da haben wir einen Rückschlag erlitten."

G-8 mit G-5 bei einigen Beratungen
Am G-8-Gipfel in L'Aquila nehmen die USA, Kanada, Großbritannien, Italien, Frankreich, Deutschland, Japan und Russland teil. Wie bereits seit 2007 in Heiligendamm sind auch die fünf Schwellenländer China, Indien, Brasilien, Mexiko und Südafrika (G-5) zu einigen Beratungen dabei.

Außerdem lud Gastgeber Silvio Berlusconi unter anderem die Regierungschefs von Indonesien, Südkorea und der Türkei sowie die Spitzen internationaler Institutionen ein. Zeitweise werden Vertreter von bis zu 39 Ländern an einem Tisch sitzen.

"Entwicklungshilfen nicht auf die lange Bank schieben"
Die Entwicklungsorganisation "Oxfam Deutschland" fordert die G8-Länder auf, ihr Versprechen zur Steigerung der Entwicklungshilfe einzuhalten. Laut Oxfam müsse Deutschland seine jährliche Entwicklungshilfe um 2,7 Milliarden Euro erhöhen, um bis 2010 die zugesagten 0,51 Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Entwicklungshilfe bereitzustellen.

Wie diese Nöte in Entwicklungsländern aussehen und durch die Wirtschaftskrise verschärft werden, erklärten Mitglieder der "W8-Frauen-Gruppe" aus eigener Erfahrung. Die acht Frauen aus Afrika, Asien, Lateinamerika und Osteuropa engagieren sich zivilgesellschaftlich in ihren Heimatländern und setzen sich dort für Gesundheitsversorgung und Bildung ein.

"Die Auswirkungen sind gewaltig: Schon vor der Krise waren zehn Prozent der Filipinos arbeitslos, sagte W8-Mitglied Leonor Magtolis Briones von den Philippinen und fügte hinzu: "Diese Zahlen werden jetzt drastisch steigen. 900 000 Studenten schließen in diesem Jahr die Uni ab ohne eine Perspektive auf einen Arbeitsplatz zu haben."