DOMRADIO.DE: Die Franziskaner sind zwar nicht selbst vor Ort in Gaza, unterstützen aber Projektpartner, die dort arbeiten. Wie geht es den Menschen in Gaza?
Bruder Matthias Maier OFM (Leiter von "Franziskaner Helfen"): Die Situation wird immer schlechter. Wir wissen um das Leid im ganzen Gazastreifen. Jetzt hat die israelische Regierung beschlossen, Gaza-Stadt einzunehmen und die Menschen zur Evakuierung aufgerufen. Damit wächst das Leid, denn immer mehr Hilfslieferungen werden gestoppt. Es spitzt sich zu. Es ist nicht nur Leid, es ist eine große Misere.
DOMRADIO.DE: Hilfsgüter werden blockiert. Nur minimale Lieferungen erreichen das Gebiet. Wie gelingt es Ihnen dennoch, Hilfe zu leisten?
Bruder Matthias: Wir sind sehr dankbar, dass wir einen Weg gefunden haben. Unser Mitbruder Kardinal Pierbattista Pizzaballa war vor Ort und hat gesagt, dass wir etwas tun müssen. So wurde ein eigener Weg geschaffen – im Dialog mit Israelis und Palästinensern. Mit Erlaubnis und während der Feuerpausen können von Bethlehem aus Hilfslieferungen nach Gaza-Stadt gebracht werden. Das ist ein anderer Weg als der großer Organisationen, aber wir hoffen, dass er eine große Hilfe für die Menschen ist.
DOMRADIO.DE: Die israelische Regierung ruft zur Evakuierung von Gaza-Stadt auf. Doch die katholische Pfarrei der Heiligen Familie bleibt trotz Raketenangriffen. Können Sie diese Entscheidung verstehen?
Bruder Matthias: Ja. Nicht nur die katholische, auch die orthodoxe Kirche bleibt. Beide Patriarchen haben Stellungnahmen veröffentlicht. Im Gespräch mit Brüdern und Schwestern vor Ort haben sie beschlossen, nicht zu gehen. In den Kirchen sind viele Menschen untergebracht: Alte, Verletzte, Kinder und Schwangere. Sie können nicht mehr fliehen. Eine Evakuierung wäre für sie fast ein Todesurteil. Deshalb bleiben die Ordensleute bei ihnen und teilen ihr Leid – eine echte compassio. Wir fühlen uns mit ihnen innerlich tief und neu verbunden.
DOMRADIO.DE: Sie haben einen Weg gefunden, Hilfen nach Gaza zu bringen. Wie kann man Sie und Ihre Organisation unterstützen?
Bruder Matthias: Es braucht materielle Hilfe: Nahrungsmittel, Medikamente, besonders für Schwerverletzte. Wir sind auf Spenden angewiesen. Dafür danke ich schon jetzt. Unser Aufruf hat Gehör gefunden, aber wir brauchen mehr.
Gleichzeitig geht es nicht nur ums Materielle. Wir als Kirche in Deutschland müssen über alle politischen Interessen hinaus den Blick auf die Armen und Leidenden richten. Das ist unsere erste christliche Berufung, konfessionsübergreifend. Wir müssen helfen und darüber sprechen, damit wir angesichts der vielen Kriegsschauplätze nicht abstumpfen.
Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.