GKKE-Vorsitzender fordert ein Rüstungsexportkontrollgesetz

"Da hat sich leider noch nichts bewegt"

Die gemeinsame Konferenz Kirche und Entwicklung hat ihren Rüstungsexportbericht vorgestellt. Ihr katholischer Vorsitzender, Prälat Karl Jüsten, moniert das Fehlen eines Rüstungsexportkontrollgesetzes. Aber er sieht auch Lichtblicke.

Ein Panzer vom Typ Leopard 2
 / © Armin Weigel (dpa)
Ein Panzer vom Typ Leopard 2 / © Armin Weigel ( dpa )

DOMRADIO.DE: In der Regel stellen Sie jährlich Ihren Bericht vor. Haben Sie es in den vergangenen Jahren schon mal erlebt, dass es so viele Konflikte gleichzeitig gibt, die Europa unmittelbar betreffen und mit Waffen ausgetragen werden, wie derzeit? 

Karl Jüsten / © Jannis Chavakis (KNA)
Karl Jüsten / © Jannis Chavakis ( KNA )

Prälat Karl Jüsten (Katholischer Vorsitzender der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung / GKKE): Wir hatten diesen furchtbaren Krieg im ehemaligen Jugoslawien. Der war auch vor unserer Haustüre gewesen. Aber das war ein Konflikt, der sozusagen aus dem Land heraus entstanden war. 

Jetzt haben wir es mit Konflikten zu tun, die anderer Art sind. Ein Aggressor, der ein Land einfach überfallen hat, um es zu unterwerfen. Das ist eine neue Qualität. Da haben wir immer gesagt, dass die Ukrainer ein Recht darauf haben, sich selbst zu verteidigen. 

Karl Jüsten

"Von daher haben wir gegen Waffenlieferungen an die Ukraine nie Einwände erhoben."

Wenn man sich selbst verteidigen möchte, muss man auch in die Lage versetzt werden, diese Verteidigung ausüben zu können. Von daher haben wir gegen Waffenlieferungen an die Ukraine nie Einwände erhoben. 

DOMRADIO.DE: Sie haben immer kritisch auf Waffenexporte geschaut. Wie gut kann man im Moment Beschränkungen für Waffenexporte begründen, wenn man auf die Ukraine blickt? 

Jüsten: Es ist sehr interessant, dass die Rüstungsexporte in 2022 insgesamt nach den Zahlen, die uns vorliegen, zurückgegangen sind. Die Ukraine bekommt natürlich Waffen geliefert. 

Das ist alles sehr restriktiv. Man hatte auch den Eindruck, dass sich die Regierung immer jedes Waffensystem sehr genau anschaut, um zu sehen, ob diese Waffen tatsächlich die Wirkung haben, die sie brauchen. 

Zum Zweiten hat sie darauf geschaut, dass sie keine Waffen bekommen, die möglicherweise unverhältnismäßig sind. Nach dem, was wir wissen, scheint das alles sehr verhältnismäßig zu sein, was die Bundesregierung da macht. 

DOMRADIO.DE: Wer im Ausland Opfer von Waffen aus Deutschland wird, soll künftig leichter Schadenersatz bekommen. Das haben Sie haben zuletzt als gemeinsame Konferenz gefordert. Hat sich bei dieser Forderung schon etwas politisch bewegt? 

Jüsten: Nein, da hat sich leider nichts bewegt. Wir fordern auch ein Rüstungsexportkontrollgesetz. Da hat sich leider auch noch nichts bewegt. Da hatten wir uns ehrlich gesagt nach dem Koalitionsvertrag mehr erhofft. Aber die Legislaturperiode dauert noch an und deshalb hoffen wir, dass das noch kommt. 

DOMRADIO.DE: Es soll also ein Fonds kommen, in den die Industrie einzahlen soll?

Jüsten: Das ist unsere Hoffnung. Ob der kommt, wissen wir natürlich nicht, aber wir arbeiten weiter daran. 

DOMRADIO.DE: Die Ukraine kämpft ums Überleben. Die Feinde Israels wollen das Land auslöschen. Wie groß ist die Gefahr, dass man sich an die Gewalt und die vielen Waffen gewöhnen muss? 

Karl Jüsten

"An die Kriege dürfen wir uns nie gewöhnen."

Jüsten: An die Gewalt und an die Kriege dürfen wir uns nie gewöhnen. Das ist aufgrund unserer christlichen Friedensethik geboten. Wir hoffen auch, dass der Konflikt in Israel, im Gazastreifen bald ein Ende findet.

Dann stellt sich aber die Frage, welche Friedensordnung dieses Land nach diesem grauenvollen Massaker auf der einen Seite und auf der anderen Seite nach dem Krieg in Gaza bekommt. Da weiß man gar nicht, wie es weitergehen soll. Gewöhnen sollte man sich auf gar keinen Fall an Kriege. 

DOMRADIO.DE: Was können die großen Kirchen für den Frieden tun? 

Jüsten: Das wichtigste und das stärkste Moment, was wir in der Hand haben, ist immer auch das Gebet. Gerade jetzt, wenn wir in der Adventszeit sind, wenn wir auf das Weihnachtsfest zurückgehen, dann ist das Friedensgebet vielleicht etwas, was alle Christen über den ganzen Globus verteilt am intensivsten machen können.

Zweitens haben wir natürlich auch Möglichkeiten zu reden. Der Papst wird häufig dafür kritisiert, dass er sich bei beiden Kriegen nicht auf eine Seite gestellt hat. Sein Motiv ist vermutlich, dass er Brückenbauer sein will, um möglicherweise ein Gesprächspartner für eine künftige Friedensordnung zu sein. 

Wenn das gelingen würde, hätte die Kirche an dieser Stelle einen sehr wichtigen Beitrag zu leisten. Aber wir müssen vor allen Dingen an der Seite derer stehen, die Opfer vom Krieg sind. 

Für die Toten müssen wir beten, für die Verletzten müssen wir sorgen und wir müssen denjenigen auch solidarisch beistehen, die Opfer dieses Krieges geworden sind, wie etwa die vielen Flüchtenden, die aus der Ukraine zu uns gekommen sind. 

DOMRADIO.DE: Mit welchen Gefühlen blicken Sie auf das kommende Jahr? 

Jüsten: Mit Blick auf den Krieg in der Ukraine hat Bischof Overbeck jüngst gesagt, dass wir uns wahrscheinlich auf einen langen Krieg einstellen müssen und nicht darauf hoffen können, dass der bald beendigt ist. 

Karl Jüsten

"Das ist natürlich eine düstere Prognose. Aber wahrscheinlich muss er Realist bleiben und wir müssen uns darauf einstellen. "

Das ist natürlich eine düstere Prognose. Aber wahrscheinlich muss er Realist bleiben und wir müssen uns darauf einstellen. Mit Israel hoffe ich, dass die Kriegshandlungen bald ein Ende finden werden und dass Israel noch mal aufarbeitet, wie es dazu kam. Möglicherweise werden dann auch neue Kräfte das Land regieren, von denen hoffentlich Impulse für einen Frieden mit den Palästinensern kommen. 

Es sind nicht alle Palästinenser Mitglieder der Hamas oder Unterstützer der Hamas. Das muss man auch klar sagen. Deshalb gibt es Hoffnung, dass man mit den Palästinensern auch zu einer Friedensordnung kommen kann. 

Das Interview führte Dagmar Peters. 

Eckdaten zum weltweiten Waffenhandel

Die beiden großen Kirchen haben ihren Rüstungsexportbericht vorgelegt. Der Rüstungsexportbericht der Bundesregierung steht noch aus. Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) dokumentiert einige Daten zum weltweiten Waffenhandel.

Die drei Spitzenreiter beim Anteil am globalen Handel mit Großwaffen zwischen 2018 bis 2022 waren die USA (40 Prozent), Russland (16 Prozent) und Frankreich (11 Prozent); Deutschland lag mit 4,2 Prozent auf Platz 5.

Mehrfachraketenwerfer beim Abschuss auf den Kirkcudbright Ranges / © Cpl Nathan Tanuku (dpa)
Mehrfachraketenwerfer beim Abschuss auf den Kirkcudbright Ranges / © Cpl Nathan Tanuku ( dpa )
Quelle:
DR