DOMRADIO.DE: Wie erkennt man, ob ein Mensch suizidgefährdet ist?
Nora Klar (Katholische Ehe-, Familien- und Lebensberaterin in Wuppertal, Dipl. Heilpädagogin): Das Wichtigste ist genau hinzugucken. Man erkennt nicht immer, ob Menschen mit dem Gedanken spielen sich umzubringen. Deswegen ist es wichtig, achtsam zu sein und zum Beispiel auf Warnsignale zu achten.
Zum Beispiel, ob ein Mensch Rückzugstendenzen zeigt, also sich von der Familie oder von Freunden zurückzieht oder Dinge vernachlässigt, die ihm vorher wichtig waren, wie Hobbys oder andere Aktivitäten. Oder wenn Menschen eine große Hoffnungslosigkeit ausstrahlen oder sogar auch Suizidäußerungen machen. Sätze wie "Ich kann nicht mehr" oder "Es wäre besser, wenn ich nicht mehr da bin" können alles Anzeichen dafür sein, dass ein Mensch vielleicht mit dem Gedanken spielt, sich das Leben zu nehmen.
DOMRADIO.DE: Es gibt Menschen, die wiederholt mit Suizid drohen, es aber oft nicht umsetzen. Wie kann man als Laie unterscheiden, ob es sich nur um eine Drohung handelt oder um echte Verzweiflung?
Klar: Es ist wichtig, solche Aussagen immer ernst zu nehmen. Auch wenn man oft hört, dass viele Menschen "nur" damit drohen. Selbst diese Drohungen sind ein Hilferuf. Deshalb muss man gar nicht so stark unterscheiden. Auch jemand, der mit Suizid droht, braucht Unterstützung.
Wichtig ist, da zu sein, zuzuhören und solche Drohungen ernst zu nehmen. Man kann nachfragen: "Wie geht es dir wirklich? Was brauchst du? Wie kann ich dich unterstützen?" Auch Drohungen sind ein Zeichen, dass Hilfe notwendig ist.
DOMRADIO.DE: Und was kann man darüber hinaus tun, außer das Thema anzusprechen?
Klar: Ganz wichtig ist, das Problem nicht zu verharmlosen. Sätze wie "Das wird schon wieder" oder "So schlimm ist es doch gar nicht" helfen überhaupt nicht. Es ist wichtig, die Not ernst zu nehmen und der betroffenen Person zur Seite zu stehen. Man sollte echtes Interesse zeigen, zuhören und nachfragen, wie es der Person geht.
Außerdem kann man helfen, indem man Unterstützung vermittelt. Zum Beispiel gemeinsam einen Termin bei einer Beratungsstelle oder bei einer Psychotherapeutin oder einem Psychotherapeuten vereinbaren oder nützliche Telefonnummern wie die Telefonseelsorge oder "Nummer gegen Kummer" weitergeben. Es gibt viele Angebote, die Menschen in Krisen nutzen können. Entscheidend ist, frühzeitig Hilfe zu suchen.
DOMRADIO.DE: Wären die Ehe- und Lebensberatungsstellen in Wuppertal ebenfalls Anlaufstellen, zu denen man in einer solchen Situation raten könnte?
Klar: Auf jeden Fall. Beratungsstellen sind gerade für Menschen in Krisen da. Und Menschen in Krisen sind naturgemäß stärker suizidgefährdet als andere. Deshalb ist es sehr hilfreich, frühzeitig Unterstützung zu suchen.
Der Welttag für Suizidprävention ist daher besonders wichtig, weil er auf das Thema aufmerksam macht und zeigt, dass es ganz normal ist, Hilfe in Anspruch zu nehmen. Krisen sind normal und man sollte sich Unterstützung holen, zum Beispiel in Beratungsstellen oder bei Psychologinnen und Psychologen. Je früher man Hilfe sucht, desto geringer ist das Risiko einer Suizidgefährdung.
DOMRADIO.DE: Sie setzen sich heute dafür ein, das Thema aus der Tabuzone zu holen. Wie wichtig ist das gesellschaftliche Klima, um Menschen mit Suizidgedanken Unterstützung zu bieten und zu verhindern, dass sie sich selbst etwas antun?
Klar: Sie sprechen einen sehr wichtigen Punkt an. Das Thema muss gesamtgesellschaftlich betrachtet werden. Es geht darum, es zu enttabuisieren und in die Öffentlichkeit zu bringen.
Deshalb sind wir auch heute auf der Straße aktiv. Ich bin persönlich an einem Stand in Wuppertal und spreche mit Angehörigen und mit Menschen, denen es nicht gut geht. Man spricht das Thema offen an, steht für alle Fragen zur Verfügung, hört zu und informiert über Suizid und Suizidprävention.
Das Interview führte Heike Sicconi.