Frauen in Madagaskar müssen hart um mehr Rechte kämpfen

Als Witwe nur an achter Stelle der Erbfolge

In einem der ärmsten Länder der Welt zu bestehen, ist eine existenzielle Herausforderung. Doch als Landfrau in Madagaskar ist es noch mal härter. Hut ab vor jenen, die den Kampf kämpfen und die wenigen Chancen ergreifen.

Autor/in:
Alexander Brüggemann
Tanzende Frauen in Madagaskar / © Alexander Brüggemann (KNA)
Tanzende Frauen in Madagaskar / © Alexander Brüggemann ( KNA )
Frauen in Madagaskar bei der Ylang-Ylang Ernte  / © Pierre-Yves Babelon (shutterstock)
Frauen in Madagaskar bei der Ylang-Ylang Ernte / © Pierre-Yves Babelon ( shutterstock )

In der Geschichte Madagaskars, Afrikas größter Insel, haben Frauen eine machtvolle Rolle gespielt; lange Zeit sogar als königliches Matriarchat. Seit der französischen Kolonialzeit im 20. Jahrhundert ist dies einem männlichen Machismo gewichen; gerade im ländlichen Raum leben Frauen mit wenigen oder gar keinen Rechten. Aus dem Schulsystem fallen viele vorzeitig heraus.

Zugleich tragen Frauen die Hauptlast von Familie und gesellschaftlichem Zusammenhalt. Zwar beginnen sogar mehr Mädchen als Jungen eine Grundschulbildung. Doch mit zunehmender Schuldauer kippt das Verhältnis immer mehr, berichtet Patricia Harenae Tahirindray, Programmkoordinatorin für Soziale Gerechtigkeit und Ökologie beim Sozialzentrum Arrupe der Jesuiten in Antananarivo. Eltern lassen die Mädchen zuhause.

Minderjährige werden verheiratet

Internationaler Frauentag

Der Internationale Frauentag wird jedes Jahr am 8. März begangen. An diesem Tag setzen Frauen weltweit mit Demonstrationen und anderen Aktionen ein Zeichen für die gesellschaftliche Gleichstellung von Männern und Frauen. Dabei geht es um Chancengleichheit im Erwerbsleben, gleichen Lohn für gleiche Arbeit, den Kampf gegen Gewalt, Frauenhandel oder Genitalverstümmelung. 1977 erkannte die UN-Generalversammlung den 8. März offiziell als Internationalen Frauentag an.

Am 8. März ist Internationaler Frauentag / © Jens Wolf (dpa)
Am 8. März ist Internationaler Frauentag / © Jens Wolf ( dpa )

44 Prozent werden unter 18 Jahren verheiratet, 8,6 Prozent gar unter 15 Jahren. Frühe Schwangerschaften und/oder illegale Abtreibungen bedeuten das Ende von Bildung. Nur noch rund 30 Prozent der Mädchen erreichen die weiterführende Schule, Hochschulbildung nach unterschiedlichen Angaben 3 bis 13 Prozent. Mehr als jede fünfte Frau in Madagaskar (22 Prozent) bleibt ganz ohne Ausbildung.

Mit der Heirat verlassen die Mädchen traditionell ihre Familie und ihr Dorf; sie gehören nun dem Dorf des Mannes an. Das kann auch bedeuten: kein Schutz vor (häufiger) häuslicher Gewalt oder sozialer Ausgrenzung. Das traditionelle Erbrecht Madagaskars entrechtet Frauen total. Stirbt der Mann, so steht die Ehefrau in vielen ländlichen Regionen erst an achter Stelle der Erbfolge; nach den leiblichen Kindern, Kindern aus früheren Ehen, Schwiegereltern, Brüdern des Verstorbenen und weiteren Verwandten.

Viele Frauen sind nun völlig mittellos und auf die Gnade der (neuen) Familie angewiesen; ihre eigene Familie nimmt sie nicht mehr auf.

Selbst in der Hauptstadt Antananarivo erbt die Ehefrau nach jüngerem Recht nur die Hälfte des Besitzes; mit dem Rest wird verfahren wie oben beschrieben. Ein Phänomen in einigen Tieflandregionen ist immer noch Polygamie. Viele Männer dort arbeiten dann nicht mehr, vertreiben sich die Zeit mit Glücksspiel oder anderem. Die Ehefrauen wetteifern unterdessen, wer von ihnen mehr Arbeit und Verdienst schaffen kann.

Aufbruchstimmung für Frauenrechte

Frau auf Madagaskar (shutterstock)

Doch es gibt auch immer mehr Aufbruchstimmung für Frauenrechte; etwa in der Region um die Stadt Tsiroanomandidy, rund 200 Kilometer westlich der Inselhauptstadt Antananarivo. Nicht nur, dass die Ordensfrauen um Modestine Rasolofoarivola mit ihrem Verein Vahatra bei der dörflichen Bevölkerung für Basis-Aufklärung rund um das schwierige Thema Menstruation und Körperhygiene sorgen. Es geht auch und vor allem um Wirtschaften mit Reis, um alternative Anbaumethoden und Produkte, um Bewässerung, Wiederaufforstung und - ein immer wichtigeres Thema - um den Nachweis von Landtiteln.

Im Dorf Ankaditapaka zeigen Frauen stolz ihre neu erworbenen Landtitel vor, die sie mit Hilfe des Vereins und von Schwester Modestine erstritten haben. Die meisten Kleinbauern der Region bebauen ihre Äcker schon seit Jahrzehnten oder Generationen - allerdings nur nach Gewohnheitsrecht.

Der Weg zum verbrieften Landrecht

Nun kaufen vermehrt ausländische Investoren und Konzerne Land auf, das offiziell niemandem gehört, um Schürfrechte für Bodenschätze zu bekommen oder Plantagen mit Monokulturen zu errichten. Und zuletzt häufen sich auch Fälle, wo einflussreiche Leute in der Hauptstadt die zentrale Katasterbehörde bestechen, um mit unberechtigten Landtiteln ganze Dörfer auszuplündern. Sie schicken Lastwagen mit Bewaffneten, um den Armen das zu rauben, was diese erwirtschaftet haben und zum eigenen Überleben brauchen.

Der Verein Vahatra hilft den Kleinbauern, ihr Gewohnheitsrecht zum verbrieften Landrecht zu machen. Das Modell der Landzertifikate ist immer noch kaum bekannt. Deshalb arbeitet Vahatra hart dafür, dass möglichst viele Familien davon erfahren - und dass in den lokalen Gemeindebehörden die nötige Infrastruktur für eine massenhafte Registrierung entsteht. Dieser Einsatz ist durchaus mit Gefahren verbunden; Drohungen für Leib und Leben gehören zum schmutzigen Geschäft mit Land.

Solche Hilfen zur Selbsthilfe sind Hoffnungszeichen. Die Vereinsmitglieder von Vahatra, hauptsächlich Frauen, aber auch Männer, berichten stolz, wie sich das eigene Leben durch die selbst erworbenen neuen Perspektiven verändert. In Ankaditapaka tragen einige junge Frauen schon stolz gelbe T-Shirts mit dem Datum 8. März - dem Weltfrauentag. Der Tag wird im Dorf seit ein paar Jahren besonders gefeiert. Das Bewusstsein für die eigenen Rechte ist erwacht.

Quelle:
KNA