Grünen-Politikerin Antje Vollmer ist gestorben

Eine wertkonservative Pazifistin

Antje Vollmer trat Mitte der 80-er Jahre den Grünen bei. Als Theologin machte sie die Partei für ein bürgerliches Klientel wählbar. Zudem engagierte sie sich für die Entschädigung von Heimkindern. Nun ist sie gestorben.

Autor/in:
Birgit Wilke
Trauer um Antje Vollmer / © Uwe Zucchi (dpa)
Trauer um Antje Vollmer / © Uwe Zucchi ( dpa )

Ihr Markenzeichen war der kurze Pagenkopf - früher schwarz, später grau. Wenn die Grünen-Politikerin Antje Vollmer im Bundestag eine Rede hielt, sprach sie leise, aber eindringlich.

Zuletzt war sie dort Vizepräsidentin. Bis zuletzt mischte sie sich aber in politische Debatten ein - nicht unbedingt zur Freude ihrer Partei. So gehörte sie im Februar zu den Erstunterzeichnern der von der Linken-Abgeordneten Sahra Wagenknecht und der Journalistin Alice Schwarzer initiierten Petition, die sich gegen weitere Waffenlieferungen an die Ukraine aussprach. Wenige Monate vor ihrem 80. Geburtstag ist Vollmer nun nach langer schwerer Krankheit gestorben.

Früh politisch aktiv

Die 1943 im westfälischen Lübbecke geborene Vollmer versuchte, dem pazifistischen Ideal nach eigener Auffassung stets treu zu bleiben.

In den vergangenen Jahren kritisierte sie wiederholt militärische Interventionen, vor allem in Afghanistan. Für Vollmer, die Ende der 1960er und 70er Jahre mehrere Jahre im Berliner Stadtteil Wedding als evangelische Pastorin gearbeitet hatte, gehörte der Pazifismus zum unverzichtbaren Markenkern ihrer Partei.

Katholische Bischöfe trauern um Grünen-Politikerin Antje Vollmer

Die deutschen katholischen Bischöfe haben ihre Trauer zum Tod der Grünen-Politikerin Antje Vollmer bekundet. In einem am Donnerstag auf Twitter veröffentlichten Beileidsschreiben hob der Bischofskonferenz-Vorsitzende Georg Bätzing besonderes Vollmers Verdienste als Leiterin des Runden Tisches Heimerziehung hervor. "Durch ihr persönliches Engagement ist es zu guten und bis heute hilfreichen Maßnahmen gekommen", so der Limburger Bischof.

Bonn: (L-r) Antje Vollmer, Waltraud Schoppe und Annemarie Borgmann sind am 04.04.1984 in Bonn zu den neuen gleichberechtigten Sprecherinnen der Bundestagsfraktion der Grünen gewählt worden / © Heinrich Sanden (dpa)
Bonn: (L-r) Antje Vollmer, Waltraud Schoppe und Annemarie Borgmann sind am 04.04.1984 in Bonn zu den neuen gleichberechtigten Sprecherinnen der Bundestagsfraktion der Grünen gewählt worden / © Heinrich Sanden ( dpa )

Vollmer war schon früh politisch aktiv und gehörte Ende der 60er Jahre zur Studentenbewegung. In dieser Zeit engagierte sie sich in der maoistischen "Liga gegen den Imperialismus", bevor sie dann 1983 als Nichtmitglied der Grünen Abgeordnete des Bundestags wurde.

Bereits ein Jahr später war sie Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, und 1985 trat sie schließlich in die Partei ein.

Bei den Grünen waren viele ihrer Positionen umstritten: So etwa ihr Vorschlag eines Dialogs mit inhaftierten Mitgliedern der Roten Armee Fraktion (RAF) zur Beendigung terroristischer Gewalt - zusammen mit der ehemaligen Grünen-Bundestagsabgeordneten und Katholikin Christa Nickels schrieb sie den Inhaftierten einen Brief. Aber auch ihre ablehnende Haltung zur militärischen Bekämpfung des Terrorismus nach dem Anschlag auf das World Trade Center am 11. September 2001 stieß bei vielen auf Unverständnis.

In familienpolitischen und bioethischen Fragen vertrat sie oft wertkonservative Positionen: 2004 sprach sie sich etwa gegen die von der rot-grünen Koalition verabschiedeten Stiefkindadoption im Lebenspartnerschaftsgesetz aus, bei der ein Partner leibliche Kinder des anderen annehmen kann.

Auch vor einem Kurswechsel in bioethischen Grundfragen warnte sie. Sie mahnte stets zur Zurückhaltung. In einem Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) kritisierte sie 2005 den Grünen-Politiker Daniel Cohn-Bendit, der seiner Partei vorwarf, sich bei Sterbehilfe und Gentechnik der christlichen Moral einzuordnen und damit einen Anschluss zu verpassen. Selten habe sie etwas so beunruhigt wie dieser Ausspruch Cohn-Bendits.

Trotzdem galt sie vor allem in den 80er Jahren als eine Mittlerin zwischen den "Fundis", die einer Regierungsbeteiligung kritisch gegenüberstanden, und den "Realos", die sich für eine solche Beteiligung einsetzten. Vor allem mit ihrer wertkonservativen Haltung machte sie die Grünen auch für ein bürgerliches Klientel wählbar.

Eingehend mit Ökumene befasst

Immer wieder bewies Vollmer in ihrer politischen Karriere, dass sie auch schwierigen Herausforderungen nicht aus dem Weg geht: Als sie längst aus dem Bundestag ausgeschieden war, wurde die Mutter eines Sohnes 2009 gefragt, ob sie nicht Vorsitzende des Runden Tisches Heimerziehung werden wolle. Dort sollte die Misshandlung vieler Heimkinder in der Nachkriegszeit aufgearbeitet werden. Vollmer sagte zu. Für ihre dort geleistete Arbeit gab es vor allem aus der Politik Lob von allen Seiten, wenngleich einige ehemalige Heimkinder kritisierten, dass die Politikerin zu wenig erreicht habe.

Auch mit der Ökumene befasste sie sich eingehend: Ein Briefwechsel mit dem Jesuitenpater Klaus Mertes erschien vor wenigen Jahren als Buch unter dem Titel "Ökumene in Zeiten des Terrors". Dort sprach sie sich für Akte des "zivilen Ungehorsams" an der Basis aus, ohne immer zuvor die Kirchenleitungen zu fragen. Sie selbst hat diese Furchtlosigkeit vor der Obrigkeit in ihrem Leben bewiesen - trotz der leisen Stimme.

Noch bis zuletzt pflegte sie als freie Autorin ihre Homepage. Ihr letzter Artikel: "Vermächtnis einer Pazifistin: 'Was ich noch zu sagen hätte'". Aktuelle Termine waren dort allerdings nicht mehr gelistet.

Quelle:
KNA