Ethikrat rät von Covid-19-Immunitätsbescheinigung ab

"Erhebliche Unsicherheiten"

Soll in Deutschland künftig ein Covid-19-Immunitätsausweis eingeführt werden? Mit dieser Frage hat sich der Deutsche Ethikrat nun intensiv beschäftigt. Er kommt zu dem Ergebnis, dass ein solches Dokument derzeit nicht empfehlenswert sei.

Autor/in:
Anna Mertens
Demonstrantin mit Schild "Wir wollen keinen Immunitätsausweis" / © Fabian Strauch (dpa)
Demonstrantin mit Schild "Wir wollen keinen Immunitätsausweis" / © Fabian Strauch ( dpa )

Es bestünden noch "erhebliche Unsicherheiten hinsichtlich der Ausprägung und des zeitlichen Verlaufs einer Immunität und Infektiosität sowie der Aussagekraft von Antikörpertests gegen Sars-CoV-2", heißt es in einer am Dienstag veröffentlichten Stellungnahme des Ethikrats. Umso wichtiger sei es, weiter auf Infektionsschutzmaßnahmen zu setzen, bekräftigte die Ethikratsvorsitzende Alena Buyx.

So empfiehlt der Ethikrat eine verstärkte Aufklärung zum Infektionsschutz. "Die Aufklärung sollte mit dem Appell verbunden werden, stets auch den Mitmenschen und das Gemeinwohl im Blick zu haben", so die Experten. Darüber hinaus sollte umfassend über die Aussagekraft von Antikörpertests informiert werden, und freiverkäufliche Tests zu einem Immunitätsnachweis sollten "auf Grund ihrer zweifelhaften Verlässlichkeit und ihres Gefährdungspotenzials" strenger reguliert werden, so Buyx.

Ethikrat gespalten

Über diese gemeinsame Position hinaus enthält die Stellungnahme Empfehlungen für den Fall einer sicher nachweisbaren Immunität, die je nur von einer Gruppe der Mitglieder gestützt werden.

Die eine Hälfte des Ethikrats ist der Meinung, dass, falls Immunität sicher feststellbar sei, die Einführung eines temporären freiwilligen Immunitätsausweises sinnvoll sein könnte - stufenweise und anlassbezogen sowie in gewissen Bereichen, etwa in der Pflege. Es ginge hier um Berechtigungen, denkbar wären aber etwa bei einem unkontrollierten Anstieg der Infektionszahlen auch Verpflichtungen.

Die Bescheinigung solle aber unter keinen Umständen bisherige Infektionsschutzkonzepte pauschal ersetzen. Es heiße nicht, dass die Betreffenden auf das Tragen von Masken verzichten könnten, ergänzte Buyx. Einige Ratsmitglieder dieser Gruppe gehen noch weiter und stehen einer grundsätzlicheren Einführung eines Immunitätspasses offen gegenüber.

Die andere Hälfte des Ethikrats lehnt einen Immunitätsausweis aus "wissenschaftlichen, ethischen und praktischen Gründen" generell ab.

Ausweis auch aus praktischen Gründen nicht sinnvoll

So bleibe unklar, ob es überhaupt eine länger anhaltende Immunität gebe, etwa bei symptomlosen Krankheitsverläufen. Aber auch aus praktischen Gründen sei ein Ausweis nicht sinnvoll. Es könnte sein, dass Personen sich mutwillig einem Infektionsrisiko aussetzten, erklärte die Vertreterin dieser Position, Judith Simon. Zudem könne eine Zwei-Klassen-Gesellschaft entstehen, wenn eine Immunität Voraussetzung für gewisse Aktivitäten werde. In Altenheimen etwa sei der Nachweis der Nicht-Infektiösität ausreichend und sinnvoll.

Zustimmung erhielt die ablehnende Haltung aus der Politik und von der Deutschen Stiftung Patientenschutz. Die Vizevorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Bärbel Bas, nannte die Debatte eine Phantomdebatte. Wichtiger seien Schnelltests als sinnvolle Ergänzung zu sonstigen Schutzmaßnahmen.

Der gesundheitspolitische Sprecher der Linksfraktion, Achim Kessler, stellte sich dezidiert hinter die zweite Gruppe, die Immunitätsbescheinigungen grundsätzlich ablehnt. Auch die Grünen-Fraktion begrüßte die Haltung des Ethikrats.


Vorstand des Deutschen Ethikrates mit der Vorsitzenden Alena Buyx (z.v.l.) (Deutscher Ethikrat)
Vorstand des Deutschen Ethikrates mit der Vorsitzenden Alena Buyx (z.v.l.) / ( Deutscher Ethikrat )
Quelle:
KNA