Gebetbuch aus dem Jahr 1300 gibt Einblicke ins Mittalalter

Drollige Drachen, Einhörner und ballspielende Hunde

Von wegen finsteres Mittelalter! Das Leben damals war bunt und herrlich. Die Zeichnungen eines uralten Gebetbuches, die im Kölner Schnütgen Museum ausgestellt sind, zeigen, wie heiter es zuging und gibt Einblicke ins Mittelalter.

Autor/in:
Johannes Schröer
Vogel in Schubkarre aus dem Psalter-Brevier aus Laon um 1300 / © Johannes Schröer (DR)
Vogel in Schubkarre aus dem Psalter-Brevier aus Laon um 1300 / © Johannes Schröer ( DR )

Ein Kind fährt in einer Schubkarre einen Vogel spazieren. Das ist drollig. Auf anderen Bildern sieht man Ritter, die auf Fantasiewesen, Einhörnern nicht unähnlich, zum Turnier reiten. Mit Keule und Lanze kämpfen sie. Weiter sehen wir putzige Drachen oder Jahrmarktszenen, Kinder, die Ball spielen, vielleicht sogar Fußball? Sicher aber, denn wir sind in Frankreich, wird Boule gespielt. Und das vor über 700 Jahren. 

Aus Frankreich ins Rheinland

Karen Straub, Kuratorin der Ausstellung "Glaube mit Humor" / © Johannes Schröer (DR)
Karen Straub, Kuratorin der Ausstellung "Glaube mit Humor" / © Johannes Schröer ( DR )

Diese heiteren Zeichnungen schmücken ein ganz besonderes Gebetbuch, ein Psalter-Brevier, das um das Jahr 1300 in Frankreich entstanden ist. Die lustigen Comic-Zeichnungen umrahmen die Psalmen der Bibel, denn dieses bunte Buch ist in erster Linie ein Gebetbuch. Aber der Kontrast zwischen dem heiligen Ernst der Psalmen und dem bunten Treiben der munteren Figuren am Rande macht den besonderen Charme dieses uralten Breviers aus.

"Auf den Zierseiten gibt es unglaublich viel zu entdecken", schwärmt Karen Straub, die die Ausstellung im Museum Schnütgen rund um das kostbare Buch kuratiert hat. Irdischer Jux und Dollerei werde gezeigt, eine wunderbare Gegenwelt zum Ernst der Gebetstexte. “Dieser Humor sei charakteristisch für das späte Mittelalter”, sagt Straub.

Aus Frankreich kam damals nicht nur die gotische Architektur ins Rheinland, sondern auch diese humorvolle Art der Buchmalerei. "Aus den Abbildungen drolliger Riesen entstand der Name Drollerien", erklärt Straub. Im Kölner Klarissenkloster ahmten die Nonnen diese Art der Buchmalerei nach, indem sie Handschriften mit bunten Figuren schmückten. Und auch auf den spätmittelalterlichen Chorschranken im Kölner Dom tollen und toben Drachen und Mischwesen herum.

Ausstellung "Glaube mit Humor"

"Deswegen war es uns auch so wichtig, diese Handschrift für das Museum Schnütgen zu erwerben, denn diese Art der drolligen Randgestaltung aus Frankreich war ein Vorbild für die Kölner Buchmalerei", sagt Straub. Die Ernst von Siemens Kunststiftung und die Harald und Gertrud Kühnen Stiftung machten diesen Ankauf möglich. Was so ein uraltes Gebetbuch gekostet hat, will man nicht verraten. Im Jahr 1300 hätte das Buch den Gegenwert eines großen Hauses in zentraler Lage gehabt, deutet Martin Hoernes, der Generalsekretär der Ernst von Siemens Kunststiftung, den Wert des 900-seitigen Breviers an.

Psalm 68: David im Wasser / Gott segnend / Psalter-Brevier um 1300  / © Johannes Schröer (DR)
Psalm 68: David im Wasser / Gott segnend / Psalter-Brevier um 1300 / © Johannes Schröer ( DR )

Ursprünglich war die Handschrift für die Prämonstratenser-Abtei St. Martin in Laon in Nordfrankreich gefertigt worden. Während der Französischen Revolution gelangte das Buch in die Sammlung der Herzöge von Arenberg und danach in Privatbesitz. Über ein Kunstauktionshaus wurde das Gebetbuch dem Schnütgen Museum angeboten. In der Ausstellung "Glaube mit Humor" ist es jetzt zum ersten Mal öffentlich zu sehen.

"Da nicht jeder in dem uralten Gebetbuch blättern kann, zeigen wir die digitalisierten Doppelseiten in einer modernen, großformatigen Präsentation", sagt Karen Straub: "Da kann man auch an Details heranzoomen und die schmuckreichen Malereien ganz nah erleben". So wird das Spätmittelalter im Museum Schnütgen lebendig – in seiner ganzen Lebenslust und Lebensfreude. Auf dem Cover des Ausstellungskatalogs ist ein an seinem Pult beschäftigter Schreiber zu sehen, doch da schleicht sich ein bunter Hund ins Bild, der dem Schreiber einen Ball zuwirft, genug gearbeitet, scheint er ihm zuzurufen, komm mit, wir wollen Boule spielen.

Quelle:
DR

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