Vollmer sieht Runden Tisch zu sexuellem Missbrauch skeptisch

Grenzen der Möglichkeiten

Die Vorsitzende des "Runden Tisches Heimerziehung", Antje Vollmer, hat sich skeptisch über ein vergleichbares Instrument zum sexuellen Missbrauch von Kindern geäußert. "Ich wäre da sehr vorsichtig", sagte sie am Donnerstag in Berlin. Sie rate davon ab, für jede neu aufkommende Opferperspektive einen Runden Tisch einzurichten.

 (DR)

«Der jetzige Vorschlag entspricht dem Wunsch der Politik, überhaupt etwas vorzuschlagen, ist aber auch Ausdruck der Hilflosigkeit. In komplexen, lange zurückliegenden Prozessen kann der Runde Tisch kaum Richter sein, er kann nur eine Vision von Gerechtigkeit aufrechterhalten und damit hoffentlich zur Befriedung beitragen», so Vollmer. Zugleich warnte sie vor den Folgen aufgeladener Emotionalisierungen in den Medien.

Unerfüllbare Erwartungen
Bei wachsendem zeitlichen Abstand zum konkreten Fall sexuellen Missbrauchs fürchte sie bei einem Runden Tisch, «dass er Erwartungen zur Tataufklärung weckt, die er nicht erfüllen kann», so Vollmer. Auch am «Runden Tisch Heimerziehung» komme sexueller Missbrauch zur Sprache. Dabei erleichterten aber die Geschlossenheit der Gruppe, die langjährige Erfahrung aller Beteiligten mit dem Thema und das gewachsene Vertrauen, darüber zu sprechen. Es gelte aber strikt, dass der Runde Tisch bei solchen Fällen weder Gericht, noch Fachwissenschaftler, noch begleitender Psychologe sein könne. Seine Aufgabe sei, für die Gesellschaft zu klären, was sie heute noch für die Geschädigten tun kann.

Vollmer sprach sich dafür aus, bei Fällen sexuellen Missbrauchs konsequent die straf- oder zivilrechtlichen Möglichkeiten einer Verfolgung oder eines Ausgleichs zu nutzen. Darüber hinaus zeige ihr die Erfahrung am «Runden Tisch Heimerziehung», dass die Opfer solcher Verbrechen oder Übergriffe nicht alleine gelassen werden dürften. «Diese Menschen dürfen mit ihrem Gefühl von Ohnmacht oder ihrem Trauma nicht ins Leere laufen», so die frühere Bundestagsvizepräsidentin. «Sie müssen eine Antwort finden. Da geht es um die Bearbeitung eines Lebensbruchs.»

Nach dem Bekanntwerden von mehr als 120 Fällen von Gewalt und sexuellem Missbrauch in katholischen Schulen drängt Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) auf einen Runden Tisch. Vollmer mahnte an, die Grenzen der Möglichkeiten eines Runden Tischs zu sehen. Der Umgang mit der Heim-Thematik zeige, dass solche Gesprächsprozesse «möglichst dicht am Ort des Geschehens» sein sollten. Das könne bei lange zurückliegenden Verbrechen auch bedeuten, dass sich ein heutiger Schulleiter oder Bischof zum intensiven Gespräch mit einem Opfer zusammensetze.

Täter offen konfrontieren
Nach ihrer Erfahrung gehe es gelegentlich auch um finanzielle Fragen, so Vollmer. Die Fokussierung auf Entschädigungsfragen komme jedoch von außen. Im Idealfall müssten diejenigen, die anderen Verletzungen zugefügt hätten, zu einem Gespräch bereitstehen, «dass man sie offen konfrontieren kann, dass sie konkret antworten müssen».

Der vom Bundestag eingerichtete «Runde Tisch Heimerziehung» hatte sich im Februar 2009 unter Vorsitz Vollmers konstituiert. Er behandelt den Umgang mit bis zu 800.000 Heimkindern in der frühen Bundesrepublik. Das Gremium will nach einem im Januar vorgelegten Zwischenbericht seine Arbeit bis Jahresende abschließen.