Evangelischer Pfarrer aus Rom über die Audienz beim Papst

"Er setzt sich an den Schreibtisch und fragt: Wie geht es Ihnen?"

Inmitten des katholischen Roms gibt es eine evangelische Gemeinde. Ihr Pfarrer Michael Jonas war zu einer Privataudienz beim Papst: "Er schafft es wirklich, in der Zuwendung zu Menschen gleich eine große Nähe zu schaffen – man ist da nicht gehemmt."

Papst Franziskus empfängt Pfarrer Michael Jonas, Vorsitzender der evangelisch-lutherischen Gemeinde in Rom / © Vatican Media/Romano Siciliani (KNA)
Papst Franziskus empfängt Pfarrer Michael Jonas, Vorsitzender der evangelisch-lutherischen Gemeinde in Rom / © Vatican Media/Romano Siciliani ( KNA )

DOMRADIO.DE: Wie läuft eine Privataudienz beim Papst ab? Waren Sie aufgeregt?

Pfarrer Michael Jonas (Pfarrer der evangelischen Gemeinde in Rom): Ja, da ist man natürlich schon aufgeregt, das war für mich das erste Mal im Apostolischen Palast. Ich habe das Protokoll miterlebt: Man muss die Schweizergarde passieren, man wird durch verschiedene Säle geleitet. Das gibt einem dann schon ein bisschen Respekt.

DOMRADIO.DE: Worüber haben Sie mit dem Papst gesprochen? 

Jonas: Er hat sich sehr viel Zeit genommen und auch erst mal nachgefragt, wie es uns in der Gemeinde geht. Er erinnert sich noch sehr gut an seinen Besuch bei uns vor vier Jahren. Da ich ja jetzt erst ein Jahr da bin, hat er sich natürlich auch nach mir erkundigt, wie es mir in der Gemeinde geht und wie ich in Rom angekommen sei. Das waren sehr persönliche Fragen und Gespräche. 

DOMRADIO.DE: Sie haben es gesagt: Papst Franziskus hat Ende 2015 Ihre Gemeinde besucht und Ihnen ein symbolisches Geschenk gemacht, einen Abendmahlskelch. Da steckt viel Botschaft in diesem Geschenk an eine lutherische Gemeinde. Die Ökumene-Euphorie, vor allem auch des Lutherjahres 2017, ist so ein bisschen verflogen. Welchen Eindruck haben Sie vom Thema Ökumene und was haben Sie mit dem Papst bezüglich dieses Thema gesprochen? 

Jonas: Na ja, da würde ich auf jeden Fall sagen, dass für den Heiligen Vater das ökumenische Hochgefühl und seine damals gesetzten Zeichen keinesfalls verflogen, sondern hochaktuell sind. Er ist völlig überzeugt, dass wir gemeinsam voranschreiten müssen, im Zeugnis für das Evangelium und er hält das immer noch für brisant.

Ich selber habe beim Gespräch natürlich darauf hingewiesen, dass es in Europa mit dem christlichen Glauben insgesamt schwierig aussieht und wir vor großen Herausforderungen stehen, auch in den deutschen Kirchen. Darüber ist er natürlich sehr gut informiert und er ist sich völlig im Klaren, dass wir zurück zu einer elementaren, authentischen, überzeugenden Verkündigung des Evangeliums kommen müssen. Das können wir auf jeden Fall ökumenisch durch- und umsetzen. 

DOMRADIO.DE: Ein anderes Thema, das sowohl für Ihre Gemeinde als auch für den Papst und Vatikan eine Rolle spielt, ist die Flüchtlingsfrage. Sie haben als Gemeinde auch zwei Flüchtlinge aufgenommen. Das ist für den Papst ein wichtiges Thema, das merken wir immer wieder an allen Stellen. Sind Sie darauf eingegangen?

Jonas: Ich habe ihm nur berichtet, wie wir mit dieser Herausforderung umgehen und auch sehr bescheiden gesagt, dass wir wirklich auch nur zwei Flüchtlinge aufgenommen haben und uns um die beiden kümmern. Das ist uns als Gemeinde sehr wichtig, den Menschen wirklich im persönlichen Kontakt zu helfen.

Das hat er bestätigt und sagt, das sei genau das Richtige: Jesus habe den Menschen auch kein Geld gebracht, sondern er habe sich selber im persönlichen Kontakt eingesetzt. Da waren wir uns einig, natürlich immer entsprechend der Größendimension, die die christliche Relevanz hat, dass es nicht nur darum geht, die Politik zu fordern, sondern sich den Menschen zuzuwenden, die dann auch wirklich vor Ort ankommen und da sind. 

DOMRADIO.DE: Jetzt sind Sie in einer Situation, in der die wenigsten von uns selber mal hinein kommen: Den Papst persönlich treffen und das Ganze nicht bloß zum Händeschütteln, sondern wirklich, um ein privates Gespräch zu führen. Nehmen Sie uns mal mit in den Saal, wie läuft das eigentlich ab? Wie begrüßt er einen?

Jonas: Er begrüßt einen sehr herzlich, sehr zugewandt, schafft Offenheit und Nähe. Man sitzt auf gleicher Ebene. Er setzt sich zum Gespräch an den Schreibtisch und fragt erstmal wirklich "Wie geht es Ihnen? Erzählen Sie mir." Er schafft es wirklich, in der Zuwendung zu Menschen gleich eine große Nähe und Entspannung zu schaffen – man ist da nicht gehemmt.

Er redet auch sehr auf gleicher Ebene, hat die Brüderlichkeit dieses Gespräches betont und mir auch in den Überlegungen über die Herausforderung eines Gemeinde-Pfarramtes gesagt, er sei im Kern am liebsten Gemeindepfarrer gewesen und auch als Papst ein solcher geblieben. Er ist gerne nahe bei den Menschen, das sei unsere Kernaufgabe.

DOMRADIO.DE: Er hat eine Zeit lang in Deutschland gelebt und in Sankt Georgen studiert in Frankfurt. Haben Sie auch Sätze mit ihm auf Deutsch gewechselt? Oder ist das alles auf Italienisch gelaufen? 

Jonas: Das Gespräch ist eigentlich auf Italienisch gelaufen, aber als er mir am Schluss noch einen kleinen Gruß aufschreiben wollte, hat er den in fehlerfreiem Deutsch geschrieben und das Wort "In Brüderlichkeit" geschrieben. Er hat mich dann gefragt: "Ist es so richtig? Kann ich es noch?" Und das alles auf Deutsch und ich habe gesagt, das ist vollkommen korrekt, Sie können es noch. Das nach nur einem Jahr in Deutschland.

Daraufhin sagte er: "Es waren nur sieben Monate in Sankt Georgen". Ich habe gescherzt: "Für einen Jesuiten reicht das." Wir beide haben sehr gelacht und geschmunzelt. Er kann noch sehr gut Deutsch und er wollte es auch zeigen.

Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.


Quelle:
DR
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