Heilig Land Verein kündigt weiteres Engagement der Kirche in Gaza an

"Waffenstillstand steht auf sehr dünnem Eis"

Nach dem Krieg herrscht im Gazastreifen wieder Hoffnung. Die Waffen ruhen, doch die Lage bleibt fragil. Dr. Matthias Vogt vom Deutschen Verein vom Heiligen Land berichtet von ersten kleinen Fortschritten, aber auch von Unsicherheit.

Autor/in:
Johannes Schröer
Gaza: Palästinenser versuchen, ihren täglichen Wasserbedarf zu decken, indem sie Kanister aus Wassertankwagen füllen, die in das Gebiet in Gaza-Stadt gebracht wurden / © Omar Ashtawy/APA Images via ZUMA Press Wire (dpa)
Gaza: Palästinenser versuchen, ihren täglichen Wasserbedarf zu decken, indem sie Kanister aus Wassertankwagen füllen, die in das Gebiet in Gaza-Stadt gebracht wurden / © Omar Ashtawy/APA Images via ZUMA Press Wire ( dpa )

DOMRADIO.DE: Die Hilfslieferungen in den Gazastreifen laufen nur langsam an. Das Welternährungsprogramm meldet zwar eine Zunahme der Lieferungen, doch bleiben sie weit hinter dem Ziel von 2.000 Tonnen täglich zurück. Nur zwei Grenzübergänge sind derzeit geöffnet. Um die Bevölkerung ausreichend zu versorgen, müssten es alle sein. Wie schätzen Sie die Situation in Israel und im Gazastreifen aktuell ein?

Dr. Matthias Vogt (Generalsekretär des Deutschen Vereins vom Heiligen Land): Im Moment sind alle meine Gesprächspartner in gespannter Erwartung. Sie sind erleichtert, dass die Kriegshandlungen weitgehend aufgehört haben, aber sie fürchten zugleich, dass dieser Waffenstillstand auf sehr dünnem Eis steht. Zum ersten Mal seit zwei Jahren gibt es Hoffnung, dass sich die Situation verbessert – aber die Menschen wissen, dass noch viele schwere Schritte auf dem Weg zum Frieden nötig sind.

DOMRADIO.DE: Können Sie denn die Einschätzung des Welternährungsprogramms teilen, dass die Hilfen nur langsam anlaufen?

Vogt: So sieht es aus. Aus der katholischen Pfarrei in Gaza hören wir, dass Hilfslieferungen bald wieder über kirchliche Strukturen aufgenommen werden können. Noch habe ich aber keine Bestätigung, dass sie wirklich angekommen sind. Die Erwartung ist groß, denn klar ist: In den kommenden Wochen und Monaten werden sehr viele Lieferungen notwendig sein. Im Moment geschieht noch zu wenig, und alles läuft zu langsam an.

Matthias Vogt

"Die katholische Kirche hat im Gazastreifen vor dem Krieg vier Schulen betrieben. Drei davon sind völlig zerstört worden. Nur eine Schule steht noch."

DOMRADIO.DE: Sie stehen in Kontakt mit der katholischen Gemeinde in Gaza. Dort gibt es kleine Hoffnungsschimmer – etwa die Wiedereröffnung einer Schule.

Vogt: Ja, die katholische Kirche hat im Gazastreifen vor dem Krieg vier Schulen betrieben. Drei davon sind völlig zerstört worden. Nur eine Schule steht noch – das Gebäude auf dem Gelände der Pfarrei zur Heiligen Familie. Dorthin haben sich in den vergangenen zwei Jahren fast alle Christen des Gazastreifens zurückgezogen. In dieser einen Schule hat die Gemeinde jetzt den Unterricht provisorisch wieder aufgenommen.

Zwar sind dort weiterhin Geflüchtete und Obdachlose untergebracht, aber die Gemeinde versucht, nach zwei Jahren ohne Unterricht wieder Bildung für die Kinder zu ermöglichen.

DOMRADIO.DE: Und das sind Kinder aus verschiedenen Milieus, nicht nur aus katholischen Familien?

Vogt: Im Moment sind es wohl vor allem die Kinder, die auf dem Kirchengelände leben. Ich nehme aber an, dass auch muslimische Schüler aus der Umgebung wieder aufgenommen werden können. Vor dem Krieg wurden über 90 Prozent der katholischen Schulen von muslimischen Kindern besucht. Nur etwa 1.000 Christen – Erwachsene und Kinder – lebten damals im Gazastreifen. Damit lässt sich keine Schule allein mit christlichen Schülern füllen. Der jetzige Unterricht richtet sich zunächst an die Christen auf dem Gelände, aber sicher auch an einige muslimische Kinder aus dem Umfeld.

Matthias Vogt

"Geplant ist unter anderem ein katholisches Krankenhaus für die Zeit nach dem Krieg, denn die Gesundheitsversorgung ist ein zentrales Thema."

DOMRADIO.DE: Viele Christen sind geflohen, aber es gibt weiterhin Gemeinden vor Ort?

Vogt: Ja. Die christliche Gemeinde in Gaza besteht aus einer orthodoxen und einer katholischen Gemeinschaft, dazu kommen einige evangelische Christen. Viele von denen, die geblieben sind, werden auch weiterhin dort leben. Das Lateinische Patriarchat, also die katholische Kirche in der Region, hat bereits angekündigt, ihr Engagement fortzusetzen.

Geplant ist unter anderem ein katholisches Krankenhaus für die Zeit nach dem Krieg, denn die Gesundheitsversorgung ist ein zentrales Thema. Auch Caritas, Gesundheitsdienste, die Pfarrei und zumindest eine Schule sollen im Gazastreifen erhalten bleiben.

DOMRADIO.DE: Jeder kleine Schritt ist wichtig, aber die Zukunft bleibt ungewiss. Kann man das so zusammenfassen?

Vogt: So kann man das sagen. Man muss jetzt jeden Hoffnungsschimmer wahrnehmen. Die Schritte, die möglich sind, muss man gehen – auch wenn man nicht weiß, ob es in zwei Wochen wieder Rückschläge gibt. Aber der Handlungsraum, den man jetzt hat, muss genutzt werden. Und ich bin sicher, die Menschen werden ihn nutzen. Das haben gerade die Christen in den letzten zwei Jahren gezeigt.

Das Interview führte Johannes Schröer.

Quelle:
DR

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