DOMRADIO.DE: Wozu soll die Gebetswoche für die Einheit der Christen 2025 sein?

Jochen Wagner (Pastor, promovierter Theologe und Lehrbeauftragter sowie freikirchlicher Referent der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland e.V. / ACK): Zunächst mal hat jede Gebetswoche das Ziel, einander besser kennenzulernen. Es gibt orthodoxe, katholische und viele evangelische Traditionen. Die Gebetswoche bietet jedes Jahr die Möglichkeit, ein bisschen was von den anderen kennenzulernen und auch zu sehen, dass uns die zentralen Dinge verbinden und gleichzeitig jeder das auf eine eigene Art und Weise mit einer eigenen Geschichte erlebt.
Für mich sind das immer Schätze, die ich entdecken darf und mir auch etwas für meine eigene Frömmigkeit mitnehmen darf.
DOMRADIO.DE: Wo bestehenden weiterhin Unterschiede zwischen Christinnen und Christen und wo gibt es andererseits unter den Konfessionen Gemeinsamkeiten, die diese Einheit ausdrücken?
Wagner: Als große Gemeinsamkeit haben sie den Glauben an Jesus Christus. Das zeigt sich jetzt besonders 2025, wenn wir feiern, dass das Glaubensbekenntnis von Nicäa 1700 Jahre alt wird. Das ist das Herzstück, das verbindet uns.
Was uns weiterhin trennt, sind die unterschiedlichen Arten zu taufen, die Frage, wie man das Abendmahl, die Eucharistie feiert. Es bestehen noch Unterschiede in praktischen Arten, den Glauben zu feiern. Feiert man den Gottesdienst klassisch mit einer Orgel oder in der orthodoxen Tradition ganz ohne Musikinstrumente oder in einer Pfingstgemeinde mit einer Band?

DOMRADIO.DE: Das erste christliche ökumenische Konzil, das 325 n. Chr. in Nizäa bei Konstantinopel stattgefunden hat, ist 1.700 Jahre her. Spürt man das besonders gegenüber anderen Jahren, in denen es die christliche Gebetswoche ja auch gab?
Wagner: Ja, das hat auch mit der Entstehungsgeschichte zu tun. Ich bin auch in dem internationalen Vorbereitungsteam, das vom Weltrat der Kirchen und von dem Dikasterium zur Förderung der Einheit der Christen zusammengesetzt ist.
Wir waren dieses Mal in einem ökumenischen Kloster, um die Texte vorzubereiten. Das war schon eine besondere Atmosphäre, weil sich alles um das Glaubensbekenntnis dreht – natürlich in der Gebetswoche eher in einer meditativen Art und Weise und nicht in theologischen Diskussionen. Aber es ist schon ein Schwerpunkt.
DOMRADIO.DE: Papst Franziskus spricht immer wieder von einer versöhnten Verschiedenheit oder einer Einheit in versöhnter Verschiedenheit zwischen den Kirchen. Ist das nicht ein guter Kompromiss?
Wagner: Ja, auf jeden Fall. Es wäre schade, wenn all die schönen und tiefgehenden Traditionen, auch die unterschiedlichen Arten der Frömmigkeit verloren gingen. Man würde so einen Einheitsbrei mischen. Deswegen ist das schon sehr schön, dass es diese Vielfalt gibt.
Natürlich wird man sich auf der anderen Seite auch wünschen, dass man noch näher zusammenrückt und dass das quasi nicht eine Ausrede dafür wird, dass man in gewissen Sachen nicht zusammenkommt. Aber grundsätzlich ist diese Vielfalt ein großes Geschenk.

DOMRADIO.DE: Für die meditative Auseinandersetzung mit dem Glauben gibt es die biblischen Texte für die Gebetswoche 2025 aus dem elften Kapitel vom Evangelisten Johannes, die Verse 17 bis 27. Daraus stammt auch das Motto der Gebetswoche: "Glaubst du das?" Was steckt hinter diesem Motto für die Gebetswoche für die Einheit der Christen?
Wagner: Ausgehend von dem biblischen Text und mit dem Blick auf ein Bekenntnis, das 1700 Jahre alt ist, wollen wir uns überlegen: Wie stehe ich dazu? Oder noch aktueller: Wie würde ich meinen Glauben heute formulieren?
Deswegen finde ich diese Frage "Glaubst du das?" sehr interessant, um noch mal zu überlegen, wie würde ich meinen Glauben in fünf Sätzen formulieren? So können wir den alten Text mit dem Heute ins Gespräch bringen. Vielleicht würden wir einige Sachen gleich sagen und andere Sachen anders. Deswegen finde ich es so spannend, sich da noch mal auf den Weg zu machen.

DOMRADIO.DE: Der zentrale Gottesdienst der Gebetswoche wird am Sonntag um 17 Uhr im Essener Dom gefeiert. Man kann auf gebetswoche.de im Livestream dabei sein. Wo wird die Gebetswoche ansonsten noch sichtbar?
Wagner: Grundsätzlich erarbeiten wir einen Vorschlag für einen Gottesdienst und acht Tagesmeditationen, sodass man in diesem Zeitraum vom 18. bis 25. Januar - bzw. in anderen Erdkreisen wird zum Beispiel um Pfingsten gefeiert - sich selbst einen Schwerpunkt raussuchen kann.
Manche nehmen sich nur ein Element raus. In vielen Regionen wird ein Gottesdienst gefeiert, den man dann regional gestaltet und in anderen Teilen trifft man sich vielleicht bei Abendandachten. Da liefern wir die Vorlagen und man kann dann vor Ort schauen, was man davon aufnimmt und in welchem Kontext man es einsetzt und sich trifft und die Gebetswoche begeht.
Das Interview führte Katharina Geiger.