Grünen-Politikerin Antje Vollmer wird 75 Jahre alt

Pagenkopf als Markenzeichen

Sie gehört zu den "Urgrünen". Als Theologin machte sie die Partei für ein bürgerliches Klientel wählbar. Zudem engagierte sie sich für die Entschädigung von Heimkindern. Am Donnerstag wird Antje Vollmer 75 Jahre alt.

Autor/in:
Birgit Wilke
Antje Vollmer / © Paul Sklorz (KNA)
Antje Vollmer / © Paul Sklorz ( KNA )

Ihr Markenzeichen ist immer noch der kurze Pagenkopf – früher schwarz, inzwischen grau. Wenn die Grünen-Politikerin Antje Vollmer im Bundestag eine Rede hielt, sprach sie leise, aber eindringlich. Zuletzt war sie dort Vizepräsidentin. Nach wie vor mischt sie sich aber in politische Debatten ein. Kurz vor ihrem 75.

Geburtstag las sie ihrer eigenen Partei die Leviten: Sie warf ihr zusammen mit dem Grünen-Politiker und früheren Staatsminister im Auswärtigen Amt, Ludger Volmer, Mut- und Kraftlosigkeit vor. Und einen Verlust des Gespürs für politischen Pazifismus. Die 1943 im westfälischen Lübbecke geborene Vollmer versuchte, dem pazifistischen Ideal nach eigener Auffassung stets treu zu bleiben.

"Liga gegen den Imperialismus"

In den vergangenen Jahren kritisierte sie wiederholt militärische Interventionen, vor allem in Afghanistan. Für Vollmer, die Ende der 1960er und 70er Jahre mehrere Jahre im Berliner Stadtteil Wedding als evangelische Pastorin gearbeitet hat, gehört der Pazifismus zum unverzichtbaren Markenkern ihrer Partei.

Vollmer war schon früh politisch aktiv und gehörte Ende der 60er Jahre zur Studentenbewegung. In dieser Zeit engagierte sie sich in der "Liga gegen den Imperialismus", bevor sie dann 1983 als Nichtmitglied der Grünen Abgeordnete des Bundestags wurde. Bereits ein Jahr später war sie Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, und 1985 trat sie schließlich in die Partei ein.

Kurswechsel

Bei den Grünen waren viele ihrer Positionen umstritten: So etwa ihr Vorschlag eines Dialogs mit inhaftierten Mitgliedern der Roten Armee Fraktion (RAF) zur Beendigung terroristischer Gewalt – zusammen mit der grünen Katholikin Christa Nickels schrieb sie den Inhaftierten einen Brief. Aber auch ihre ablehnende Haltung zur militärischen Bekämpfung des Terrorismus nach dem Anschlag auf das World Trade Center am 11. September 2001 stieß bei vielen auf Unverständnis.

In familienpolitischen und bioethischen Fragen vertrat sie oft wertkonservative Positionen: 2004 sprach sie sich etwa gegen die von der rot-grünen Koalition verabschiedeten Stiefkindadoption im Lebenspartnerschaftsgesetz aus, bei der ein Partner leibliche Kinder des anderen annehmen kann. Auch vor einem Kurswechsel in bioethischen Grundfragen warnte sie.

"Fundis" und "Realos"

Sie mahnte stets zur Zurückhaltung. In einem Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) kritisierte sie 2005 den Grünen-Politiker Daniel Cohn-Bendit, der seiner Partei vorwarf, sich bei Sterbehilfe und Gentechnik der christlichen Moral einzuordnen und damit einen Anschluss zu verpassen. Selten habe sie etwas so beunruhigt wie dieser Ausspruch Cohn-Bendits.

Trotzdem galt sie vor allem in den 80er Jahren als eine Mittlerin zwischen den "Fundis", die einer Regierungsbeteiligung kritisch gegenüberstanden, und den "Realos", die sich für eine solche Beteiligung einsetzten. Vor allem mit ihrer wertkonservativen Haltung machte sie die Grünen auch für ein bürgerliches Klientel wählbar.

Lob und Kritik

Immer wieder bewies Vollmer in ihrer politischen Karriere, dass sie auch schwierigen Herausforderungen nicht aus dem Weg geht: Als sie längst aus dem Bundestag ausgeschieden war, wurde die Mutter eines inzwischen erwachsenen Sohnes 2009 gefragt, ob sie nicht Vorsitzende des Runden Tisches Heimerziehung werden wolle. Dort sollte die Misshandlung vieler Heimkinder in der Nachkriegszeit aufgearbeitet werden. Vollmer sagte zu.

Für ihre dort geleistete Arbeit gab es vor allem aus der Politik Lob von allen Seiten, wenngleich einige ehemalige Heimkinder kritisierten, dass die Politikerin zu wenig erreicht habe.

Auch mit der Ökumene befasste sie sich eingehend: Ein Briefwechsel mit dem Jesuitenpater Klaus Mertes erschien vor zwei Jahren als Buch unter dem Titel "Ökumene in Zeiten des Terrors". Dort sprach sie sich für Akte des "zivilen Ungehorsams" an der Basis aus, ohne immer zuvor die Kirchenleitungen zu fragen. Sie selbst hat diese Furchtlosigkeit vor der Obrigkeit in ihrem Leben bewiesen – trotz der leisen Stimme.


Quelle:
KNA